Samstag, 03.08.24
GTA Süd Rifugio Malinvern - Terme di Valdieri (Unterkunft Hotel Royal)
Hm rauf 790, Hm runter 1.250, km 17
Unterwegs von 7:45 (!!!) - 15:15 Uhr, reine Gehzeit ca 5:15 h
Kosten Rifugio Malinvern mit DAV Ausweis: 52 Euro p.P. Im EZ, HP, inkl. aller Getränke und Dusche (2 Euro)
Die Badetemperaturbandbreite der letzten 2 Tage ist enorm. Waren wir gestern noch schreiend bei ca. 7 Grad türkisblaugefroren, hatte unser heutiger Bergsee mit 15 Grad mehr als das Doppelte. Um sich dann abends in unserem Thermen-Dachterassenpool auf 34 Grad nochmals mehr als zu verdoppeln. Eine Vervierfachung innerhalb 24 Stunden! Ich hoffe mein Portfolio bekommt das auch noch hin, bis ich zurück bin. Das heutige Hotel ist wohl… teuer.
Heute morgen habe ich mich mehrfach selbst übertroffen: Nicht nur, dass ich um 7:05 Uhr aufgestanden bin, nein ich saß um 7:16 Uhr fertig gepackt und angezogen beim Frühstück!
Um dann um 7:45 Uhr bereits auf dem Weg zu stehen! Eigentlich wäre es 7:35 Uhr gewesen, aber der Drohnen-Heini von gestern meinte mich noch belehren zu müssen, ob ich denn wisse, dass die heutige Etappe eine echt lange und schwere sei? Naja, so wie gestern halt auch, hab ich geantwortet. Nein, nein, erklärte er mir, die ist SEHR lang. Mansplaining at its best. Was regen mich Leute auf, die andern einfach grundlos Angst machen müssen? Wir können über Etappe 59 mal sprechen, DIE ist lang und krass (und ich weiß noch nicht genau, wie ich da rangehe) aber heute ist einfach ein ganz normaler Berg-Tag. Weniger HM nauf wie gestern, alles easy. Und jetzt halt mich nicht länger auf!
Ich bin irritierenderweise die erste, die die Hütte verlässt. Glaub das gab es noch nie.
Paula und David holen mich bergauf eh irgendwann ein. Aber es ist lange niemand in Sicht, weder die beiden, noch die 4-er Gruppe um den Drohnen-Heini, noch die Kärntnerin. Die müssen doch alle in dieselbe Richtung?
Bin ich falsch?? Ich checke mehrfach die GPS Daten, gucke mich um - niemand da.
Nur die Hütte thront auf ihrem Felsen, wenn man von dieser Seite kommen würde, sähe man sie von Weitem.
Es ist morgenkühl, schattig, angenehme Steigung, es ist so leicht zu gehen. Ich schaue zweimal in meinen Rucksack, ob ich alles habe, er ist so leicht heute. Die Beine fliegen fast von selbst. Irgendwann taucht doch die Kärtnerin im Sichtfeld auf, aber sie bleibt lange hinter mir. Als sie mich überholt meint sie „du bist ja ne tolle Pacemakerin, danke dafür.“ Das lässt sich jetzt in mehrere Richtungen interpretieren.
Wir bleiben eine Weile zusammen. Nach der ersten Steigung öffnet sich der Weg und geht in das erste kleine Hochplateau über.
Un dann spitzt plötzlich auch die Sonne hinter einem Felsen vor und winkt uns zu.
Als wir den Malinvern See erreichen, sind wir beide verzaubert. Gott, ist der schön in der Morgen-Glitzersonne. Baden? Jetzt schon? Der See ist so schön, aber es ist echt noch zu früh. Aber ich stehe lange da und staune.
Und es kommt ja später noch ein See.
Wir laufen auf angenehm gleichmäßiger Steigung weiter, beim letzten Anstieg höre ich plötzlich leichten Steinschlag vom gegenüberliegenden Berg. Einfach nur Steinschlag? Abstürzende Kletterer? Ein Yeti? Oder etwa….
