Dienstag, 13.08.24
GTA Süd Monesi di Triora - Colle Melosa / Etappe 62 (von 65😊)
Unterkunft Rifugio Allavena (Es gibt nebendran noch ein zweites, die haben glaub DZ)
Hm rauf 1.320, Hm runter 1.160, km 24,6
Unterwegs von 8:30 - 18:15 Uhr, reine Gehzeit ca. 9 h
Kosten La Vecchia Partenza: 75 € mit HP im Einzelzimmer, inkl. aller Extras 85 €
Ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich bereits an Tag 30 den Award für die dämlichste Etappe 2024 an die heutige, Rother-Etappe 62 verleihe! Ich habe heute 6(!!) Liter Wasser getrunken (und ein Lemon Soda und ein Viertel Rotwein). Das als kleine Indikation, wie der Tag vor allem war: Heiß.
So ein ätzender Wandertag. Es ist eh eine so langer Etappe, gut das David nicht da ist, der hätte wieder Kilometer-Meckeritis bekommen, schon beim nur im gemütlichen Hotel bei einem Glas Wein draufschauen. Ich werde die angegebenen KM noch übertreffen, weil mal wieder sowas von mistig markiert ist, zweimal in die genau entgegen gesetzte Richtung. Was soll das? Ich checke sonst immer doppelt, dachte mir da aber, bitte, das ist doch eindeutig. Und dann war es halt wieder genau falsch.
Und es ist so heiß. Für den langen Tag hab ich 3 Liter Wasser eingepackt, es gibt auf der ganzen Strecke kein Wasser zum Auffüllen, so heißt es. Gottseidank stimmt auch diese Information nicht, das hat mir den Tag gerettet.
Erstmal zurück nach Piaggia, ich bin noch recht vergnügt, weil das jetzt so weit wirklich nicht ist.
Dann ein Stück zurück nach oben, von wo ich gestern hergekommen bin. Dank der falschen Wegweiser laufe ich viel zu weit zurück. Irgendwann denke ich mir, bald bin ich in meiner gestrigen Bar in Upega, das kann doch nicht sein?
Ihr wisst ja - inzwischen merke ich manchmal, wenn was nicht sein kann...Ein erster Blick aufs GPS - leider viel zu spät. FALSCH.
Also, wieder zurück. Bereits hier bin ich genervt.
Ja und dann gehts irgendwo hier rein. Oder auch 2 Meter weiter oben oder unten. Ich weiß es nicht, ich finde ewig den Weg nicht, tappe durch die Wildnis.
Oder hier? Sieht das nach Weg aus? Ein bisschen doch schon. Der blaue Punkt ist aber immer noch ca. 10 Meter NEBEN der Linie. Auf Salzburg - Triest gab es mal so einen Tag, an dem ich schmerzlich meine Machete vermisst hatte, um mich durchs Unterholz schlagen zu können und dann ging 10 Meter daneben ein breiter Wanderweg. Sowas ist natürlich ... doof. Ich habe hier irgendwie auch die Hoffnung, dass es schon einen Weg geben müsste, ich ihn nur noch nicht gefunden habe. Ich versuche also auf die Linie zu kommen. Dazu bedarf es der von mir meistgehasstesten Disziplin: Gras-Böschungs-Klettern.
Es scheint mein Schicksal auf dem GTA an drittletzten Tagen zu sein, das war letztes Jahr schon so, da bin ich mit den beiden Rentenforschern auch ne Stunde steile Grasböschungen hochgeklettert. Mit dem schweren Rucksack am Rücken ein Albtraum.
Hier ist das genauso. Nein, schlimmer. Hier kommt hinzu, dass ich die Viper von gestern noch omnipräsent vor meinem inneren Auge habe. HIER ist auf jeden Fall Schlangen-Land, das ist mir klar. Heiß und trocken. Ich versuche extra viel Lärm zu machen, eigentlich unnötig, so viel wie ich stapfe und gleichzeitig schimpfe. Ich sehe genervte Schlangenfamilien beim Mittagstisch sitzen, ein kleines Schlangenkind hält sich die Ohren zu und fragt "Mama, warum ist das heute so laut??" Und Mama wird erklären, das sind Menschen, die haben in einem Buch gelesen, wir seien schwerhörig. Sie haben Angst, dass wir sie beißen, wenn sie uns überraschen, weil wir sie nicht gehört haben. "Aber wir hören sie doch schon eeeewig!" wird das Kind maulen. "Die soll jetzt endlich still sein".
