Montag, 15.07.24
GTA Süd Susa - Alpe Toglie (Rother-Etappe 35)
Hm rauf 1.140, Hm runter 110, km 12,5
Zeit unterwegs: 10:15 Uhr - 16:00 Uhr - reine Gehzeit ca. 5h
Unterkunft Almbetrieb Alpe Toglie
Kosten: 8 Euro p.P für Übernachtung, 5 Euro Frühstück, 20 Euro Abendessen
Das Frühstücksbuffet im Convent-Hotel gleicht der Kuchenauslage einer Wiener Feinbäckerei. Auf der anderen Seite des Raumes stehen zusätzlich Schinkenplatten, Obst, Joghurt. Wir haben so gut geschlafen in unserer kleinen Klosterzelle und dann dieses Frühstück. „Gewöhn dich nur nicht dran!“ warne ich den Mann. Oft gibt es ja doch nur Zwieback mit Packerlmarmelade. Was für ein erfreulicher Start. Wir sitzen im Garten und genießen den Frieden, der in der Luft liegt. Und die Vorfreude.
„Arbeitest du jetzt etwa mit literarischen Zeitsprüngen“, seufzt der Mann, als er meinen Noasca-Artikel liest. „Ich bin schon gespannt was passiert, wenn die eben noch nach Susa absteigende Katharina und die heute von dort startende Katharina aufeinandertreffen…“
Eine spannende Frage. Was würde die heutige Katharina der vom letzten Jahr wohl erzählen? Vielleicht, dass die nächsten Monate nicht so leicht werden würden, aber letztendlich doch alles gut wird. K23 wurde gelangweilt gucken, das weiß sie eh, dass am Ende immer alles gut ist. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende, beenden K23 und K24 gleichzeitig ihrer beider LIeblingszitat von Oscar Wilde. Das sie bald regelmäßig joggen gehen wird erzählt K24 und erstmals über den Winter ihre Kondition nicht wieder gänzlich verliert. K23 würde laut lachen, das ist doch wirklich zu absurd.
„Wie läuft das Business?“ Das würde K23 bestimmt wissen wollen. Das vierte Jahr Selbstständigkeit? „das läuft alles weiterhin großartig und mit ganz viel Freude“ würde K24 antworten, „aber behalte dir die Auszeiten bei“. Eine überflüssige Ergänzung, steht K24 doch gerade hier am Beginn ihrer nächsten großen Sommer-Auszeit.
Was wohl K25 zu erzählen hat? Würde ich heute wissen wollen, wenn etwas sehr Schlimmes oder unerwartet Schönes bevorstünde? Eigentlich doch nicht. Und ich bezweifle, dass K25 gerade auch in Susa abhängt. Während ich darüber nachdenke, fällt mir doch noch etwas ein, dass K23 dringend wissen sollte!
„Kauf Nvidia Aktien!“ rufe ich ihr nach. Aber sie ist schon weg. Verdammt!
Der Mann geht nochmal runter in den Ort ein neues Ladekabel kaufen, seins ging gestern Nacht kaputt und er wird berichten, wie schön das morgendliche Aufwachen dieser italienischen Kleinstadt war. Ich sitze hinter dicken Klostermauern im Garten und spüre diese besonderen Atmosphäre erster Tage nach.
Und dann werden zum ersten Mal auf dieser Tour die Wanderschuhe geschnürt. Die nach längeren Überlegungen nun doch wieder ganz Neue sind.
Der GTA ist ein Sohlenfresser, das habe ich letztes Jahr so oft miterlebt. Wie es einen dann tagelang aufhält mit dem Bus einen Ort mit Sportgeschäft zu finden um Neue zu finden. Ich hätte ja immer Angst, dass es die dann nicht in meiner Größe gibt. Oder schlimmer, die Farbe nicht schön ist!