Ja! Da sind sie! 1,2,3, VIER Gemsen🐐🐐🐐🐐, die in der Morgensonne klettern.
Und nach einer langen letzten Geröll-Aufstiegs-Kehre, und einer kurzen, vereisten, Restschnee-Feld-man-muss-einen-Moment-gut-aufpassen-Stelle, ist auch schon der höchste Punkt für heute erreicht. Kurz nach 10. Tageshöhenmeterwerk ist eingefahren. Genial!
Oben auf dem Mini-Grat ist die Hölle los. Die Kärntnerin sitzt da, ich setzte mich dazu um auf Team Berlin zu warten, zwei Franzosen kommen grad von der anderen Seite an und reden wie verrückt, irre laut, beide gleichzeitig, blablablabla. Bzw. Bleubleubleubleu. Können die mal aufhören?? Dann kommen noch mehr Franzosen, auch die reden alle gleichzeitig. Was ein Trubel! Soviele Menschen hab ich die ganze letzte Woche nicht gesehen, wieso kommen denn jetzt alle gleichzeitig hier oben an?? Es würden noch welche fehlen, erklärt mir die Frau nun auf englisch. Wenn sie uns entgegen kommen, 3 Jungs und eine Frau, ob wir ihnen ausrichten können, dass sie am See mit Mittagessen warten? Ja mach ich. Aber jetzt geht weiter!!!
Spinn ich, war das ein Geräuschpegel da oben. Da kommt auch Team Berlin.
„Wird das da unser See?“ frage ich überflüssigerweise. „Jaaa!“ Na dann, wir treffen uns im Wasser!
Auf dem Weg nach unten läuft mir ein Murmeltier mitten über den Steinplatten-Weg. Elegant und lässig, gar nicht so hektisch quiekend wie viele andere. Die anderen beiden sehen kurz drauf eine Gemsenmama mit Kleinem. Was für ein Morgen!! Die fehlenden Franzosen treffe ich auch, richte die Botschaft ihrer vorausgegangenen Seilschaft aus. Sie sind erst empört, dass die anderen nicht oben auf sie warten, als ich erkläre, dass der See zauberhaft ist und sie sich da echt drauf freuen können, vor allem wenn die anderen doch schon MIttagessen zubereiten, bedankt sich die Frau ganz herzlich. Berghochlaufende Franzosen reden auch nicht so viel wie oben ankommende. Das haben sie mit mir gemeinsam. Zu den vielen Vorzügen, die Paula und David beim gemeinsam wandern haben gehört, dass sie sich nie bergauf mit mir unterhalten wollen. Sie tun das einfach nicht!
Ja und dann der See!
Füße rein - kurz warten, vielleicht ist es wieder so eine Trickbetrüger-Kälte, die sich erst nach einer Minute entfaltet? Aber nein. Das ist jetzt WIRKLICH ok. So ganz normal kalt halt, so 15 / 16 Grad. Da kann man locker schwimmen. Ich durchquere den halben See! Es ist so so so glücklichmachend. Die Kärnterin kommt nach mir an, schnappt mein am Ufer liegendes Handy und macht Fotos. Bitteschön.
Und dann geht sie auch rein. Und Team Berlin ist auch bald drin. Am Ufer sind einige Familien, einige picknicken oder liegen in der Wiese, es ist wie im Freibad. Nur das ausser uns niemand im Wasser ist. Aber viele machen Fotos von uns 😂
Irgendwann dämmert es mir „Ach heute ist SAMSTAG!“ Ich bin inzwischen im keine-Ahnung-was-für-ein-Wochentag-ist-Modus angekommen.
„Wie kann denn der Tag schon wieder so schön sein?“ fragt David verwundert. „Also drei Tage hintereinander so toll, das gibts doch einfach nicht!“
Wir liegen alle eine Weile in der Sonne, lassen uns trocknen. Dann eine Wolke, die uns zeitgleich zurück in unsere Klamotten bewegt. Die Kärntnerin biegt jetzt hier weg zur Questa-Hütte, wo auch die Schweizer Familie sein wird laut deren mir vorliegendem excel-Sheet, aber erst morgen. Grüße mitgeben bringt also nix.