Bin ich aber nicht. Sicher ist sicher, vor allem weil ich jetzt beide Hände brauche, um hier hoch zu kommen. Sie könnten mich also in Beine ODER Arme beißen. Ich denke 8 (ACHT) mal, so jetzt hab ichs, das sieht doch hier nach Weg aus, um dann festzustellen, nein, noch ein Stück weiter nach oben. DA ist dann aber WIRKLICH der Weg.
Aber auch nach dem 7.ten Versuch ist da noch kein Weg. Aber viele auf allen vieren hochgekletterte Böschungs-Höhenmeter. Was nervt mich sowas.
Aber da oben jetzt? Da sieht es nach Weg aus? 8.ter Versuch.
Und tatsächlich kommt dort sowas wie eine Markierung. Jetzt nur den Weg nicht wieder im hohen Gras verlieren. Ich klebe mir das Handy vor die Stirn, keinen Meter weiche ich jetzt von der Linie runter... Ich bin seit 2 Stunden unterwegs. Da es Handynetz gibt, checke ich eine Alternative. Der tätowierte Einzelzimmer-Organisierer meinte heute morgen, warum ich denn diesen umständlichen Wanderweg gehe, an der Straße wäre ich doch in 3 h da. Wenn das stimmt, überlege ich zurück zu gehen und an der Straße zu laufen. Vielleicht nimmt mich wer mit. Ich habe so überhaupt keine Lust auf diesen Tag. Aber auch diese Info war Käse, ich bräuchte mindestens einen Stunde zurück nach Piaggia, von dort wären es 7 h an der Straße. Busse gibts keine. Ich muss weiter.
Aber jetzt mache ich erstmal Pause. Ich lärme noch ein bisschen rum um niemanden zu "überraschen", Familie Viper verdreht erneut die Augen, und setze mich dann ins hohe Gras. Eine aufmerksame Leserin aus LB hatte mich heute erst gefragt, warum ich denn die gestrige Schweinshaxe nicht in meiner ausgespülten Tupperdose mitgenommen hätte. Um sich dann gleich selbst die Antwort zu geben: "Vermutlich, weil da der Bananenkuchen noch drin ist? Über dessen Verbleib haben wir noch gar nichts gelesen..." Völlig korrekt. Claudias Französische-Bio-Bananen-Schokoladen-Kuchen wohnt da noch. Und den esse ich genau jetzt auf. Bananen sollen ja stimmungsfördernd sein. Schokolade auch. Es ist so heiß. Ich stehe noch so weit am Anfang des heutigen Tages, gerade mal 5 von 25 km, ich hab eigentlich schon zu viel Wasser getrunken, damit muss jetzt Schluss sein!
Ich fühle mich gerade sehr lost. Zurückgehen macht keinen Sinn. Weitergehen gefühlt auch nicht. Und ich muss genau JETZT dringend eine Frage klären, die mir keine Ruhe lässt. Leider habe ich volles LTE-Netz und nutze es die nächsten 20 Minuten nur bedingt sinnvoll: Was macht man denn - nur ganz theoretisch - wenn einen hier eine Schlange beißen würde? Dass hier heute niemand hinter mir wandert, ist klar. Ich bin komplett alleine in diesem Gras-Urwald-Dschungel. Sophie Loren wird sicher nicht vorbei kommen, die kann nicht mal ein Messer aufheben, wenn es ihr runterfällt. Sophie Loren (also die echte) war übrigens Herrn Lugners Lieblingsgast von allen Promis, die er über die Jahrzehnte auf den Wiener Opernball eingeladen hatte, liest man. Der ist diese Woche wohl gestorben.
Aber zurück zu meinem Schlangenproblem, ich habe mich inzwischen ein kleines bisschen hineingesteigert:
"Schlangenbisse können eine Vielzahl von Auswirkungen haben: Atemlähmung, Gerinnungsstörungen, Nierenversagen und Gewebeschäden, die eine Amputation erfordern. Ein Biss kann innerhalb von Stunden auch zum Tod führen" steht im Internet.
Eine Amputation hatte ich irgendwie nicht auf meiner Möglichkeiten-Agenda, was ich auf dieser Tour noch alles erleben könnte.