Normalerweise halten Bergschuhe so 800 - 1000 km, ich liebe meine Salewaschuhe, auf die ich vor 3 Jahren umgestiegen bin, aber da die Sohle etwas weicher ist, sind es hier eher 600 - 800 km, dann ist die Sohle echt blank. Abgefallen ist mir bislang noch keine, aber das kann ja dann noch dazu kommen... 500 km sind vom letzten Jahr schon drauf. Ich habe also seufzend das Paar vom letzten Jahr zu den anderen beiden in den Schrank gestellt - ich habe jetzt sehr viele Bergschuhe, die es im Herbst auf Tagestouren aufzutragen gilt…
Apropos Schuhe, neue Wandelei Flipflops hab ich auch - die besten „Berg-Wander-Flipflops“ deren Anbieter leider vor ein paar Jahren Insolvenz angemeldet hat. Herr T. aus München hat mich auf eine laufende Aktion auf eBay Kleinanzeigen hingewiesen, zwei Paar gab es da, zufällig genau in meiner Größe. In Türkis und Rosa. Perfekt. Er hat mich desweiteren darauf hingewiesen, dass es schon lange nicht mehr eBay Kleinanzeigen heißt, sondern nur noch Kleinanzeigen. Ich war da schon, da hieß es nur eBay. Man könne daraus wohl auf mein Alter schließen. Altersverschleihernde Sprache sagt also „Kleinanzeigen.“ Ich muss das noch ein bisschen üben. Das letzte Mal war ich in der App, als ich meine Wohnung in Ludwigsburg aufgelöst habe, alle (Möbel-) Geschäfte Corona-bedingt geschlossen waren und mir die Leute die Bude eingerannt haben, meine alten Möbel kaufen zu dürfen. Ist das lange her.
Und der Bergkleidanbieter meines Vertrauens hat doch tatsächlich auch in diesem Jahr neue Farben aufgelegt. In einer kleinen Abstimmung unter Fans der ersten Stunde wird entschieden zwischen der Farbe „Shark“ (=grau), „Caviar“ (schwarz) und „Cayenne“. Cayenne wird es. Ich hoffe das namentlich dazu passende Fahrzeug wird ebenfalls noch geliefert.
Und auch sonst musste fast die gesamte Ausrüstung erneuert werden. Mein Rucksack begleitet mich nun im vierten Jahr, der ist noch „original“ aber ich befürchte es ist die letzte große Tour für ihn. Die Regenjacke hat gar keinen Regen mehr abgehalten, da kann man sie auch gleich daheim lassen. Oder eine neue besorgen. Sie heißt „Westalpen“, bzw. „Westalpen LIGHT“ obwohl sie 17 Gramm mehr wiegt, als die Vorgänger-Regenjacke. Westalpen ist sehr passend, weil ich ja genau da gerade laufe. Kleiner Nachteil, der Mann hat sich letztes Jahr dieselbe gekauft (also die aus der Buben-Edition) und das ist schon echt peinlich. Ich wollte nie so ein altes Rentner-Ehepaar werden, dass in denselben Outdoorklamotten rumläuft. Jetzt haben wir das schon 20 Jahr vor der Rente geschafft. Wirklich peinlich. Aber da ging jetzt auf die Schnelle nix anderes her. Und sie passt so gut und ist schön. Und dicht - das hat der Mann ja bereits getestet.
Alle T-Shirts vom Vorjahr waren „durch“, zerlöchert, kaputt. Die Hosen inzwischen zu groß, das ist mal ein guter Grund. Also auch hier alles neu. Als ich die Etiketten abschneide, sehe ich zum ersten Mal, wie meine neue Wanderhose heißt (haltet euch fest):
Und das steht auf der Rückseite. Es klingt wie eine Personenbeschreibung von mir 😂
So, jetzt wisst ihr wie mein Kleid, meine Hose und meine Jacke heißen, wie ich heiße, wisst ihr auch, nur der Mann heißt nach wie vor „der Mann“. Für alle neuen Leser, das ist nicht etwas, weil ich den so häufig auswechsle sondern weil er seinen Namen nicht „in dem Internet“ lesen will. Mit Fotos von sich ist er auch eher zurückhaltend aber manchmal gibts ne Freigabe. Aber das sind sehr seltene Momente, genießt sie also.
Kurz nach 10 treten wir aus den Klostermauern nach draußen - mein Blick fällt auf die gegenüberliegende Bergseite, genau dorthin, wo ich letztes Jahr herunterkam.
Und ich fange an zu weinen.
Das geht ja gut los.
Mich hat es in dem Moment total überwältigt, dass ich jetzt wieder hier stehe, weiterlaufe, und das Bewusstsein, dass das nicht selbstverständlich ist. Es dauert einen Moment, bis ich mich emotional wieder zusammensortiert habe.
