Samstag, 20.07.24
Rifugio Lago Verde - Rifugio Willy Jervis (Achtung, da gibts zwei, das andere ist ganz wo andersâŠ)
HM Rauf 635, Hm runter 1.500, km 11,5
DrauĂen-Zeit von 9:15 - 17 Uhr, reine Gehzeit ca. 6 h
Es ist der magische Moment des Tages: Wir stehen auf dem Grat Col de Bouchet auf 2.626m. Ăber uns schweben 5 (fĂŒnf!) groĂe Adler und ziehen ihre Kreise. Wenn sie genauso gut zĂ€hlen können wir wir, wĂŒrden sie eine Schweizer Familie mit 4 Personen sehen, einen Mann samt seiner Alpenbloggerin und einen nicht nĂ€her bekannten Wanderer. Alle 7 schauen andĂ€chtig nach oben. Das ist grenzenlose Freiheit. Eine magisch-friedliche Stimmung. Alles ist gut in diesem Moment. Sie sind ewig ĂŒber uns, vielleicht finden sie uns genauso faszinierend wie wir sie und denken sich âboah, ganz schön cool mit groĂem Rucksack da einfach die Berge auf der einen Seite hoch, auf der anderen Seite runtergehen zu können. Und die Brotzeit immer schon dabei, ohne erst blöd jagen zu mĂŒssen.â
Irgendwann schlagen sie ihre FlĂŒgel und fliegen weiter, einer kommt nochmal zurĂŒck und fliegt dicht ĂŒber uns ĂŒber den Grat. Dann laufen wir weiter und kurz drauf sind wir wo?
In Frankreich!!
Also ich bin da. Der Mann steht auf diesem Bild noch in Italien. Aber er schlieĂt bald auf, spricht plötzlich französisch. Toll.
(Französisch sprechender Mann in Frankreich)
Da ich da noch nie gewandert bin, gehen wir sehr andĂ€chtig dieses 20 minĂŒtige Frankreich - StĂŒck, bevor es uns wieder nach Italien verschlĂ€gt.
(Frankreich!)
Wieder in Italien erreichen wir bald ein groĂes Biwak und dort die nĂ€chste tierische Ăberraschung:
Eine junge Gemsenmama! Und als wir ein bisschen warten, kommt das kleine dazu gestakt. Wir schauen ihnen ewig zu. Die Schweizer Familie will irgendwann weitergehen und als sie sich den beiden Tieren nĂ€hern, die nunmal genau auf dem Weg stehen, ist es sehr sĂŒĂ zu sehen, wie Neugier und Angst sich abwechseln, Weglaufen oder doch nochmal gucken? Gerade diese kleinen Menschen sind ja scheinbar schon auch faszinierend. Irgendwann springen dann doch beide weg, bleiben aber weiter oben wieder stehen um doch nochmal zu gucken.
Was fĂŒr ein Tag. DafĂŒr musste man heute morgen nur aufstehen, aus dem Fenster schauen und sich vom Tag begeistern lassen.
Sofern man seine Schuhe ordnungsgemÀà IM Schuhraum und nicht vor der TĂŒr stehen hatte, könnte auch der Wandertag bald beginnen.
WĂ€hrend wir beim FrĂŒhstĂŒck sitzen deutet der Mann auf den Wirt, der mit beiden Hunden an der Leine und einem Eispickel schon den Berg hoch stampft. âSchau, du willst doch immer HĂŒttenwirt werden. Da musst du dann frĂŒhmorgens schon raus in die KĂ€lte um Wege in den Schnee zu schlagen fĂŒr deine GĂ€ste.â Ich deute zur HĂŒttenwirtIN. Die sitzt ganz entspannt in der warmen Ecke und kassiert die GĂ€ste ab. Und ich glaube, sie ist auch fĂŒr die GetrĂ€nkeauswahl verantwortlich. Als wir gestern ein Mineralwasser wollten meinte Sie âdas haben wir nicht.â Was es denn gĂ€be? âBier, Wein, Schnaps.â Und - wie ein groĂes Schild in der HĂŒtte ankĂŒndigt, Aperol Spritz. In den streng genommen ja auch ein Schuss Mineralwasser gehören wĂŒrde und ich finde es sinnvoll, das kostbare Wasser dann auch dafĂŒr zu verwenden. Und nicht dafĂŒr, dass durstige Wanderer das literweise sinnlos in sich reinschĂŒtten.