"Jedes Jahr sterben etwa 40 Mal mehr Menschen an Schlangenbissen als an Landminen." Was soll ich bitte mit dieser Information anfangen?? Wie kommt man auf die Idee, diese beiden Vorkommnisse in ein Verhältnis zu setzen? Wie viele Menschen sterben überhaupt an Landminen? Das muss ich jetzt genau wissen: 4.170 im Jahr 2022, sagt der Landminen-Monitor. Was es nicht alles gibt. Ich lerne viel heute morgen. Nur Vorwärtskommen tu ich nicht.
138.000 Menschen sterben jährlich an Schlangenbissen, steht wo anders. Das ist aber doch überhaupt nicht das 40-fache von 4.170. Oder doch? Das muss ich jetzt unbedingt nachrechnen. Ich tippe es in meinen iphone-Taschenrechner. Naja doch, so ganz ungefähr kommt das hin.
Was MACHE ich den nun im (sehr unwahrscheinlichen) Fall eines Schlangenbisses? Das weiß ich immer noch nicht. Ah hier: Ich soll das Opfer beruhigen und mich von der Schlange entfernen, sagt google. ICH bin doch das Opfer!!! Und hier IST niemand, der mich beruhigen kann. Ich bin gerade sehr erfolgreich darin mich selbst maximal zu beUNruhigen.
Oder hier: "Fahren Sie sofort in ein Krankenhaus."
Seufz. Ich glaube, ich komme so weder sinnbildlich noch wörtlich weiter. Und dann, als ich gerade den Broswer zumachen möchte, sehe ich in der Liste der "Was andere zu dem Thema noch so gefragt haben" Aufzählung eine SEHR gute Frage. "Wo beißen Schlangen hin?" Wer fragt denn sowas? Aber es ist genau die Antwort, die mich beruhigt: "90% der Schlagenbisse befinden sich an oder unter dem Knöchel" und der Hinweis, den ich natürlich schon kenne: "Bei Touren im Gelände kräftig auftreten und darauf achten, wohin man tritt."
Ich habe HOHE Bergschuhe an! Etwas, das sich in den letzten Jahren fast schon zum "Boomer-Ding" entwickelt hat, nur alte weiße Männer propagieren noch, dass es hohe Bergstiefel braucht. Die Jungen laufen alle in niedrigen, bunten Trailrunning-Schuhen herum. Ich mache das auch manchmal, wenn ich in den Münchner Hausbergen unterwegs bin, die Wege kenne und (noch) jünger wirken möchte. Aber nicht hier! Wenn nur 10% der 138.000 tödlichen Schlangenbisse oberhalb des Knöchels waren, dann sind das gerade mal 13.000. Weltweit. Unterhalb bin ich BESTENS geschützt! Ich entspanne mich. Aber ich war jetzt eine ganze Weile sehr leise. Ich sollte wieder anfangen, laut aufzutreten! Und dabei am besten vorwärts laufen... Sind ja nur noch knapp 20 km... und 800 übrige Hm rauf🙄
Und irgendwann ist wieder Leben außer mir (und den Schlangen) in Sicht: Kühe. Haben die irgendwo vielleicht eine Tränke mit Wasserhahn? Leider sehe ich nichts. Ich stehe auf Hm 1800, ab 1880 geht es wohl auf eine alte Militärstrasse. Da kommt sie schon ins Sichtfeld und bin so sehr erleichtert, als ich endlich auf selbiger stehe. Ab jetzt geht es nur noch auf solchen Wegen! Zwar noch etliche Km, aber gefühlt liegt das Schlimmste hinter mir.
Man sieht die Serpentinen, an denen ich mich jetzt noch 300 Hm auf einer staubigen Piste hochschlängeln muss bis zum Colle Saccarello, den ich auf diverse Schimpfnamen umgetauft habe. Es fahren einige Autos. Ob mich da nicht wer mitnehmen wird? Und um die Ecke sieht man sogar ein Haus - es parken Autos davor! Da werde ich vielleicht Wasser auffüllen können?
Als ich mich dem Haus nähere, rasen 3 bellende Hunde auf mich zu. Seufz. "Alle Hunde im Süden sind freundlich, sie wollen mich nur begrüßen." wiederhole ich innerlich mein Hunde-Mantra. Bis jetzt hat es funktioniert. Und falls doch mal einer "unfreundlich" wäre, würde ich es ja noch früh genug bemerken. Kein Grund vorab misstrauisch zu sein. Ich sage nur Pygmalion und Golem-Effekt...