Wir verabschieden uns - ich schaue ihr nach und denke bei mir: Das sind doch die coolen Mädchen. Die alleine durchs Gebirge wandern können, die furchtlos Bergseen durchschwimmen, die gut mit anderen sein können und dann auch wieder gut mit sich allein. Deren Augen so leuchten.
Ich bin gerade sehr zufrieden mit der Gesamtsituation.
Auch damit, dass es jetzt nur noch leicht bergab geht, 10 km noch, auf ehemaligen Militärstrassen, leichte Wege durch schöne Landschaft. Vorbei an Siesta-Kälbchen 😍
Und schon wieder kommt heute eine Einkehrmöglichkeit auf dem Weg, die Valasco Hütte. Der Rother kritisiert den vor einigen Jahren stattgefunden Umbau, der sei nicht zum Vorteil der Hütte gewesen, man sieht von weitem, was er meint. Da hat jemand Türmchen dran geklebt und bunt angemalt…
Aber es hat einen schönen Platz draußen, toller Blick, leckerer Gemüse-Flan. Und ein Cola. Und ein Aqua Minerale. Und einen Kaffee. Und es gibt EIS! Hab ich gestern fast 40 Euro für die Pappteller-Salate bezahlt, sind es jetzt hier 10 € für alles.
„Habt ihr auch soooo Hunger?“ frage ich überflüssigerweise, als Paula mit einem Tablett ankommt auf dem ein riesiger Berg Polenta mit Käsesosse, ein Teller Pasta mit Bratensoße (?) und ebenfalls ein Gemüseflan thronen. „Ich hol mir dann noch nen Kuchen!“ sagt David mit vollem Mund.
Es ist soo lustig, wir lachen schon wieder nur. Heitere Gelassenheit ist unser Begleiter.
So ich muss jetzt aber los. Einen kleinen Stressor hab ich noch im Nacken: Es ist jetzt 14 Uhr, es dauert noch eine Stunde bis in den Ort, ich habe aus Versehen 2 Reservierungen in zwei Unterkünften und da den ganzen Tag kein Netz war konnte ich das eine nicht stornieren, der Ort ist aber wohl ausgebucht, wie der Drohnen-Heini-gestern mehrfach betont hat (angeblich ist alles überall ausgebucht). Da tut es mir leid, ein Bett überflüssig zu belegen. Und: ich will in die Therme, unbedingt, die aber wohl nur bis 18 Uhr offen hat? Massage könnte man auch buchen, also ich will da jetzt einfach hin und die Lage checken. Ich jogge die letzten 5 km runter
und als ich in der Casa Savoy ankomme und diese stornieren will, stellt sich raus, dass sie gar keine Reservierung für mich haben „alles gut“ lacht die Wirtin, „mach dir keine Gedanken! Danke, dass du extra reingeschaut hast“ Man hinterlegt hier ja immer nur seinen Vornamen, es würde also auch „nix passieren“ wenn man einfach nicht kommt. Aber das macht man nicht. Dieses offizielle Posto Tappo und sieht wirklich zauberhaft aus, mit kleinem Biergarten vorne. Jeder der da bucht, macht glaub nix falsch.
Dann also rüber in das Hotel Royal, wo David ein DZ und ein EZ reserviert hat. Das sehr umstrittene Bewertungen hat und ich hab ein bisschen Angst. Ein ehemaliges Grandhotel, dessen Charme schon lange verblasst sei, unfreundlich, teuer, mieses Preis-Leistungsverhältnis schimpfen manche. Essen superschlecht. Wir werden sehen.