âIch werde ja HĂŒttenwirtIN.â erklĂ€re ich. âDer HĂŒttenWIRT klopft anscheinend die Wege frei.â âVielleicht vergrĂ€bt er auch die Leichen von GĂ€sten, die ihn genervt haben gestern.â mutmaĂt der Mann weiter. âDie Hunde hat er zur Kontrolle dabei, ob sie es noch erschnĂŒffeln. Wenn ja weiĂ er, er muss tiefer graben!â.
Aber das glaub ich nicht. Es sind nĂ€mlich alle wahnsinnig nett hier! HĂŒttenwirt:innen samt GĂ€sten. Hier ist sie. Und strahlt - alle GĂ€ste haben ordnungsgemÀà gezahlt :-)
Es ist zapfig kalt am Morgen, irgendwie war ich gestern doch nicht mehr in dem Whirlpool vorm Haus. Aber es ist strahlend schön und wieder kein Gewitter, nichts in Sicht. Heute gehen wir wieder auf den Normalweg rĂŒber, kurz durch Frankreich und den ersten Teil von Etappe 40 bis zum Willy Jervis. Die ein weiteres Highlight auf unserem Weg ist und wir werden abends sehr zufrieden mit dem neuen Zuschnitt sein.
Sie haben vorgestern einen neuen Weg durchs Geröllfeld gebaut und mit pinken kleinen Flaggen markiert, den gehen wir heute, wÀhrend der Wirt an anderer Stelle Stufe in den Schnee haut und schon wieder einen neuen Weg baut.
(Mann mit HĂŒttenwirt am Berg im alpinen FachgesprĂ€ch)
Als wir hochkommen, ist er gerade fertig. âWas habt ihr fĂŒr ein GlĂŒck!â sagt er. âIhr habt echt die allerschönste Zeit erwischt. Vor zwei Wochen konnten wir uns hier nur auf Skiern fortbewegen, dann kam der Regen. Vor 4 Wochen stand der Schnee bis zum ersten Stock der HĂŒtte. Es ist erst seit ein paar Tagen so toll, alles grĂŒn, Blumen, jetzt ist FrĂŒhling.â wie er findet die schönste Zeit des Jahres. âWir haben hier ja 10 Monate Winter, und dann in 2 Monaten alle anderen Jahreszeiten. Ab Mitte August wird es Herbst, am 29.08. hat es letztes Jahr das erste Mal geschneit.â
Ich kann mich da so gut dran erinnern, wie es letztes Jahr ab Mitte August plötzlich zu herbsteln anfing, und man von einem Tag auf den anderen nicht mehr baden wollte. Und dann an meinem letzten Bergtag hat es weit runtergezuckert, das war Ende August. Jetzt ist FrĂŒhling, und es ist so traumhaft schön.
Zwei Wanderer tauchen plötzlich um die Ecke herum auf, die Hunde springen auf, bellen laut. Der Wirt gibt beiden einen Klaps, dann krault und streichelt er sie gleich wieder. âSie mĂŒssen das lernen,â sagt er entschuldigend zu uns, âaber sie sind noch so jung und erschrecken so leicht. Sie dĂŒrfen nicht die Wanderer anspringen. Aber das lernen sie schon noch.â Mir lĂ€uft das Herz ĂŒber in dem Moment. Er macht alles was er tut mit Liebe. Egal ob Wege bauen, wenn er ĂŒber seine Frau spricht oder wenn er seine Hunde zu guten Gastgebern erzieht.
Man muss einfach alles nur mit Liebe tun.