Zwei bremsen ab, einer springt an mir hoch. Ich habe nun viele staubige Tatzen-Abdrücke auf meiner Kleidung und eine Vorstellung, wie dem Jack Wolfskin Gründer möglicherweise die Idee zu deren Logo kam. Das Gute daran? Eine Frau kommt aus dem Haus um die Hunde zurück zu rufen. Zwei folgen gleich, der Spring-Hund bleibt noch ein bisschen. Aber er ist wirklich sehr freundlich. Ich bekomme noch mehr Tatzen-Abdrücke.
"Ob ich irgendwo Wasser nachfüllen kann?" frage ich die Frau. Und füge in Gedanken hinzu "Und ein Lemon Soda?" Ich hätte SOO gerne eins, trau mich aber nicht fragen. Sie deutet auf die Wiese, dort gäbe es frisches Wasser. Immerhin! Tausend Dank!!
Ich habe gelernt, wenn die Wanne, in die das Wasser fließt, voll grüner Algen ist, dann soll man es eher nicht trinken. Hier schwimmt eine geschlossene grüne Algendecke auf der Wasseroberfläche. Aber das hilft jetzt alles nichts, ich trinke die erste schon halbleere 1,5 l Flasche ganz aus und fülle sie am Schlauch mit dem (hoffentlich) frischen Wasser nach. Jetzt hab ich wieder 3l dabei - ich nehme mir trotzdem vor, zuerst das inzwischen schon warme Wasser von heute morgen zu trinken, vielleicht brauche ich das Algen-Bottich-Wasser ja später gar nicht. Aber was aus dem Schlauch läuft, sieht schon sauber aus. Es wird schon passen. Hinter mir halten zwei Rennrad-Fahrer, oh da gibts ja Wasser. Sie füllen auch nach. Ja, es wird schon passen. Ich hatte mir dieses Jahr ja schon mal Magen-Darm auf einer Berghütte, dem Rotwand-Haus, eingefangen und lag wie viele andere Besucher danach ein paar Tage flach.. Die Hütte war jetzt fast 3 Monate deswegen geschlossen. Ich werde doch wohl abgehärtet sein? Gleichzeitig weiß ich aber auch, WIE schlimm das dann ist, vor allem wenn es alle haben und es nur 2 WC gibt...
Und dann kämpfe ich mich diese staubige, aber immerhin mit angenehmer Steigung und klarer Richtung gesegneten Weg nach oben. Auf den letzten Meter hat man so eine olle Statue im Blick. Es kommen mir nur Autos entgegen, das einzige, das in meine Richtung fährt ist mit 5 Personen + Gepäck übervoll. Es gibt beim Weitwander-Autofahren 3 Kategorien:
1. Egal wer anhält oder fragt, ich steige auf keinen Fall ein, weil ich mich z.B. auf den letzten Metern einer Tour befinde, kurz vor dem Meer stehe oder auf einem bedeutsamen Stück, wo vielleicht - wie auf Salzburg-Triest - schon Rilke lustgewandelt ist. Oder weil der Tag mega schön ist oder es eh nur eine kurze Etappe ist. Oder weil Fahrer / Fahrerin komisch scheinen.
2. Ich steige nur ein, wenn sie von sich aus anhalten und fragen. Dann bin ich höflich und sage ja, aber ich deute auf keinen Fall von mir aus an, dass ich gerne mitgenommen werden wollen würde.
3. Ich werfe mich vor das Auto und versuche es um jeden Preis anzuhalten. Ich winke und gebe zu verstehen, ich kann / mag nicht mehr laufen!!!
Ich wäre bei Stufe 3 angekommen. Aber es fährt niemand vorbei.
Dann muss ich die olle Statue halt aus eigener Kraft erreichen. Der Colle Saxendi ist daneben. Geschafft. Für die 3 h bis hierher laut Rother habe ich ziemlich genau 5h gebraucht. Meisterhaft.
