Freitag, 23.07.21 / Tag 5 ohne Dusche
Koca na Dolicu – Dom na Komni (Rother-Etappe 22)
Hm rauf 470, runter 1.100, gelaufene KM 15, reine Gehzeit 5 Stunden (für die, die morgens noch am Triglav waren 9…..)
Nun, die Triester Spatzen pfeifen es schon von den Dächern, die Stadt ist im Freudentaumel, die Social Media Kanäle quellen über. Schieben wir also eine kurze Eilmeldung ein: Wir sind inzwischen gut und gesund und glücklich in Triest angekommen. Ich habe meine literarischen Pflichten etwas vernachlässigt, ich weiß. Die Wandertage waren lang und die abendliche Gesellschaft zu gut. Jetzt aber sitze ich einem Triester Café, der Mann folgt irgendwelchen kulturgeschichtlichen Pfaden, ich habe als neues Feature einen gebrochenen Zeh und damit die perfekte Ausrede um nur Prosecco-trinkend rumzusitzen, zu schreiben, Eis zu essen. Und zum Shoppen, shoppen geht auch grad noch :-).
So nun aber zurück zu Tag 22, die Rother Etappe 24. Eine der schönsten, durchs 7 Seenland. Ein perfektes Höhenprofil erwartet uns: Leichte 500 HM, das meiste gleich am Anfang, dann in entspannten Wege leicht nach unten. Vorbei an 7 Seen…Eine Hütte auf halber Strecke. Alles ziemlich perfekt.. Das Wetter auch. Die Schwäbin vermeldet zwar wieder irgendwelche „Störungen“ auf ihrer Wetterapp (Sie sagt immer „Störung“, nicht etwa Regen oder Gewitter) aber bei auf unserer sieht es z zumindest bis zum späten Nachmittag trocken aus.
Der Mann ist ja bereits um 4:30 Uhr aufgestanden und hat sich an die Triglav Besteigung gewagt. Die 2 Jungs, die mit uns im Zimmer waren, wollten das auch gehen, aber erst noch um 6 frühstücken. Nachdem sie dann aber eh wach waren, haben sie beschlossen gleich mitzulaufen. Ich dachte, ich hätte über die letzten Pendel-Jahre mein morgendliches sich schnell-fertig-machen perfektioniert, aber diese beiden sind – nachdem sie kurz 2 Minuten diskutiert hatten – wirklich in unter einer Minute angezogen und mit ALL ihren Sachen aus dem Zimmer. Unglaublich. Und ich habe jetzt von halb 5 an das Zimmer für mich alleine und werde nochmal soooo gut schlafen. Ich träume von einem Beutel mit frisch gewaschener Kleidung, die ich in meinem Rucksack finde. Um kurz vor 8 wache ich mit diesem Traum glücklich auf, auch wenn ich schon weiß, dass es diesen Beutel nicht gibt. Ich habe seit Tagen mal wieder das Gefühl, richtig ausgeschlafen zu sein und schaffe es grad noch an das hintere zeitliche Ende des 6-8 Uhr Frühstück.
Die Unternehmensberater haben auch das Frühstück mit entweder-oder-Klauseln versehen. Aber ich bin ausgeschlafen, ich schaffe die morgendliche Matheaufgabe easy: Man kann zwei Scheiben Brot mit einem winzigen Päckchen slowenischer Fake-Nutella / Marmelade haben. Oder EINE Scheibe Brot, ZWEI Spiegeleier und 2 Scheiben Speck. Oder ZWEI Scheiben Brot, Butter, 2 Spiegeleier. Gibt es gar keine Bockwurst? Ich bin kurz enttäuscht. Aber nachdem ich die riesigen Brotscheiben gesehen habe, ist die Aufgabe schnell gelöst: 2 Scheiben Brot und 2 Spiegeleier ist die kalorisch beste Lösung. Dazu gibt es wie immer Tee. Ich bestelle einen Kaffee extra. Die Schwäbin kommt vorbei, sie macht sich gerade los, warnt mich noch mit Blick auf meinen Kaffee: „Pass auf, der koscht extra!“ Die Frühstücksmarke des Mannes löse ich gegen ein Sandwich ein. Ich komme mit einer großen Scheibe Brot und einem Spiegelei locker hin, den Rest verpacke ich mir für später. Ich werde heute keine Hunger leiden, lautet mein morgendliches Mantra. Eine Hütte kommt auch noch mittendrin. Ein guter Tag, ich werde heute Abend satt ins Bett gehen! Egal was man uns auf der heutigen Hütte abends wie auch immer rationiert vorsetzt: Ich bin VORBEREITET.
