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Tag 10 Salzburg – Triest: Der normalste aller Tage



Freitag, 09.07.21

Bucheben (Rauris) – Schutzhaus Neubau

Hm rauf 1250, runter 130, km 18, Gehzeit ca. 6 Std.


Also heute ist ein völlig unspektakulärer Normalo-Tag. Normal gut geschlafen. Beim Aufstehen: Normales Wetter, bewölkt, bisschen Regen. Normales Frühstück. Ein ganz normaler Weg, Turnschuh-tauglich. Nur normale Tiere getroffen (Kühe und Pferde) nix außergewöhnliches.



Ein stiller Tag. Aber nicht minder schön. Erst abends dann: Außergewöhnlich gute Gesellschaft.


Ein großer Nachteil beim alleine wandern ist ja, dass man jetzt niemanden mehr hat auf den man es schieben kann, wenn man morgens so spät loskommt. Bei mir wird es irgendwie halb 11…Aber es regnet und es soll später aufhören. Dann geh ich doch gleich später. Ich lese und schreibe ein bisschen, stelle fest dass ich ja genau am Einstieg einer Variante zum heutigen Ziel Schutzhaus Neubau wohne. Es ist beschrieben, wie man zum Reiterhof Niggl kommt (da wohne ich doch grad!) und wie es von dort weiter geht. Es ist die Schlechtwetter-Variante und man kommt an lauter Almen vorbei. Schlechtes Wetter ist es ja, Almen sind immer gut. So mache ich das!


Es sind ja auch heute wieder über 1200 HM, aber es ist eine so gleichmäßig angenehme Steigung bei kühlem Wetter, dass es echt leicht geht. Man geht durch das Bilderbuch-Dörflein Bucheben und läuft dann abwechselnd durch Wald und Wiese und bisschen Forststrasse. Nur am Anfang geht es mal kurz steil eine Wiese hoch und gegen Ende ein biserl, aber es ist ein schöner, leichter Weg. Ein normaler Weg!


Ziemlich genau nach der Hälfte kommt die Mitterastenalm, die, laut Rother, „von zwei Schwestern mit viel Liebe zum Detail und im positiven Sinne am Rande des Kitsches geführt wird.“ Das mit dem Rand würde ich jetzt vielleicht ein bisschen anders einschätzen, man könnte es auch als „weit drüber“ bezeichnen. Aber ja, es ist entzückend. Die Speisekarten sind handbestickt, die Vorhänge, alles ist in sehr „dezentem“ pink gehalten.




Sinnsprüche die die Häuslichkeit und das Kochen loben, und das in der Welt herumstreunern verurteilen sind auf große Deckchen gestickt, die an den Wänden verteilt hängen. Meinen schwäbischen Ex-Kollegen würde das gefallen! Ich habe es extra für euch fotografiert:



Es sind noch zwei weitere Gäste da, ein Urlaubs-Pärchen die in Rauris Ferien machen, aber auch die: Völlige Normalos an einem Normalo-Tag.


Nach einer Buttermilch mit Waldfrüchten und einer selbstgemachte Brennessel-Zitronen-Schorle geht weiter.




Zu meiner rechten ein Berg der aussieht, als habe er Löcher! Überall fließt in kleinen, mittleren und großen Strömen Wasser aus ihm heraus. Gut so! Alles was da grad runterkommt, liegt oben schon nicht mehr als Schnee. Es stört mich daher auch nicht, dass ich mir den Wanderweg phasenweise mit dem Schmelzwasser teilen muss. Hinfort mit dir! Bis morgen muss der Schnee weg sein, da steht eine schwere Etappe an. Ich hänge in Gedanken schon sehr viel an der morgigen Etappe, über die Fraganter Scharte, die Saustellscharte und den Ochsentrieb zum Fraganter Schutzhaus. Alles steil, schwer und zum Teil noch mit Schneefeldern. In der Threema-Gruppe wird das seit Tagen diskutiert, jeder findet es unterschiedlich schwer oder sehr schwer. Vor 10 Tagen war der Ochsentrieb noch überhaupt nicht begehbar. Und dass ich das nicht schaffen werde, weil es so lang, schwer und eben noch voller Schnee ist. Ich HASSE im Tiefschnee rumstapfen, das habe ich auf etlichen Trainingstouren dieses Jahr auf den Münchner Hausbergen im Februar, März, April und auch noch Mai feststellen dürfen. Ich brauche dann die doppelte Zeit. Ungünstig auf einer 8:15 StundenTour…


Aber ich habe diverse Pläne B, C, D. Der Wirt vom Weißseehaus hat auf halber Strecke Betten frei. Es gibt ne Gondel runter und man kann dann „weiter drüben“ wieder aufsteigen. Ich kann wieder zurücklaufen, wenn ich merke es geht nicht. Irgendwas davon wird es werden. Dass es „durchlaufen“ wird, halte ich für ausgeschlossen. Ich hab daher auch meine Reservierung im Fraganter Schutzhaus mal storniert, laut dem Buchungsportal ist eh alles frei. Vermutlich weil da halt grad niemand geht.