Was sie den Rest des Jahres machen, frage ich. Die Kinder gehen im September wieder zur Schule, sein GroĂer ist ja der eigentliche HĂŒttenwirt, lacht er. Seine Frau ist Lehrerin, auch die fĂ€ngt im September wieder an. Und er ist Ingenieur bei einer deutschen Firma, er nimmt sich halt im Sommer frei. Und genau das merkt man der HĂŒtte so an. Dass sie das âzum SpaĂâ machen. Ein Familienabenteuer, dass sie sich seit einigen Jahren genau so gönnen. Weil sie es wollen und Lust drauf haben. Und danach aber auch noch ein anderes Leben haben, nicht wie die Beiden letztes Jahr von der Handy-in-Aludecke-einwickel-HĂŒtte, die sich die restlichen 9 Monate im Jahr in einem isolierten Haus irgendwo verstecken und ihren wirren Theorien nachhĂ€ngen.
Ein letzter Blick zurĂŒck, wir verabschieden uns, dann gehts weiter nach âobenâ. Die beiden haben sehr groĂe Chancen auf mein LieblinghĂŒtten-Paar 2024. Und auf den Titel LieblingshĂŒtte 2024. Aber vielleicht bin ich noch zu rosig, es war ja die erste HĂŒtte. Wie toll, dass wir diesen âUmwegâ genommen haben.
(Schweizer Weitwandernde Lieblingsfamilie)
Und da hinten sieht man schon jemanden winken, der uns in den nÀchsten immer wieder Tagen begleiten und mein Lieblingsgipfel werden wird - der Monviso.
Der Tag ist von Anfang bis Ende zauberhaft. Man kann einfach nur schauen und stauen. Und dankbar sein. Das Leben ist so schön und so kostbar.
Bei einem kleinen Bach machen wir nochmal Pause, dann kommt der meiner Meinung nach steilste Aufstieg bislang. Ich werde sehr viel fluchen aber irgendwann auch oben sein. Gottseidank war das meiste im Wald. Aber es war ECHT STEIL! Ein italienisches PĂ€rchen ĂŒberholt uns, dann ĂŒberholen wir sie wieder.
(Kleine Wasserfall-Duschen-Erfrischung).
Beim Abstieg zur HĂŒtte kommen wir ins plaudern. Sie ist aus einem Nebental in Cuneo, er kommt aus diesem Tal hier. Sie kabbeln sich eine Weile, welches das schönere Tal ist. âCuneo, das sagt mir irgendwas, bin ich da letztes Jahr vorbei gekommen?â frage ich den Mann. âNein, da kommt der Arneis her, den wir manchmal trinkenâŠâ Sie lacht, als ich ihr das sage, ein Punkt fĂŒr sie, den sie sofort gegen ihren Mann verwendet. âSiehst du, selbst die Deutschen kennen den WeiĂwein, der aus MEINEM Tal kommt.â Sie sind beide sehr sĂŒĂ. In der HĂŒtte können sie nicht mit uns einkehren - er muss heute Abend noch arbeiten, verdreht sie die Augen. âKenne ich, das Problem mit den arbeitenden MĂ€nnern, meiner will echt in einer Woche wieder zurĂŒck ins BĂŒro. Wo es hier doch so schön ist. In ALL Euren TĂ€lern hier!â Bevor wir uns verabschieden, ruft sie uns noch zu: âIhr mĂŒsst morgen nach dem schwarzen Salamander Ausschau halten, der ist endemisch hier und eine echte Besonderheit!â
Und dann: âHĂŒtte in Sicht!â Geschafft - auf diesem grĂŒnen Talschluss liegt das Willy Jervis.
Als wir die HĂŒtte betreten sieht es aus, als wĂ€re hier eine Hochzeit oder so gewesen. WeinglĂ€ser, Weinkaraffen, benutzte Teller etc. Stehen in groĂen Stapeln herum. âWas war hier denn los?â frage ich verblĂŒfft. Die Kellnerin erklĂ€rt âach es ist Samstag. Wir hatten 150 Leute hier zum Mittagessen.â Die Italiener wandern ja weniger, sie fahren gern mit dem Auto zu BerghĂŒtten, essen und trinken dort stundenlang und fahren dann wieder heim. Wir werden dieses alpine Verhalten noch ein paar Mal beobachten dĂŒrfen, vor allem am Wochenende.