Als ich um 9 Uhr unser Zimmer räume, kommt der Mann zurück. Er hat es FAST geschafft, über alle ausgesetzten Stellen drüber, nur die letzte stark ausgesetzte Stelle sei nur mit Stiften in der Wand ohne Seilversicherung, da ist er nicht mehr drüber. Er meinte, hoch hätte er es vielleicht geschafft aber runter dann nicht. Und er wollte irgendwann schon wieder runter, weil da seine Sachen gewartet haben. Und ich. Es sei aber trotzdem total toll gewesen, und man hätte den ganzen Weg schon super Blicke gehabt. Die Gemsenfamilie von gestern, hätte sie auch wieder begrüsst Die Bergkameradin schickt später noch Fotos von oben, es sah echt toll aus und lohnt sich wohl auf jeden Fall. Sie gingen auf der anderen Seite runter, zu einer anderen Hütte, wir werden sie nicht mehr sehen. Hier zwei Bilder von der Bergkameradin:
Blick wenn man oben ist:
Er frühstückt sein Sandwich und um halb 10 machen wir uns als letzte an der Hütte los. Kurzer Blick zurück auf die schon wieder wirklich traumhaft gelegene Hütte. In der ich so gut und LANGE geschlafen habe.
Es geht nochmal über ein kurzes Schneefeld, das Hüttenteam deckt die letzten Schneefelder mit Folie ab um so wenigstens ein bisschen Wasser zu gewinnen. Es hat seit Wochen nicht geregnet. Wir finden unter dem Schnee nicht gleich den Weg, es gibt 3 Wege nur unser 4.ter ist nicht gleich ersichtlich. GPS Tracks helfen auch hier.
Und dann ein kleiner Morgenanstieg, ca. 300 Höhenmeter, steil aber easy. Da müssen wir rüber. Die ersten Blumen zeigen sich seit längerem wieder auf dem Weg.
Oben am Hribarcie Sattel traumhafte Blicke und das gute Gefühl das anstrengendste bereits hinter sich zu haben.
Und es springen wieder Gemsen herum: Neben der großen im Vordergrund solltet ihr noch mindestens 5 oder 6 weitere sehen:
Und dann machen wir uns an den Abstieg, in diese wunderschöne Szenerie, hinein ins 7 Seen Land. Der höchste Punkt war heute auf 2.358 m, ab jetzt wird es mit jedem Schritt wieder grüner und lieblicher und blumiger und See-iger.
Gegen Mittag erreichen wir die schön gelegene Koca Triglavskih Hütte. Dort liegt der Franzose auf einer Bank und sonnt sich.
Als er uns sieht springt er mit unglaublicher Dynamik auf und rennt auf uns zu. Wie es am Triglav war, ob der Mann eine tolle Tour hatte, will er überschwänglich wissen. Ich bin etwas überrascht ob seinem starken Interesse an den den alpinen Erfolgen des Mannes. Aber der wahre Grund folgt im nächsten Satz: Ob wir Carmen gesehen hätten, fragt er traurig. Er wartet hier seit Stunden auf sie. Er sei VOR ihr losgegangen, sie müsste doch schon lange da sein? Wir sind auf jeden Fall als letztes los, weit nach ihr, sie müsste so gegen 8 Uhr mit der Schwäbin gemeinsam gestartet sein. Sie hätte also zwischen dem Franzosen und uns sein müssen. Ist sie aber nicht. Dass sie vielleicht vergessen hat wo sie hinwollte und ganz wo anders hingelaufen ist, erscheint mir nicht ungewöhnlich, aber sie ist mit der Schwäbin gestartet. Und DIE weiß genau wo sie hin will, hat eine Karte, ein GPS Gerät und einen Plan. DIE geht nicht verloren. Wir sind ratlos. Der Franzose wird immer trauriger. Er hat seine Nummer hier auf der Hütte hinterlassen, für sie. Der Mann soll ihr das bitte, bitte ausrichten, wenn er sie sieht. Ich hatte mich aus dem Gespräch schon ausgeklinkt, bin lieber auf Strudel-Jagd gegangen. Erfolgreich! Blaubeer- und Apfel. KÖSTLICH!
Hinter der Hütte ist sogar ein See. Aber der Mann will nicht baden, er wil weiter. Langsam zehren der für ihn lange Tag und der wenige Schlaf doch an ihm. Es bewölkt sich auch ein bisschen, also gut, weiter.
