Donnerstag, 08.07.21
Statzerhaus – Rauris (und weiter mit Bus nach Bucheben-Niggl) / Unterkunft Reiterhof Niggl
Hm rauf 550, runter 1700, gelaufene km 22, Gehzeit 6,5 h
Alles Gute ist heute grün! Aber der Reihe nach. Ich hatte gestern Abend schon gezahlt, und verkündet, falls ich plötzlich um 5 wach wäre, damit ich dann gleich loskönne, in den Sonnenaufgang hineinlaufen. Die Wirtin meinte nur „Na wenn du meinst…“ Ich war tatsächlich um 5 Uhr wach und habe mich gewundert, dass lauter rosa Wolken zu sehen waren. Was ist das denn für ein cooles Zimmer, in dem man Sonnen-AUF und UNTERgang sehen kann? Das gibt es wohl nur im Bockzimmer…Habe schnell ein Beweisfotos gemacht und bin zurück ins Bett gekrabbelt. Es war so gemütlich, ich hab so gut und tief geschlafen und dann beschlossen, noch ein bisschen weiter zu schlafen.
Um 8:15 Uhr verlasse ich als letzter Gast die Stube… Aber ich hole bald alle andern ein. Franz und seinen Freund, David und seinen Freund, Mira die mit meinem Rucksack rumläuft und noch ein paar mehr. Es geht auf leichten Wegen und über grüne Hügelkuppen heute wieder hinunter ins Tal.
Das Wetter ist schön, nachts kam plötzlich ein riesiger Sturm auf, der Wirt meinte, der hat die Wolken weggeblasen. Ich plaudere mich mit Franz bis zu einer kleinen Anhöhe. Da warten wir auf die anderen, Mira und ich müssen jetzt ein Rucksack-Foto-Shooting machen mit unseren grünen Rucksäcken. Franz stellt sich geduldig als Fotograf zur Verfügung.
Dann laufen wir weiter, an Kühen und Pferden vorbei, er zeigt mir diverse Heilpflanzen am Wegesrand und Gipfel in der Ferne, wir gucken wo mein Weg die nächsten Tage lang geht. Und dass da schon noch ganz schön viel Schnee liegt Wir reden über alles mögliche, das Leben im allgemeinen und im speziellen. Darüber, wie schön und selten es ist, einen Partner zu haben, der einen auch mal alleine losziehen lässt. Und nicht nur ziehen lässt sondern sich auch ehrlich mitfreut, wenn man eine gute Zeit hat. Ich hab ja so jemanden. Er auch. Er meint, er ist ja schon so halb in Rente, arbeitet nur noch, wenn er Lust hat, aber seine Partnerin hat noch so einen richtigen Job die ganze Woche, die muss ihre Urlaubstage planen, da muss er halt auch immer mal alleine los. „Wie bei uns“, lache ich. Er freut sich mit ihr ab August den zweiten Teil Hermagor – Triest zu laufen, da hat sie sich Urlaub genommen. „Wie bei uns“ nicke ich wieder. Dann stehen wir plötzlich vor dem kleinen Holzschild das den Abzweig nach Rieser Aste anzeigt. Nach ein paar Minuten erscheint die gemütliche Alm, ein Hund läuft freudig auf uns zu. Das ist der, der wohl die Gäste abfängt und reinlockt. Wie das halt im Süden vor den Restaurants oft so üblich ist.
Gefrühstückt hatte ich oben nicht mehr, das wird jetzt nachgeholt. Am Nebentisch findet grad ein „wie machen wir Butter“-Kurs für Kinder statt. Die Sonne lacht immer noch. Mira macht sich als erstes wieder los, ich als zweites. Es sind ja doch noch ein paar km die heute anstehen, auch wenn es fast nur nach unten geht. Franz und sein Freund haben mehr Zeit, sie wollen nur bis Taxenbach, für sie geht es dann mit dem Zug zurück nach Regensburg. Wir verabschieden uns, vermutlich holen sie mich nicht mehr ein. „Komm immer gut da an, wo du hinwillst!“ sagt Franz. Ein schönes Schlusswort. Schon wieder eine so schöne Begegnung.
Das Rauristal liegt grün vor mir, jetzt geht es auf einer Fahrstrasse weiter. Es fängt zu regnen an. Ein grünes Auto überholt mich, hält an, wartet auf mich. Ein freundlicher Kopf guckt aus dem Fenster: „Magst du mit runter fahren?“ Ja. Mag ich. Der Fahrer heißt Ruppert und ist aus Rauris. Er sagt entschuldigend: „Bei euch Weitwanderern weiß man das nie, ich will ja nur nett sein aber manche sind dann gleich schnippisch wenn man sie fragt. Weil sie meinen JEDEN Kilometer zu Fuß gehen zu müssen. Und dann weiß ich immer nicht, soll ich jetzt fragen oder beleidige ich damit grad irgendwen?“ Ich bin nicht beleidigt. Aber ich weiß genau was er meint. Diese Gratwanderung zwischen konsequent sein und Leute nicht vor den Kopf stoßen. Auch mal 5 gerade sein lassen. 100%ige Konsequenz kann schon anstrengend sein. Und manchmal Verbundenheit und Beziehung kosten.
