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Tag 26 Salzburg – Triest: Der smaragdgrüne Pausentag



Sonntag, 25.07.21

Tolmin, Pausentag, Unterkunft Hostel Hildegarden

Trotzdem 450 hm rauf, 450 runter, 14 km durch die Gegend spaziert


Gott, ist das schön hier. Haben wir gut geschlafen. So so so so so so tief und ruhig,. Niemand. der um 4 Uhr morgens seinen Rucksack packt und noch früher los will als alle anderen, niemand der gegen dein Bett rumpelt, niemand schnarcht. Die Bettwäsche riecht so frisch und sauber. Die eigenen Schlafsachen auch. Man selbst auch. So sauber!! Es gibt AB 8 Uhr Frühstück, nicht wie sonst BIS 8 Uhr. AB 8.


Mira zieht heute weiter, sie lässt sich nicht überreden zu bleiben. Sie hatte gerade zwei halbe Tage „frei“, ihre Energie ist zurück. Wir machen Pausentag. Der ist überfällig. Ab hier startet die letzte Woche bis Triest, die „Hitze-Etappe“. Wie schon auf dem Weg nach Venedig bäumt sich auch hier nach den Alpen nochmal ein „Hügel“ auf, der sich auf über 1100 zu bewältigende Höhenmeter aufsummiert. Letztes Jahr der Col Visentin, diesmal der Kolvorat. Und 20 km. Ganz oben verläuft die Grenze zwischen Slowenien und Italien. Heute Abend ist sie wieder in Italien. 7 Stunden Gehzeit liegen noch vor ihr. Trotzdem guckt Mira nicht ein einziges Mal auf die Uhr, verkündet nicht ein einziges Mal, dass sie jetzt aber wirklich bald los muss. Es ist eine der Eigenschaften, die ich an ihr am liebsten mag: Diese präsente „Da-Sein“. Wir frühstücken jetzt, sitzen im Garten, nichts anderes ist gerade wichtig. In aller Ausgiebigkeit mit viel Reden, viel Lachen, mit viel Käse. Und: dem zweiten Aufguss Oolong-Tee. Der für den guten Geschmack. Es war eher ich, die den freien Tag mit vielen gedanklichen To-Do‘s belegt hatte, ein bisschen überlege, wann ich was mache, aber auch ich vergesse diese bald und tauche zurück in den Augenblick. Dann wird es Zeit für den dritten Aufguss – der für die lebenslange Freundschaft. Wir zelebrieren ihn ausgiebig.



Die Nachbar-Frühstücker denken vermutlich wir trinken Schnaps, weil wir ihn aus so kleinen Gläschen trinken. Der betrunkene Slovene, der sich gestern Abend noch kurz zu uns gesellt hatte, ist wieder nüchtern, will jetzt doch nochmal unseren Rother unter die Lupe nehmen. Hatte er gestern noch ungläubig gelacht über unser Vorhaben, findet er es jetzt doch cool, studiert die Einzeletappen. „Man inspiriert Menschen mit sowas.“ sagt Mira. „Sie müssen ja nicht denselben Weg laufen, aber mal darüber nachdenken, was sie selbst mit etwas Zeit und Mut anfangen würden.“


Mira leert die inzwischen drei mal aufgegossenen Teeblätter-Reste aus der Kanne auf einen Teller. „Wie viel das wird, aus so ein bisschen getrockneten Blättern.“


Nun guckt auch der Mann interessiert auf diesen Tee-Haufen. Müsste man das nicht mit Olivenöl oder sowas mischen und den Damen dieser Welt als teure Gesichtsmaske verkaufen?“ fragt er uns. Nun leuchtet er doch ein bisschen… Mira lehnt sich sehr zufrieden zurück. „Siehst du!“ sagt sie zu mir, „Jetzt expandiert er schon und erweitert seine Tee-Bar um ein Kosmetikstudio. Er braucht nur ein bisschen Zeit. Ich erkenne Talent, wenn es vor mir sitzt. Ich habe mich da noch nie geirrt…“


Irgendwann ist Zeit zum Abschied nehmen. Wir sind nicht ganz sicher, ob wir uns auf der Tour noch mal treffen werden. Wir machen einen Tag Pause und wollen die drei langen Etappen auf 4 strecken, damit wären wir 2 Tage hinter Mira. Sie will maximal 2 Tage in Triest bleiben. Andererseits will sie sich jetzt wirklich treiben lassen, so aus den Bergen draußen. „Mal gucken, ob und wo ich hängen bleibe.“ Wir planen nichts, verabschieden uns lieber einmal zu viel ausgiebig als einmal zu wenig. IRGENDWANN sehen wir uns auf jeden Fall wieder – das ist eh klar, wir haben gerade den dritten Oolong-Aufguss gemeinsam getrunken. Der Mann sagt daher auch zum Abschied „Ich habe so das Gefühl, wir werden uns wohl mal wieder sehen.“ Man merkt im ihm nicht so recht an, ob er das gut findet oder ob es ihm Angst macht. Ich fand uns im Zwillings-Rucksack-Doppelpack ja schon sehr… überzeugend!