Corona-Blumen??
Irgendwo auf einem Stein mache ich Pause, warte auf den Mann. Der kurz drauf munter mit der Schwäbin plaudernd aus dem Wald kommt. Die kann alles aufklären. Sie waren noch auf einem irrelevanten Nebengipfel (also, sie fand ihn wohl nicht irrelevant sondern sehr schön), sie habe Carmen beim Abstieg dann aber hinter sich gelassen. Als sie an unserer Franzosen-Strudel-Hütte vorbeikam, sei die Wirtin auf sie zugestürmt, ob sie vielleicht Carmen sei? Ein Franzose habe seine Telefonnummer für sie hinterlassen!!! Sie wäre ganz aufgeregt gewesen und scheint diese Nachrichten-Telefonnummer-Überbringungs-Aufgabe sehr ernst zu nehmen. Noch besser: Die Schwäbin weiß, dass Carmen eh nur bis genau zu dieser Hütte gehen wollte, sie wird also auf JEDEN Fall die Nachricht des Franzosen erhalten. So ein Glück! Einem Happy End steht nun wirklich nichts mehr im Weg. Und dann können sie sich vielleicht im nächsten Tal treffen. Wenn alle wieder geduscht sind. Sehr schön. 🙂 Die Liebesbilanz im Triglav-Nationalpark ist jetzt wieder ausgeglichen. Eine wurde beendet, eine startet vielleicht neu.
Auf leichten Wegen geht es die letzten Meter zur Dom na Komni Hütte. Wo wir ein winziges 2-Bett Zimmer bekommen. Wo es eine EISTRUHE gibt??? Und eine Speisekarte, wo man Sachen bestellen kann, soviel man mag, nix wird zugeteilt. Eine schöne Terrasse auf der es kurz nach unserer Ankunft zu Regnen anfängt. Hatte die App von der Schwäbin doch recht! Aber wir waren schneller. Eine Dusche würde es hier normalerweise auch geben. Aber momentan nicht, auch hier zu wenig Wasser. Aber es gibt genug Wasser zum Waschen und Zähneputzen, sogar warmes. Ich hol mir erstmal ein Steckerleis aus der Zaubertruhe und setz mich mit meinem IPad zum schreiben. Ich hänge ja hinterher. An den Tagen ohne Wlan schreibe ich in einem Schreibprogramm, heute ist endlich mal wieder gutes Netz. Ich kopiere jetzt die vor ein paar Tagen geschriebenen Texte hier auf die Website rein. Man muss dann alles neu formatieren, Absätze rein, Bilder dazu. Als ich gerade meinen „Der Tag kann Weg“-Artikel bearbeite und zwischen den „ich vermisse Mira“ Satz zwei Absätze reinbaue umarmt mich etwas stürmisch von hinten. MIRA!!!! „Das gibts nicht!!! Guck was ich GERADE geschrieben habe!“ jubel ich und zeige auf mein IPad. Sie hält sich die Augen zu „Nein! Ich habe gesagt ich lese es ERST wenn wir in Triest sind!“
Wir hatten jetzt echt ein paar Tage gar nix gehört / geschrieben voneinander. Ich hatte auf der letzten Hütte nach ihr geschaut, falls sie einen extra Tag für Triglav eingebaut hätte, hier aber überhaupt nicht mit ihr gerechnet. Sie hat den Triglav mitgenommen, aber irgendwie 2 halbe Tage draus gemacht und ist ein bisschen anders gelaufen. EGAL, sie ist wieder da! Die zweite Frage die ich ihr stelle ist ein ungläubiges: „seit wann hast du ein gelbes T-Shirt???“ Wir haben schon WIEDER dieselben Sachen an. „Und seit wann hast du bitte weiße Flipflops???“ auch unsere Fußbekleidung: Identisch. Das gibt es echt nicht. Die hat sie im Hüttenschuh-Sortiment gefunden, erzählt sie, die haben ihr für heute Abend am besten gefallen. Ihr gelbes T-Shirt sei eiserne Rerserve, das aller-allerletzte halbwegs saubere Teil.
