Samstag, 27.07.27
GTA Süd Chiappera - Chialveta (Etappe 46), Unterkunft Osteria della Gardetta
Hm rauf 780, Hm runter 920, km 17,5 (in meiner Variante, in der des Mannes ca. 1200 hm rauf, 1350 runter, km 17,7)
Unterwegs von 8:40 - 17:00, reine Gehzeit ca. 5 h (Variante Mann lt. Rother 2h länger, er hat nur 6h gebraucht)
Kosten Unterkunft La Provenzale: 30 € p.P. Abendessen, 10 € Frühstück, nix für die Übernachtung im „Angestelltenzimmer“
Neiiiiin!!!!!! Jetzt hab ich doch echt verpasst, das Rother-Cover nachzustellen!!! Aus 65 Tagen, ist es genau dieser Ort hier, Chiappera, mit dem Kirchturm und dem Matterhorn-ähnlichen Gipfel, der es aufs Cover des GTA-Rothers geschafft hat! Und ich hab heute morgen nicht drangedacht. Oh Mann!!! Jetzt laufe ich nicht mehr zurück! Stellt euch vor die beiden auf dem Bild haben statt der zwei (albernen) roten Rucksäcke einen schwarzen und einen petrolfarbenen auf. Und kurze Hosen und keine Jacken - wir haben nämlich bestes Wetter…Und weiße Haare hat von uns auch (noch) keine:r. Um diese Details angepasst sah es genau so heute morgen bei uns aus!
Ach nein, und zusammen aufgebrochen sind wir heute auch nicht. Aber SONST sah es genau so aus 😂
Der Mann hat noch eines gemacht, dass dem am nächsten kommt:
Dieses Versäumnis ist bestimmt den unterschiedlichen Aufbruchs-Zeiten geschuldet, die wir heute morgen hatten. Wir verabschieden uns von der Hälfte der Holländern beim Frühstück. Eines der beiden Paare, das mit der im dunkeln duschenden Frau und dem Shrimpscocktail-Mann läuft von hier nach Frankreich, irgendwohin wo ihr Auto steht, der andere Teil, Marion und Onno, sind noch ein paar Tage auf unserem Weg.
„Wir haben eine dritte Variante gefunden!“ verkündete der Mann das Ergebnis unser gestrigen Diskussion. „Sie geht heute den einen Weg, ich den anderen. Wir treffen uns unten wieder!“ Wir hatten ja gestern lange überlegt, welchen der beiden Wege gehen? Den kürzeren „Normalweg“ oder die Variante, von der Elisa II auf der Alpetto Hütte meinte, den müssten wir unbedingt gehen, der wäre so so schön.
(Bildquelle Rother)
Der Mann fühlte sich heute morgen plötzlich ausgeschlafen, fit und unbesiegbar, und will den längeren, alpineren Weg gehen. „Ich hab ja nur noch 2 große Bergtage, bevor es heim geht und ich kann ja dann im Bürop regenieren!“ Ich hingegen war gestern doch überrascht beim Blick auf die Etappenanzahl und nach ein bisschen Kopfrechnen, 65 Etappen sind es insgesamt, gestern E 45 gelaufen, das bedeutet, dass ich ja echt noch 20 Wander-Tage vor mir habe…das kam mir plötzlich … so viel vor. Und meine lange „Angstetappe“ nach Sambuco steht auch kurz bevor. Ich war heute Morgen müde und eher auf „Kräfte sinnvoll einteilen und nicht verschleudern.“ Also testen wir doch beide Wege! Ich hab ja den Verdacht, der Mann will testen, ob ich alleine klar komme, bevor er mich in 2 Tagen verlässt für dieses olle „Büro“. Ich darf mich heute also auf keinen Fall verlaufen.
Aber erstmal müssen wir den Weg zurück durchs Dorf zu unserem Frühstücksort finden. Der Mann sperrt den Heuschober ab, der heute Nacht unser Zuhause war.
Er startet um 8, ich kurz nach halb 9, wir werden fast zeitgleich am Rifugio Vivere ankommen, da wo beide Wege wieder zusammen laufen.
Na gut, er war früher da. Ein bisschen. Wir trinken dort auf der Terrasse etwas, schauen die Bilder des Tages an und sind beide sehr entscheidungszufrieden.
Ich hatte leichte Wege, leichte Steigung, einen so einfachen Tag und nach Besteigung eines kleinen Nebengipfels, wo ich lange gesessen bin, einen gigantischen 360 Grad Rundumblick.
(Blick zurück auf den Ort beim Start)
Leichte Waldwege und Bäume die die Sonne durchblinseln lassen…
Das Wasser war so so klar, aber es einfach noch zu kalt und früh zum Baden…
Aufstieg auf den ersten „irrelevanten Nebengipfel“ der Tour, ein sehr lohnenswerter 20 min Aufstieg zum Monte Estelletta.
Done ✅
Und als Belohnung 360 Grad Blick!