Oben ist ein Rennradfahrer, der mich bietet ein Foto von ihm zu machen, während er sein Rennrad in die Luft streckt vor der ollen Statue. Er verzerrt dabei das Gesicht. "Hab mir zwei Rippen gebrochen!" sagt er. Er hat einen sehr schmächtigen Oberkörper, kein Wunder, das der so leicht kaputt geht. Ein Rentner ist auf ihn und sein Rad draufgefallen. Aber er wollte unbedingt noch hier hoch. Rippenbrüche sind sooo langweilig, erklärt er mir. Er kennt das ja schon. "Langweilig?" "Ja da muss man jetzt wieder wochenlang stillhalten."
Da hinten links sei Ventimiglia, wenn man es denn sehen könnte, zeigt er mir. Rechts Nizza. Aber man sieht heute nicht so gut. Aber das scheint jetzt ja nicht mehr sooo weit zu sein.
Und hier der Blick in die andere Richtung.
Und dann ist da ein Rifugio Terzo ausgeschildert. Meine Lemon Soda Phantasien sind inzwischen stärker geworden, eigentlich ja immer Tages-End-Belohnungsgetränk, aber ich will JETZT so gern eins. Zu dem Rifugio sind es 20 min, das wären mind. 1 h Umweg für ein Lemon Soda, an einem so langen Tag, wo ich bereits 2 h hinter der Zeit bin, jetzt nach einer kleinen Pause 2,5. Das ist nicht ganz ideal. Und ich kenne mich - wenn es da nett ist stehe ich eh nicht mehr auf und bleibe dann dort einfach im Liegestuhl. Ich habe Netz, das Rifugio sieht nett aus. Soll ich nicht wirklich da bleiben und den Rest alles einen Tag nach hinten verschieben?
Ich sitze seit einer halben Stunde im Schatten, ich spüre in mich rein. Tut mir grad was weh? Nein, gar nicht. Bin ich erschöpft? Eigentlich nicht mal das. Nur unendlich genervt von diesem Tag. Von hier sind es jetzt noch 4 h mit wenig und leichter Steigung bergauf und bergab. Da bin ich doch meist schneller, vielleicht schaff ich es in 3. Es ist jetzt 14 Uhr. Ein Teil findet die Vorstellung sehr verlockend, den Tag in 20 Minuten zu beenden. Aber jetzt in der Ferragosto Woche, wo alles so überraschend perfekt geklappt hat mit den Reservierungen, da jetzt nochmal alles umwerfen? Es klingt nicht ideal. Nein, ich gehe weiter.
Der Weg bleibt kurz schön, bevor er dann wieder Straße wird.
Seht ihr dieses Verkehrsstraßen-Schild? Das ist ab jetzt mein Weg. noch 11 km auf einer Auto-Piste. Es ist viel los. Ich bin auf Stufe 2, wenn wer anhalten würde und fragen, dann würde ich mitfahren. Aber es hält niemand an, jeder staubt mich nur voll.
Es dauert noch ewig, ich werde - obwohl ich jetzt sehr schnell unterwegs bin - es nicht schneller als 3:45 h schaffen. Einmal mach ich noch Pause, im Laufe des Tages wird dann doch das Algen-Wasser noch angebrochen... Neben vielen Autos überholen mich auch viele Rennradfahrer hier. Einer ist irre schnell, er hat aber nur... ein Bein??? Wie krass. Ob er von einer Schlange gebissen wurde? Irgendwie motiviert mich das ein bisschen, ohne weiteres Motzen weiter zu gehen. Du hast zwei Beine und einfach nur schlechte Laune, du wirst jetzt wohl diese letzten 10 km gehen können!
Jetzt ist es aber wirklich bald geschafft.
So und da unten im Wald sieht man ein paar Häuser rausblitzen, da geht es jetzt runter, Noch eine halbe Stunde. Dann endlich, endlich Ankunft. Es ist schon nach 18 Uhr, hoffentlich verpasse ich Abendessen nicht.
Es ist nach einem harten Tag nicht immer ganz so motivierend, wenn man sieht alle anderen scheinen da mit dem Auto hingekommen zu sein... Es gibt zwei Rifugios, das erste, gelbe wirbt mit Doppelzimmern. Wie so oft wenn man nicht ganz in der Harmonie ist, hinterfragt man alles, ich werde grummelig, hab ich jetzt etwa auch noch in der falschen Unterkunft gebucht? Wäre die andere nicht "viel besser" gewesen? Aber nein, wäre sie nicht.