Wir passieren 4 weitere Wanderer, die heute morgen auf der Hütte waren. „Die fragen wir nicht!“ beschließt er. Hinter der nächsten Kurve taucht „mein“ Rucksack auf. „Und die?“ Es ist ihm wirklich wichtig diesen Spagat zwischen hilfsbereit und nicht bevormundend hinzubekommen. „Ja die schon“, sag ich. „Das ist Mira. Die hat denselben Rucksack wie ich, grün. Dein Auto ist auch grün, guck, das passt schon…“ In dem Moment wird der Regen stärker. Mira springt sofort ins Auto, ist auch GAR nicht beleidigt. Ruppert fährt uns bis zum Eingang der Kitzlochklamm.
Ab da laufen die beiden grünen Rucksäcke für den Rest des Tages gemeinsam. Die Klamm ist wirklich beeindruckend, hier stört auch der Regen nicht. Wir schützen nur unsere Rucksäcke, uns nicht, es ist ein warmer Sommerregen. Der auch irgendwann aufhört. Über steile Stufen kommen wir an Wasserfällen vorbei, es ist wenig los. Eigentlich war mein Plan am Ende der Klamm in den Bus zu steigen und durchs ganze Tal bis Bucheben zu fahren, heute 2 Stunden weniger, morgen zwei. Aber ich habe Ruppert vorhin im Auto versprochen Rauris anzuschauen, weil das sein Heimatort ist, der so schön sei. Ein Holzschild weist von der Strasse weg nach Rauris, 1 Std. Na das können wir doch wirklich laufen. Es kommen nochmal ein Regenschauer und ein paar unerwartete Höhenmeter oben drauf, der Weg geht durch Wald und an einer Quelle vorbei. Es ist so erhebend, wenn man dann den Ort von oben sieht, in dem man gleich ein Eis essen wird.
Die letzten Meter passiert man direkt durch den Vorgarten der Pension Palfingerhof, das ist der offizielle Wanderweg. Da spielen ein paar Kinder im Garten, aber die tun nichts…
Mira und ich starren beide gleichzeitig auf das Schild „Freibad“. DAS ist ja eine ganz grossartige Idee? Aber erst die Bushaltestelle suchen, die 10 km nach Bucheben laufe ich später tatsächlich NICHT mehr. Ich hab den Bus um 4 Minuten verpasst. Perfekt. Der nächste geht erst in 2 Stunden. Oder in 3 oder in 4. Damit ist auch die Entscheidung getroffen jetzt erstmal hier zu bleiben. Wir schlendern durch das beschauliche Rauris, setzen uns in ein Café das soooo gutes Eis macht, am Nebentisch sitzt vergnügt der Therapeut! Er muss ins Sportgeschäft sich einen Gürtel kaufen! Die Hosen seien alle so locker. Er trinkt nur einen Cappuccino… Na du musst doch Eis dazu essen! Dann hast du das Hosenproblem nicht! So ein Alpenüberquerungsanfänger!
Am Nebentisch erzählt eine Frau, wie schön das Freibad ist. Und ab 17 Uhr würde es nur 2 Euro kosten. Es ist erst halb 4, mein Bus geht um 17, 18 und 19 Uhr. Mira will erst in ihre Pension einchecken und vielleicht zum 17 Uhr Tarif kommen, ich laufe gleich ins Freibad.
Die Kassiererin guckt mich an, „Bist du Weitwanderin?“ „Na schauma mal wie weit ich komme…“ „Und jetzt willst du nur ne Stunde schwimmen und dann weiter?“ ja genau. „Dann machen wir 2 Euro“ sagt sie. Die Leute sind hier überall so unglaublich nett!
Ich schwimme eine halbe Stunde ganz allein mit Blick in die Berge, in die es morgen weiter geht. Das hat ja in Berchtesgaden schon „funktioniert“. Dann fängt es zum Donnern und gleich drauf zu regnen an. Ich erwische genau den 17 Uhr Bus. Das waren ja mal zwei effektiv genutzte Stunden! Als ich einsteige, steigen David und sein Kumpel aus genau diesem Bus gerade aus. „Wieso steigst du hier erst ein? Bist du echt nach Rauris GELAUFEN?“ fragt er ungläubig. „Logo!“, sage ich, verschweige aber unseren Ruppert-Shuttle….Wir tauschen noch kurz die besten Tips aus, ich sage ihm wo der Therapeut wohnt und wo die gute Eisdiele ist. Der Busfahrer will dann aber doch langsam losfahren. Er ist total lustig und löchert mich den Rest der Fahrt über unsere Route, meint meine nächsten Touren seien ganz leicht. Wann er das letzte Mal dort war, frage ich. Letzte Woche. Und war es nicht schwer zu gehen? Nein gar nicht, er nimmt immer die Gondel. Er lässt mich direkt vorm Reiterhof Niggl raus, meine Unterkunft für heute Nacht. Das Leben ist halt doch ein Ponyhof…
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