Mit ganz viel Dankbarkeit im Herzen starten wir jetzt aber wirklich mal los:
Der Rucksack ist echt … schwer. Laut excel-Sheet sollte er nicht mehr als 9,5 kg mit Wasser haben, laut der Reisewaage (!!) die einer meiner Innsbruck-WG-Mitbewohnerinnen dabei hatte sind es wohl doch eher 11 kg.
Ich hatte für Juni / Juli noch 10 Trainings-Bergtouren mit vollem Gepäck geplant gehabt, aber dann wurden es nur 2 ohne Gepäck. Mein Trainingsziel von einer großen Tour ist immer „einmal München-Venedig“ , das hab ich auch dieses Jahr mit fast 20.000 Hm und 1000 Wander-Jogging-und Walking-Km deutlich überschritten, weil ich früh angefangen habe, aber eben die letzten 4 Wochen fast gar nix mehr und kein einziges mal mit schwerem Gepäck. Dann tut halt die erste Woche ein bisschen mehr weh am Rücken, so ist das halt.
Aber dieser heutige erste Tag ist eine leichtere Etappe, wir haben Zeit, das Wetter ist gut, keinerlei Gewitter, vor dem man irgendwo ankommen muss.
Es geht durch die Villengegend von Susa in den nächsten Ort. Die Beschilderung ist vorbildlich. Der Mann fragt irgendwann „war das mal ein Schulprojekt? wirklich jeder Laternpfosten ist mit rot-weßen Markierungen versehen.
Und sogar Schilder gibt es!
Im nächsten Ort weisen Hinweistafeln auf die hier schon stattgefundenen Radrennen hin.
Und dann ist der nächste Ort Meana erreicht, da gibt es sogar einen Bahnhof.
Auf der Strasse geht es weiter, an vielen Brunnen vorbei - Wasser hätte man heute kaum welches mitnehmen müssen, bis zum Ort Gillo. Dort gäbe es auch eine Bar, aber wir machen Rast unter einem Baum. Wir passieren viele Hunde - aber alle sind sehr freundlich, keiner bellt aggressiv, die meisten heben nur kurz den Kopf, nicken freundlich und schlafen weiter.
Und jeder hat seine Vorgärten bepflanzt oder sonst irgendwie geschmückt.
Eine Erinnerung, nicht nur den Vorgarten sondern auch den Tag zu pflücken gibt es auch noch.
Und Margeriten-Wiesen 😍
Viele Hunde und ein paar gechillte Katzen
Es wird wärmer, aber der letzte lange Anstieg auf einem Mulipfad knapp 800 Hm bis zur Alm liegt komplett im Wald und somit im Schatten.
Und obwohl es wenig Alternativen gibt wo man falsch gehen könnte ist auch hier gut beschildert.
Gegen 16 Uhr erreichen wir die Alpe Toglie. Eine Almwirtschaft mit 20 Kühen und ein paar Jungtieren. 3 Hunde laufen uns entgegen, aber auch die sind freundlich und wedeln mit dem Schwanz. Das werden sie auch abends tun, wenn sie die Kühe in den Stall zurück treiben - komplett ohne Gekläffe. So geht gute Führung, man muss nicht immer rumbrüllen.
Ês ist eine Almfamilie mit erwachsenem Sohn und noch einem Almhirten, die Mama des Hauses begrüßt uns, ihr Mann kommt kurz drauf dazu.
Sie bringt uns was zu trinken, zeigt uns das Zimmer und das Bad. Letzteres teilt man mit der Familie. Es ist einfach, aber alles ist da. Vor allem eine heiße Dusche!
Wir sitzen draußen und warten ob wir einen Blick auf den Rocciamelone erhaschen, der erste irrelevante Nebengipfel den ich letztes Jahr ernsthaft überlegt hatte zu besteigen. Obwohl es da die klare Katharina-Weitwanderer-Regel gibt: Nicht von der Hauptroute abweichen, die ist immer schon anstrengend genug. Sich niemals auf Nebengipfeln verausgaben. Und dann wollte ich da doch gerne rauf. Das Wetter hatte mir dann einen Strich durch die Rechnung gemacht und ich musste statt auf diesen schweißtreibenden Gipfel zu steigen in einer Gourmetvilla den ganzen Tag Nachtische probieren. Manche Menschen haben schon echt Pech…
Als wir da so sitzen und schauen kommt ein schnaufendes Pärchen mit sehr großem Gepäck an. „Gott war das anstrengend!“ stöhnen sie und lassen sich zu uns auf die Bank fallen. Sie schlafen heute auch hier, es sind Holländer. Und sie sind sehr lustig. Sie hat sich im Wald einen großen Wanderstecken gesucht, er hat keine Stecken, überlegt aber ob das nicht eine gute Idee wäre.