Auch wenn ich hier mal wieder in ein richtiges Lager komme... Aber es schlafen nur 5 Leute da. Es scheint von einem älteren Hüttenpaar betrieben zu werden, ein junger Mann checkt alle ein. Er studiert Meterologie und Physik (hab ich zumindest verstanden) und ist supernett und freundlich und hilfsbereit.
Die Betten sind genau so gestellt, dass wirklich jeder der oben schläft auf zwei Seiten rausfallen kann. Und als er mir mein Bett zeigt, klebt mein Name... oben
Neeeeiiiin!!! "Kann ich bitte bitte unten schlafen, irgendwo?" Mein Panik-Radar ist auf Anschlag. Er lacht: "Du musst sogar unten schlafen oben ist gar keine Matratze drin!"
Gottseidank! Und dann seh ich, das ist der beste Platz! Neben meinem Bett ist nämlich die Steckdosen-Leiste! Und dadurch auch das einzige kleine Nachtschränkchen! Jetzt duschen und dann in den schönen Garten legen. Es gibt Liegestühle. Und endlich, endlich ein Lemon Soda! Und nochmal 2 Liter Wasser, diesmal con Gas. Abendessen allerdings erst um 20 Uhr, seufz.
Was für ein Tag, echt. Und ich hab noch Bauchschmerzen wegen morgen, ich weiß ja noch nicht wie ich welche Alternative gehen muss, wegen der geschlossenen Hütte. Da frage ich später den Meterologen. Hoffentlich klappt das alles. Ich mache mir heute über alles Sorgen. In der Hütte gibt es einen Merchandising Shop mit Käppis, T-Shirts und Hoodies. Und einen Buchshop wo sie den Rother in allen Sprachen liegen haben.
Um 20 Uhr endlich essen. Ist es in Italien ja so, dass die KINDER immer als erstens zu essen bekommen, die werden IMMER bevorzugt während ich noch hungern muss, die würden meist viel lieber noch draußen spielen und wollen gar nicht essen. Und sie bekommen auch IMMER ungefragt Eis zum Nachtisch, wo ich ständig Bonet essen muss. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass hier ICH (evtl. wegen meines Verhaltens?) mangels Kindern zum Hütten-Kind auserkoren worden bin. Ich bekomme alles als erste in riesigen Mengen. Ein großer Topf Gemüsesuppe ganz für mich allein.
Dann ein riesiger Teller Pasta, natürlich mit Brotkorb, als alle anderen noch Suppe essen. Ich platze gleich. Dann kommt er mit einem großen Teller voll dünnen Schweinebratenscheiben mit viel Soße und Kartoffeln, er will es mir gerade hinstellen, da höre ich mich "Nein" sagen, ich esse jetzt keinen Hauptgang mehr. Und ich will nicht wieder verantwortlich sein, dass ein Kilo Fleisch weggeworfen wird. Mit der Soße, das sieht lecker aus, kann man dadurch aber nicht gut mitnehmen. Nein.
Der Meteorologe guckt mich überrascht an "Kein Problem, willst du ne kleinere Portion?" "Nein, das geht jetzt nicht mehr" Ich hab das Schweinshaxen-Trauma von gestern noch nicht ganz überwunden. "Lieber dann noch was Süßes, also sofern es noch was gibt..."
Und während alle noch ihren Schweinebraten aufgetischt bekommen, sagt er zu mir leise und heimlich die drei schönsten Worte überhaupt: "Magst ein Eis?" Jetzt gibt es keinen Zweifel, ich bin hier wirklich das Hüttenkind. Alle anderen bekommen nämlich ein Stück olle Melone! ICH bekomme als einzige Eis. Und eine Melone.
Ob er später mal Zeit hat, wenn es ruhiger ist, frage ich ihn. Wegen der Tour morgen. Er hat gleich Zeit, sagt er und setzt sich zu mir. Ich erkläre mein Problem: "Also, das Agritursmo Le Seusa hab ich reserviert." Er nickt, das war wohl schon mal richtig. "Wie komme ich jetzt da hin? Komot und 3 Italiener, u.a. ein Schiffsmechaniker sagen, ich soll so gehen." Ich zeige es ihm. Das dauert 8 h, 2000 hm runter (!) 1000 hm rauf, viele km. "Der Mann sagt, ich soll die Etappe ganz normal bis zur geschlossenen Hütte gehen und dann von dort absteigen, das sei viel besser?"