Der Abstieg erfolgte auf leichten Wegen, ehemalige Militärstraßen, man kann sich nicht verlaufen und nicht abstürzen beim in die Landschaft schauen.
Der Mann hatte alpine Geröllfelder, steile Anstiege, Schneefelder, Edelweiß und noch grandioser Blicke. Und viele Murmeltiere!
Sein höchster Punkt heute
(In dem Biwak rechts im Bild hat die Schweizer Familie geschlafen, es liegt wohl traumhaft schön aber am WE sind da gerne auch Jugendliche zum Feiern…)
Den zweiten Fehler des heutigen Tages glaube ich darin zu finden, dass wir das Rifugio Vivere nicht vorgebucht hatten. Sie haben lt. Rother nur 3 DZ, inzwischen sind es 6, es ist Samstag, sie sind ausgebucht. Es ist nicht nur entzückend, sondern man spart sich auch eine halbe Stunde Abstieg und morgen 232 hm Aufstieg, wo man denselben Weg wieder hochläuft. Ich hab seit 2 Tagen dort niemanden erreicht, das Telefon war kaputt, Internet weg, sagt die Wirtin. Aber am Samstag wohl eh immer schwierig. Das hätte man früher buchen müssen.
Als wir begleitet von Murmeltier-Pfiffen auf den Ort zulaufen, sieht das aber auch sehr Bilderbuch-mäßig aus!
Wir finden unsere Osteria della Gardetta, bekommen ein 3-Bett Zimmer für uns alleine und als wir da auf der Terrasse sitzen, ist auch alles gut und chillig. Die beiden übrig gebliebenen Holländer sitzen da auch, wir trinken Chinotta, den alkoholfreien Aperitif, den uns Lucca vor ein paar Tagen empfohlen hat. Irgendeine chinesische Mutation der Bitterorange, die nur im Piemont wächst. Ist lecker.
Am Abend ist volles Haus, das ganze Dorf scheint zum Essen hier zu sein, wir sind mit den beiden übrig gebliebenen Holländern am Tisch, es ist ein so schöner Abend. Sie ist 69 erzählt sie, ich kann es nicht fassen! Sie muss ein bisschen auf die Knie aufpassen, aber sonst geht es gut. Er ist 60, und war als Bergführer in der Schweiz bei einer Klettergruppe, da haben sie sich kennengelernt und verliebt. Kurz darauf wurde wohl die Regel erlassen, dass Bergführer:innen nix mit ihren Gästen anfangen dürfen….(Mich würde die Einhalte-Quote dieser „Regel“ ja mal sehr interessieren)…. Als liebe Leserin, falls du gerade auf einem Kletterkurs bist und dich wunderst, warum der nette Bergführer nicht zurückflirtet: Der darf das nicht! Bedankt euch bei Onno und Marion - die sind schuld! 😊❤️
Aber es war der falsche Zeitpunkt und 5 Jahre später haben sie sich zufällig auf einer Berghütte wieder getroffen. Seitdem sind sie zusammen. Und haben festgestellt, sie haben die ganze Zeit in Rotterdam nur 5 Straßen entfernt voneinander gewohnt. Sie erzählt, er strahlt sie dabei die ganze Zeit an. Liebe, seit 1989. Ich bin hin und weg von der Geschichte und den beiden.
Morgen verlieren wir sie, weil sie die Etappe teilen. Das darf man aber mit 69!
Ich sitze noch lange draußen und schreibe und es ist der erste Abend, wo ich zwar eine Jacke anhabe, aber es nicht so kalt ist. Und an dem ich bewusst die Grillen zirpen höre. Ich glaube es wird langsam… Sommer?
Liebe Katharina, von mir an dieser Stelle auch wieder mal ein von Herzen kommendes Dankeschön an dich für deine so wundervoll formulierten Berichte samt ausgewählten Bildern. Immer wieder bleibt mir da fast die Luft weg von so viel Schönheit und Harmonie dieser Gegend gekoppelt mit deiner/eurer Leistung in stundenlanger Gehzeit mit endlosen irr und relevanten Gipfeln... Hut ab!
Für die vor dir stehenden Tage wünsche ich dir ganz viel Glück und Genuss❤️
Liebe Grüsse Ursi
Hätte dir bei deiner ersten Alpenüberquerung jemand gesagt, dass du Nebengipfel mitnehmen würdest, den hättest du ausgelacht! Und nun?
Du läufst auf "leichten Waldwegen" …..die sind sicherlich für Ottonormalverbraucher voll anstrengend!
Aber super, wie du dein Leistungslevel einfach mal extrem erhöht hast.
Danke, dass du das für uns gehst!
Frau G aus N
Liebe Katharina, jetzt habe ich auch noch aufgeholt und bin dabei. Es liest sich so kurzweilig, und die Bilder sind ein Traum. Viele schöne Höhenunterschied wünscht Dir Christine B.