Es ist auch heute krachvoll. Und trotzdem unfassbar perfekt organisiert alles. Da es sehr laut ist, flĂŒchten wir nach drauĂen.
LiegestĂŒhle haben sie auchâŠ
Auf der Terrasse lernen wir zwei Kanadiern kennen. Sie erklĂ€ren uns, das sie wegen der HĂŒtte hier sind. Das wisse man aber doch, dass diese HĂŒtte fĂŒr ihr Essen so berĂŒhmt sei. Ich Ă€h, staune. Wir hĂ€tten sie fast ausgelassen, weil sie nicht offizielles Etappenende ist! Und jetzt muss ich mir von KANADIERN aus KANADA (das ist auf einem anderen Kontinent!) erklĂ€ren lassen, dass sie wegen dem Essen HIER SIND? Faszinierend.
Und dann ist es soweit. Sie legt uns die Karte hin, wir können aus Antipasti, Pastagericht, Hauptgericht, Nachtisch aussuchen was wir wollen so viel wir wollen so oft wir wollen, ist alles in der Halbpension inklusive. Oh - eine all-inclusive-HĂŒtte, toll! Bekommen wir ein BĂ€ndchen?
Wir sollen vielleicht nicht alles auf einmal bestellen, rĂ€t sie uns, die Portionen sind riesig. Und dann kommen so originelle und ganz und gar HĂŒtten-untypische Gerichte wie Kichererbsensalat, eingelegte Zucchini, Vitello Tonnato, Gnocchi mit WalnĂŒssen und Gorgonzola und und und. Es ist sehr lecker, sehr reichhaltig und sehr mĂ€chtig. Eine groĂe Gruppen Franzosen sitzt neben uns, sie trinken viel Rotwein aus groĂen Karaffen und immer noch mehr zum Essen.
Und immer noch perfekt organisiert, alles kommt sofort und immer das richtige. Zwischendrin ruft der HĂŒttenwirt sogar noch auf der nĂ€chsten HĂŒtte an, weil die auf meine Mailanfragen nicht reagiert haben und ich kein Telefon-netz habe. Bett fĂŒr morgen ist somit sicher gestellt.
Die Schweizer Familie ist auch hier und hat im Mann einen wĂŒrdigen GesprĂ€chspartner bzgl. Wetter-Prognosen fĂŒr die nĂ€chsten Tage gefunden.
(Deutsch-Schweizer Wetterexperten beim Vergleich ihrer Regen-Radar-Prognosen)
Das Panna Cotta schafft es im Ranking weit nach oben - noch leckerer war allerdings die Creme CatalanaâŠ
Sie stand nur auf der falschen Seite des Tisches - aber das lies sich schnell Ă€ndern⊠âșïž
Ich wusste gar nicht, dass du jetzt auch Partnervermittlung anbietest. Ein weiteres Standbein, liebe Katharina đ€Ș hat du den Service schon in deinen Business Case eingebaut? Wenn du Support brauchst, du kannst in gewohnter Marnier auf mich zĂ€hlen đȘ
Weiterhin viele schöne Momente, viel Genuss und viel SpaĂ đâșïžđ
Lg Damir
Hast du sonst schon immer sehr positiv und anschaulich geschrieben, ist dir dies mal anzumerken, dass du noch mehr in dir ruhst. Du berichtest so , darf ich sagenâŠ. dankbarâŠ.dass du all das Schöne (auch mit dem Mann) erleben, sehen, fĂŒhlen darfst. Das spricht aus jeder Zeile und teilt sich mir (uns) in einer positiven IntensitĂ€t mit, dass man auch tief beeindruckt ist von dem was du schreibst.
Einfach nur Danke! đ
Frau G aus N
[Der Gebrauchtschuhberater] Danke, Ihr seht sehr glĂŒcklich und zufrieden aus. Weiterhin viel Freude und schöne Erlebnisse! đ€