Wir sitzen gemeinsam draußen, die Mama des Hauses fragt ob jemand Vegetarier ist. Die Holländerin sagt „ja ich. Und ich esse keinen Käse.“ „Keinen KÄSE????“ Das kann die Almbäuerin nicht fassen, die hier oben ihren eigenen Käse herstellen und verkaufen. „Keinen KÄSE?“ fragt sie nochmal ungläubig. „Keinen Käse?“ frage jetzt auch ich. „Du bist doch Holländerin?“ Sie lacht. Die Almbäuerin kommt kurz drauf mit einem Glas Pesto um die Ecke und studiert das Etikett. Sie wollte ihr eigentlich als vegetarische Pasta eine mit Pesto anbieten, aber da sei ja ein wenig Parmesan drin. Ob das ok ginge? Die Holländerin nickt, jaja, das macht nichts. Ich finde das sehr sehr aufmerksam, da hätte ich überhaupt nicht drangedacht. Das ja auch in Pesto Käse drin ist. „Ich bin nicht allergisch, ich mag es nur nicht. Aber im Pesto ist es ok.“
(Fröhliche nicht-Käse-essende Holländerin mit Mann ohne Wanderstecken)
Um halb acht gibts für alle am großen Tisch essen in riesigen Portionen, Vorspeisen mit Tomaten, Chinakohlsalat (!), Almkäse in drei Sorten aus eigener Produktion, riesige Berge Pasta Bolognese oder eben Pesto. Eine große Flasche Rotwein stellen sie uns auch dazu. Als Nachtisch gibts Grappa und Limoncello.
„Mag jemand carne?“ der nächste Gang. In der Pfanne brutzelt Fleisch. Etwas in mir klingelt. Carne? Ich dachte das heißt Hund?? Ich gucke aus dem Fenster, alle drei Hunde sitzen da noch vergnügt draußen. Carne… Fleisch! Cane - der Hund 😂 deshalb hat die mich gestern in der Apotheke so gar nicht verstanden…
Nach dem Essen sitzen wir noch ein bisschen draußen. Und dann zeigt er sich plötzlich doch noch - der Rocciamelone!
(Der spitze Kegel links im Bild)
Der erste Tag. Danke.
Schlaft gut,
Eure Katharina
Hallo Katharina wie schön dass Du/Ihr wieder unterwegs seid… habe es erst diese Woche mitbekommen.. Muss jetzt erst mal hinter her lesen 😄 GlG Tanja S.
Ja meii....der erste Tag noch nicht mal fertig und schon (mit-)geweint und auch herzlich gelacht ...dankeschön! Lg Ursi
Endlich geht die Sommerlektüre weiter - inklusive Nachtrag der fehlenden Etappen aus dem letzten Jahr, vielen Dank dafür. Ich lese gespannt mit - bei uns wird der GTA nächstes Jahr auf die Agenda kommen (allerdings wohl nur zwei Wochen). Dank Deiner Anregung habe ich mir für die diesjährige Tour (Rumänien) auch mal ein Kleid für Abend / Pausentage gekauft ;-)
Ich wünsche Dir viel Spaß und stabiles Wetter!
Dörthe
Soooo schön, endlich kann ich virtuell wieder mit dir mitwandern. Ich war anfangs etwas irritiert, da erst die finalen Etappen vom letzten Jahr kamen. Aber klar und irgendwie auch schön, erst den Abschluss K23 zu lesen.
Hahaha Frau K24, das ist ja mal ne tolle Idee, K22, 23, 24 … ich habe erst an die 8.000-der gedacht, du bist einfach eine tolle Geschichtenerzählerin 🤩
Liebe K24, ich wünsche dir eine wunderschöne Zeit mit tollen Erlebnissen und interessanten Menschen. Liebe Grüße auch an den Mann und eine auf spannende Reise
Ulli
….hach, schööööön… und wieder ist die Kulinarik ganz weit vorne. Du weißt eben, wie man sich motiviert.
Ich freue mich auf dein/euer nächstes Abenteuer
Fr. G aus N