Sie schenkt mir zum Abschied ihre frisch gewaschenen Sneaker-Socken! Mit Herzchen! Ich werde meine Bergschuhe morgen per Post zurückschicken, die letzten Tage in den Barfussschuhen gehen, und habe nur ein Paar. Ich wollte morgen im Sportgeschäft noch ein zweites kaufen. Jetzt hab ich ein zweites. „Du kannst auch die rosa oder die hellblauen haben,“ sagt sie. „Aber ich finde die am schönsten.“ Nein, ich will auf jeden Fall diese, grau mit Herzen. „In denen werde ich meine letzte Etappe laufen“ verspreche ich. Dem Mann hält sie ihr Zauber-Zipper-Tütchen mit den letzten Resten Oolong-Tee entgegen: „Als Startkapital für dein neues Unternehmen!“ Der Mann lehnt entschieden ab. Er muss diesem Unfug jetzt doch ein Ende setzen. Ich glaube, er will wirklich keine asiatische Tee-Bar eröffnen. Mira steckt ihren Tee seufzend wieder ein. Wahrscheinlich hatte sie nur doch ein bisschen Angst vor dem heutigen Grenzübertritt nach Italien. Wir wollen ihr noch 3 Kilo Käse in den Rucksack packen, damit sie unterwegs nicht verhungert. Sie lehnt ebenfalls ab. Ich gucke prüfend über ihren schon aufgesetzten Rucksack – sie hat vergessen die Schnallen im untersten Fach zu schließen. Das war jetzt über 2 Wochen der Running Gag – eine von uns hatte es morgens immer vergessen. Hätte mich der Mann im letzten Jahr nicht darauf hingewiesen, wüssten wir beide nicht, dass da noch Schnallen dran sind die zugeklickt werden sollten. Sonst bleibt man irgendwo am Felsen hängen, weil die unten runterbaumeln. Der Mann hatte letztes Jahr ein YouTube Video über unser Rucksack-Modell geguckt, der weiß alles darüber. Auch, dass da mehrere Trillerpfeifen versteckt eingebaut sind, für Notfälle. Ich hab schon wieder vergessen, wo.



Gegen 11 Uhr macht sie sich los, der Mann taucht lesend in eine Hängematte im Garten ab.. Ich erledige was für die Uni und beantworte Mails. Ich habe ein paar Dinge nicht mitbekommen, mit meinem Handy-und Nachrichten-Fasten. Z.B das Olympia stattfindet? Echt jetzt?? Das ging wirklich völlig an mir vorbei. Oder dass es inzwischen ganz offiziell auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie (DGPP) steht, dass ich mit Lukas, einem so tollen Trainer-Kollegen, gemeinsam die erste Digitale Positive Psychologieausbildung ab Herbst leiten darf. Ich hätte euch das sonst schon früher erzählt. Ich freu mich da nämlich wie verrückt drauf. Ende September geht es los. Ich habe somit auch nicht mitbekommen, dass es nach wenigen Tagen schon fast ausgebucht war. Das ist echt irre. Guckt mal, hier: https://www.dgpp-online.de/home/termine/


Während ich durch halb Europa laufe (jetzt übertreibt sie wieder ein bisschen) füllt sich er Herbst mit lauter tollen Dingen. Es gab ein paar Anfragen für Vorträge über meine Tour. Ab und zu seine Mails lesen macht schon doch Sinn 😉


Um 14 Uhr ist alles was ich dringend erledigen wollte, erledigt. Die Hostelchefin hatte uns auf einer Karte einen Wanderweg eingezeichnet, durch ein paar Dörfer, am smaragdgrünen Fluss entlang mit vielen Badenstellen.




Und dann weiter bis zur Klamm, die gestern auf unserem Weg gelegen hätte, wären wir alles zu Fuß gegangen. Und die wir nach dann 8 Stunden laufen vermutlich nicht mehr hinreichend gewürdigt hätten. Heute nehmen wir uns Zeit, packen die Badesachen ein und spazieren los.