(Aus der Sammlung „Katharinas Lieblingsschilder“)


Gegen 17 Uhr komme ich am Schutzhaus Neubau an, das eine wunderschöne Hütte ist, zauberhaft von innen und außen, ziemlich neu, so schön gelegen. Die Wirtin begrüsst mich mit einem „Du bist mit dem David und seinem Kumpel im 4-Bett-Zimmer, passt das?“ Ich wundere mich kurz, wie sie auf die Idee kommt, ich könne „David“ kennen, (er erzählt später sie hat gefragt und versucht die Zimmer corona-konform einzuteilen, wer eh schon mit wem mal zusammen gewandert ist die letzten Tage). Ich finde es lustig, dass sie – ähnlich wie ich seit Tagen – nur von David und seinem Kumpel redet. Ich finde, es wird Zeit dass der Herr einen Namen bekommt. Er heißt Frederick und ist auch aus München. Ich füge in Gedanken immer noch ein „die Maus“ hinzu. Nicht weil es irgendwelche optischen Ähnlichkeiten gäbe, gar nicht, sondern einfach weil es eine meiner Lieblingsfiguren aus der großen Weltliteratur ist. Frederick die Maus, die im Sommer Geschichten, Farben und Worte sammelt, für die grauen, kalten Wintertage, während die anderen hektisch Nüsse, Samen und andere Vorräte anlegen. Frederick, der dann im Winter die anderen mit seinen Geschichten wärmt. Kritisch betrachtet könnte man festhalten, das es zum gute Geschichten erzählen schon auch Essen braucht und Frederick einfach nur ein Sozialschmarotzer ist. Er kommt im Kinderbuch vielleicht ein bisschen zu gut weg. Ich würde heute vermutlich auf die Macht eines guten Teams verweisen, wo jeder seine Talente einbringt und jeder gleich „wichtig“ ist, aber ihr habt mich vermutlich längst durchschaut: Ich bin schon auch lieber „Team Frederick“.


Heute ist der Abend, wo alle bisherigen Protagonisten aus unterschiedlichen Orten von irgendwoher aufgestiegen sind und sich hier noch einmal alle treffen: David und Frederick, der Therapeut (er heißt übrigens Tobias, aber das braucht ihr euch jetzt auch nicht mehr merken), mein Rucksackzwilling Mira und ich. Vermutlich zum letzten Mal in dieser Kombi, der Therapeut hat schon wieder Pausentag und plant irgendwelche verrückten Gipfel an diesem. Bevor ja dann die schwere Etappe kommt. Er leuchtet total von innen, wie angeknipst, am stärksten von allen, finde ich, so ausgeglichen und fröhlich. Ich mag es so sehr, wenn man merkt, da wohnt jemand drin, es ist jemand zuhause, in sich selbst. Ich sag ihm das. Er gibt das gleich zurück: „Ach das liegt an euch und der guten Gesellschaft!“ Und erzählt, er habe schon in meinem Blog gelesen. „Wir kommen alle drin vor!“ erklärt er den anderen. „Ich z.b., ich bin der Therapeut.“ sagt der Therapeut.



Mein Rucksackzwilling ist total begeistert von dem Tag, es ging so gut, die Füße sind so eingelaufen, ihr Rucksack war plötzlich so leicht (Ich überlege sie für morgen heimlich auszutauschen….). David und sein Kumpel, äh, Fred, behaupten, sie gingen jetzt noch in das 9 Grad kalte Wasser hinter dem Haus baden. Nachdem wir alle drumrumstehen mit gezückten Kameras, ziehen sie es echt durch, ganz ohne Schreien und ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. (Das ist der Grund warum Männer statistisch weniger lang leben. Genau DAS!) David hat ja um Gewicht zu sparen nicht mal ein Handtuch dabei. Ich überlege ob ich mit 29 sowas gemacht habe? Ich hoffe nicht. Aber vermutlich schon. Aber ich hatte immer ein Handtuch dabei.


Es gibt Backerbsensuppe und danach Spaghetti Bolognese – juhuu, again! Und Bananenkuchen zum Nachtisch. „Ist da Alkohol drin?“ schnüffel ich am Kuchen. „Na, blos Rum!“ sagt die Wirtin. Es wird jetzt langsam Zeit für das ernste Gespräch mit dem Wirt. Wegen der schweren Etappe morgen. Was er meint? Ob das zu schaffen ist? Wie gefährlich ist es wirklich?? Er guckt mich seltsam an, versteht die Frage nicht. Ist das ein gutes Zeichen? „Wetter wird super, ihr gehts halt einfach nüber!“ Ok. Dann hab ich ja zu meinen diversen Optionen noch eine weitere hinzufügen:

Einfach nüber.“





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