Freundlich sind schon mal alle! Die Therme liegt gegenüber, aber den Eintritt könnten wir uns doch sparen, sie haben doch auf dem Dach einen Dachterrassenpool mit dem selben heilenden Thermalwasser, sagt die Rezeptionistin. Das Zimmer ist völlig ok und der Pool am Dach der Knaller!
Ich schnapp mir eine Liege, schicke der holländischen Marion eine Danke-SMS, dass sie mir Ihre Badekappe vor ein paar Tagen vererbt hat, die braucht es hier. Und werde die nächsten 3 h im warmen Wasser mit Bergblick verbringen. Und mal wieder ein Buch lesen im Liegestuhl. Achtsam morden Teil 5. Wie vollkommen kann ein Tag sein? Paula wird erörtern, wie fair sie Badekappen findet. Das fairste Kleidungsstück überhaupt. Weil damit einfach jeder sch…. aussieht 😂 Wirklich jeder!
David kriegt noch eine Massage um 18 Uhr. Alle sind happy.
Abendessen: Großartig!
Vorspeisen, Salatbuffet, Pasta mit Lachs, Forelle mit Gemüse.
Das alles in einem prunkvollen, sehr angemessenen Saal.
„Guckt mal! Wir sind hier die jüngsten!“ jubelt David.
Wir fragen uns, ob wir hier nicht einfach einen Tag bleiben wollen? Der Ort sah auch nett aus, am Eingang gab es eine Eisdiele und dann könnte man doch nen halben Tag in die Therme, wo man Schimmelpilz-Fango-Packungen machen kann, die toll für die Haut sind. Und mit denen man ganz grün wie ein Marsmännchen aussieht. Und doch noch eine Massage buchen, heute war mir das der eine Programmpunkt zu viel, an einem so reichen Tag. Aber morgen? Man muss doch einen Pausentag nicht immer erst dann einlegen, wenn man total kaputt ist. Sondern wenn es sich wo gut anfühlt. Das fühlt sich hier sehr gut an. Frühstück gibt es BIS 10 Uhr! Wir können jeweils in unseren Zimmern bleiben und dieses verlängern, müssen nicht umziehen, sagt die Rezeption. Die Hütte für den nächsten Tag, in der wir ein 3-er Zimmer reserviert hatten, sagt auch, kein Problem wenn wir nen Tag später kommen. Alles im Flow.
Es ist final entschieden, als die nette Kellnerin mit dem Nachtisch-WAGEN ankommt 😍
Während P&D denken, sie sollen sich davon was aussuchen, nicke ich nur und bekomme alles! „Meine Leser interessiert das schließlich sehr,“ erkläre ich. „Dann wollen sie wieder wissen, wie der überbackene Pfirsich geschmeckt hat und ich kann keine Antwort geben. Das geht nicht.“
Es war ALLES unglaublich lecker!
Der ganze Tag.
Siehst du, da sind wir zum Schluss auch noch zu meinen Wassertemperaturen gekommen 🛀
Ich finde es so , ich suche echt nach dem passenden Wort, bewundernswert…toll…super…vernünftig……würden alle passen, sind aber irgendwie trotzdem nicht das was ich sagen will….
Also nochmal! Mit welcher Leichtigkeit und auch wiederum sportlichen Ehrgeiz du instinktiv deine Etappen durchziehst, und dann auch deine Pausentage legst, ist schon perfekt.
Du kannst dich so gut einschätzen, dass es dir scheinbar sooo leicht fällt diese Strapazen zu meistern.
Und das finde ich persönlich bewundernswert…Toll…Super…ach such dir einfach eins aus!
Frau G aus N
Liebe Katharina,
jetzt schreibe ich doch mal einen kurzen Kommentar - zerstöre damit natürlich den "lehrerfreien Raum"... aber ich fasse mich kurz! Versprochen.
Vielen Dank für deine wunderbaren Reiseeindrücke. Sie zaubern mir immer ein Lächeln ins Gesicht und ich freue mich, dass du wieder eine unglaublich schöne und intensive Zeit hast. Genieße weiterhin ALLES!
Liebe Grüße aus N! Aber nicht von Frau G.