„Ich habe heute Nacht geträumt, dass ich im Rucksack eine Tüte gefunden habe, in der noch komplett neue und gewaschene Sachen drin waren die ich vergessen hatte, es war alles frisch und sauber und ich habe mich sooo gefreut!“ erzähle ich ihr. Sie lacht „davon träume ich JEDE Nacht….“ Der Mann kommt kurz drauf dazu, wir sitzen den ganzen Abend zu dritt am Tisch. Die Schwäbin sitzt mit dem Franzosen zu zweit ein paar Tische weiter. „Guck, das ist Carmens Franzose!“. „DAS ist Carmens Franzose? Toll!“ ruft sie begeistert. „Das passt sehr sehr gut!“ findet sie. Dass dieser sich den ganzen Abend sehr angeregt mit der Schwäbin unterhält und gar nicht mehr so traurig wie noch mittags wirkt? Nun ja, Franzosen halt…
Mira, die Frau, die fast nie was plant, meint plötzlich „Wolltet ihr danach nicht weiter nach Kroatien? Ihr solltet einen Bus buchen, es ist fast alles voll.“ Der Mann checkt hektisch die Flixbus-Seite. Tatsächlich. An dem Tag, wo wir vor 2 Monaten (!!) mal ein Hotel reserviert hatten, nicht ahnend ob wir je in die Nähe von Kroatien kommen würden und einen jederzeit änder-oder stornierbaren Tarif gebucht hatten, gibt es noch genau 3 Plätze nach Rovinj. Wir sind ziemlich gut im Plan, haben sogar noch 2 Tage Puffer. Es ist heute deutlich realistischer, dass das klappen könnte. Nach dem Alpentrip noch eine Woche ans Meer, das klingt so toll!! Kurz drauf, Bus gebucht. Das war jetzt mal ein guter Hinweis. Ein Zimmer für MORGEN im komplett ausgebuchten Tolmin zu suchen, findet Mira hingegen unnötig. „Man findet doch immer was“ meint sie, „klingelt man halt irgendwo und fragt“. Wir haben morgen einen 8 Stunden Tag vor uns, ich glaube einschätzen zu können, dass der Mann dann spätabends nicht irgendwo in einer slowenischen Kleinstadt an fremden Haustüren klingeln mag, ob uns irgendwer wo schlafen lässt.
Ich habe ja seit Tagen die irre Phantasie von einem Hotel mit Pool. Ob wir sowas in Tolmin nicht finden könnten? Der Mann meinte nur „Lass uns einfach was suchen, wo man mal wieder Zähne putzen kann, ok?“ Und jetzt gibt es nicht nur kein Hotel mit Pool sondern GAR nichts mehr, es ist Wochenende und Tolmin im Sommer Stadt der Festivals. Es soll wohl ein Heavy Metal Festival stattfinden, aber vielleicht wird es auch abgesagt. Wir finden nicht heraus, ob es daran liegt, aber eigentlich ja auch egal ob die Stadt wegen ein paar schwarz gekleideten Totenkopf-T-Shirt-Trägern voll ist oder wegen normalen Wochenend-Ausflüglern. Wir wollen 2 Tage in Tolmin bleiben, ab Sonntag ist wieder alles frei. Der morgige Samstag ist das Problem. Wir finden eine Hostel, die so entzückend aussieht, Mira ist jetzt auch begeistert, will genau dahin. Ab Sonntag frei, nicht morgen, erklär ich ihr nochmal. „Dann rufen wir halt an“ sagt sie und zückt ihr Handy.
„Frag ob wir Wäsche waschen können, in einer WASCHMASCHINE!!!“ sag ich. War bislang Wlan und Dusche das wichtigste, hat jetzt Klamotten waschen die aller-aller höchste Priorität. Eigentlich sogar noch höher als schlafen. Es geht gar nicht mehr… Kurz drauf verkündet sie, die Besitzerin sei ja unfassbar nett, habe noch ein „inoffizielles“ Zimmer, dass angefragt und bis morgen 9 Uhr geblockt ist, wir sollen uns da gleich nochmal melden, wenn die anderen es bis dahin nicht fix bestätigt haben, dann ist es unseres. Eine Waschmaschine hat sie auch. Es ist uns klar, dass das eh klappen wird, und wir entspannen uns. Kurz hatten der Mann und ich überlegt, statt eines Pausentages zwei halbe zu machen und nur bis zur Razor-Hütte abzusteigen, aber dann wollen wir doch einen ganzen, 2 Nächte mal wieder irgendwo sein. Mira hatte gerade zwei halbe Tage und will dann gleich weiter. Aber morgen laufen wir endlich mal wieder zusammen. Und das am letzten Alpen-Tag! Morgen steigen wir ab und die Alpen sind dann überquert.
War das heute ein schöner Tag!!!
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