Er guckt mich ernst an, dann sagt er: "Das tut mir jetzt voll leid."
Mein Panik-Radar springt auf tiefrot. Oh nein, was ist jetzt wieder???? Komot hat einen Vorzeichen-Fehler und es sind 2000 hm RAUF statt runter? Ich muss in einem verratzten Wald-Biwak nächtigen? Es sind 12h?? Wie damals am Karwendelhaus der Wirt meinte, es gibt da die eine Tour, die überall viel zu kurz eingetragen ist, er versucht es seit Jahren ändern zu lassen, aber es passiert nix. Mir fallen noch 1000 weitere Horrorszenarien ein. Wie schlimm kann dieser Tag noch werden???
Und dann sagt er einfach nur: "Dein Mann hat recht."
Was??
"ER hat RECHT!"
hahaha. 😂 Ich kann nicht aufhören zu lachen. Vermutlich irgend so eine psychologische Übersprungshandlung, nach diesem kräftezehrenden Tag.
Ich denke an die Frau aus der Apotheke in Mailand, die partout ihrem Kollegen nicht zuhören wollte, der mich schon lange verstanden hatte, dass ich nach Pfefferspray gefragt hatte und nicht nach Sonnencreme. Aber sie wollte ihm einfach nicht zuhören. Scheins ist das bei italienischen Paaren noch mehr ein Thema. WER HAT RECHT? Mir war das völlig klar, dass wenn 3 Italiener sagen geh rechts rum und der Mann sagt geh links, dass er recht hat. Dass Komot so hartnäckig dagegen argumentiert hat, beunruhigte mich. Dass ein Meterologe den Mann jetzt bestätigt, beruhigt mich hingegen sehr. "Ganz recht hat er nicht, du gehst nicht ganz bis zum Schluss, schau hier ist ein Weg, da biegst du am Passo Muratone runter." Es ist alles in meinen Karten drin. Ich habe verstanden, wie ich gehen muss. Das kriege ich hin. Ich bin SEHR erleichtert. Und zum ersten Mal am heutigen Tag entspannt.
Wir plaudern noch ein bisschen. Er hat ja jetzt ein halbes Jahr in Innsbruck studiert, erzählt er. Dann kannst du Deutsch? Er meint, reden nicht so gut aber er versteht inzwischen viel. Außer, wenn sich Österreicher unterhalten, da weiß er immer nicht ob das deutsch sein soll (nein, ist es nicht...) Vor allem, wenn sich welche aus dem Zillertal unterhalten, da versteht er wirklich GAR nichts. Es scheint ihn zu frustrieren. "Die versteht niemand" tröste ich ihn.
Er bringt kurz den anderen Gästen Melone (ohne Eis, ich wollte es nur nochmal betonen), dann kommt er nochmal und sagt in super beiläufigem Ton: "Ach eins noch wegen deiner Tour morgen." Mein Panik-Radar ist entspannt, wittert keinerlei Gefahr.
Und dann sagt er: "Der Weg ist gesperrt."
Ich brauche einen Moment. Ääääh?? Wie bitte???? Das ist jetzt aber doch .... blöd????
"Und was mache ich jetzt????"
Er hat auch hier die Lösung.
"Na du musst halt über die Absperrung klettern..."
"Gibt es denn einen GRUND, warum das gesperrt ist??" Er zuckt mit den Schultern. "Das laufen jeden Tag Hunderte von Leuten, das kann man schon gehen. Ist halt nur gesperrt..."
Na dann...
Probieren wir das halt morgen.
Ach, mein Mädi😘
Jetzt kann ich verstehen, warum du 2 Tage gebraucht hast, das hochzuladen….das macht dir bestimmt im Nachhinein noch zu schaffen, so ein verflixter Tag!
Aber siehst du, den hast du jetzt auch schon abgehakt oder hinter dir!
Kühe 🐄 für den Zoo hast du auch noch eingesammelt. Der wird echt voll!
Das bedeutet, du hast schön, superschön, lecker, oberleckere, nicht ganz so lecker, fas Hungersnot, viel zu viel Fleisch, lustig, albern und extrem nervig schon mal erledigt.
Morgen kommt dann noch kriminell (gesperrte Route) dazu.
Mal sehen was dann noch für Eigenschaften kommen auf die letzten Meter.
Wie immer bleibt es spannend für Frau G aus N