Der Fluss sieht an manchen Stellen wirklich aus wie „Karibik“, er schimmert abwechselnd türkis und smaragdgrün. Es lässt sich großartig darin baden, die Hostelchefin meinte, er habe 15 Grad. Das ist doppelt wo warm wie der Gippersee. Der Mann sonnt sich lieber am Ufer. Das Heavy Metal Festival wurde übrigens doch abgesagt, ein paar versprengte schwarzgekleidete laufen trotzdem rum, eine Bühne ist aufgebaut. Das ist schon wirklich ein cooles Sommer-Festival-Gelände da am Fluss!!



Es gibt auch eine Bar und Platz zum Campen und es ist so chillig. Aber hier der kurze Hinweis, Vorbuchen macht am Wochenende schon Sinn. Auch ohne Festival war die Stadt quasi ausgebucht, im Hostel sind z.B. einige Radfahrer, die eine 2-3 Tagestour über Wochenende fahren.


Als wir lange am Fluss gegangen sind und zwei Badestops eingelegt haben, biegen wir ab und laufen über zwei verschlafenere Dörfer zur Klamm.






Die Gärten sind alle top gepflegt, viele Blumenbeete sind kunstvoll angelegt. Die Zeit ist hier sowas von stehengeblieben und es tut der Seele gut, ausgerechnet hier einen Pausentag einzulegen.




Der Tag fühlt sich schon wieder so im positiven Sinne lang an, die Zeitqualität ist so tief, obwohl es erst früher Nachmittag ist. Vor der Klamm ist ein schönes Kaffee, dort trinken wir was und essen ENDLICH an unserem letzten Tag in Slovenien, Nuss-Strukli, eine süße Spezialität die wirklich köstlich schmeckt und die es eigentlich überall gibt. Wenn es sie denn gibt.


So gestärkt schlendern wir durch die Tolminer Klammen, nehmen uns Zeit für wirklich jeden Abzweig, machen noch einige Höhenmeter gut. Das Wasser ist so klar, dass ich einmal am Ufer fast reinsteige, nicht merke dass da das Wasser schon lange begonnen hat.


Ein Familienvater kaspert auf einem Felsen rum, um sein Kind zum lachen zu bringen. Kurz drauf liegt er rücklings im Wasser. Jetzt lacht nicht nur sein Kind, sondern auch seine Frau. Ich würde ihm ja gerne einen golden Stock zur Hilfe reichen, leider wollte dieser heute nicht mit auf den Spaziergang und sonnt sich lieber im Hostel-Garten.






Am Rückweg holen wir einen großen Teil des gestern weggemogelten Weges nach. Wir kommen vorbei an der Dante-Höhle, die – einer nicht bestätigten Überlieferung nach – Dante Alighieri die Inspiration zur Höllen-Darstellung in seiner göttlichen Komödie geliefert haben soll.



Ich stecke nur kurz den Kopf rein, habe überhaupt keine Lust auf Hölle. Wobei – der Bully Herbig Neuverfilmung des Brandner Kasper nach – Hape Kerkeling als Teufel ja schon sehr überzeugend war. Aber ich sitze lieber in der Sonne, was soll ich in der Hölle. Der Mann geht auf Höllen -Erkundungstour. Er sagt, es sei dunkel dort gewesen. Im schönen Abendlicht schlendern wir über die Felder zurück.



Abends gehen wir wieder in das 202. Es ist eigentlich bekannt für die beste Pizza, aber die essen wir dann in Italien wieder. Heute gibt es nochmal „slovenisch“. Auf die Soca-Forelle fallen wir natürlich nicht mehr rein, obwohl sie sehr gut war. Wir bestellen eine Grillplatte für zwei. Ungefähr die Hälfte davon schaffen wir, ein paar übrige Schnitzel lassen wir uns einpacken für den langen Wandertag morgen.


Gestern im Supermarkt hatten wir zwei große leere Kisten bekommen, von einer so netten, hilfsbereiten Verkäuferin. In eine davon räumen wir jetzt unsere warmen Sachen rein, Daunenschlafsack, Daunenjacken, Thermo-Unterwäsche, Leggins, Mützem, Kletterhandschuhe und meine Bergschuhe. Und sogar unsere Stecken passen genau rein, die gehen auch zurück. Also zumindest die, die man kleiner schrauben kann….


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