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Traumpfad München – Venedig Tag 1. Ich bin echt losgegangen!!!



Tag 1

München – Kloster Schäftlarn, immer der Isar entlang 23,5 km, 98 Höhenmeter Es fehlen also grad mal läppische 527 km bis zum Ziel… Heutige Unterkunft: Klosterbräu Schäftlarn, ein riesiges Zimmer ganz für mich. Abweichung von Originaletappe 1 die bis Wolfratshausen ginge -10 km 🙂

Ich bin tatsächlich gestartet! Genau so wie ich mir das gewünscht habe, bei weiß blauem Himmel und Sonne den ganzen Tag über, begleitet von Isarrauschen und Vogelgezwitscher.

Gestern Abend wollte die Anspannung lange nicht abfallen, man überprüft zum 100sten Mal Rucksack und Geldbeutel (jaaa, der DAV Ausweis ist immer noch drin. Die Kreditkarte auch…) Der Mann hat mich dann zum Italiener um die Ecke gezogen und nach zwei Aperol Spritz in der Sonne war da plötzlich nur noch Vorfreude (liebe Kinder und Jugendliche die ihr euch aus Versehen hier auf diese Seite verirrt habt, die Frau macht nur Spaß!  Alkohol ist nie eine Lösung, schreibt euch das hinter die Ohren!)

Um 6 Uhr bin ich wach, eine Stunde vor dem Wecker. Das ist ungewöhnlich, deswegen stehe ich auch nicht auf. Als um 7 Uhr der Wecker geht, reißt es mich total aus dem Tiefschlaf. Aber ich habe gut geschlafen, das letzte mal für lange Zeit in einem eigenen (Bettwanzen-freien) Bett und neben dir jemand, den du schon vorher kanntest…Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher ob ich diese simple-life-wir-schlafen-alle-gemeinsam-eng-nebeneinander-Nummer wirklich so gut hinbekomme. Dank Corona muss jetzt wenigstens immer eine Matratze zwischendrin frei bleiben. Das finde ich…. gut.

Ich packe die restlichen Sachen in den Rucksack (ein bisschen Brotzeit, ein bisschen Wasser, ein bisschen Technik, doch noch 1,2 paar Socken, die Turnschuhe nehme ich jetzt doch auch erstmal mit und plötzlich hatte mein sorgsam gepackter 7 Kilo Rucksack fast 14 (!!!) Kilo? Ich verdächtige ja schon seit vielen Jahren unsere Waage kaputt zu sein oder einfach nur gehässig und immer absichtlich zu viel anzuzeigen, heute war wieder so ein Tag. Wie sonst können da plötzlich 7 Kilo mehr drin sein? Ich suche die Wassermelone, die mir jemand reingeschmuggelt haben könnte, finde sie aber nicht. Egal, der heutige Tag ist flach und nicht so weit, ich sehe es als Rückentrainig. Bis Lenggries an Tag 3, da treffe ich meine Eltern und kann nochmal Ballast abwerfen. Und testen welche Schuhe jetzt für die Flachetappen mit dürfen, die Laufschuhe oder die Trekkingsandalen. Ich packe nur das Wasser wieder aus, ich laufe schließlich die Isar entlang, da fließt genug Wasser, ich werde nicht verdursten. Außerdem ist die Biergartendichte auf der Strecke  hoch.



Um kurz vor 9 gehe ich erstmal zum Friseur – call me Tussi, aber EINMAL noch die die Haare frisch haben für die nächsten 5-6 Wochen, das muss sein, bevor es in die Hütten geht wo es entweder mini-Strahl Britzel-Duschen gibt, oder die Duschräume Coronabedingt sowieso noch zu sind. Weil ich schon mal da bin, und weil mein Rucksack so überraschend schwer war heute morgen, lass ich mir die Haare abschneiden, das spart ja auch Gewicht, dass ich schon nicht mehr am Kopf rumtragen muss ;-))) Außerdem hab ich wirklich Angst vor diesen Mini-Strahl Duschen, ich bekomm dann die Seife eh nicht mehr raus während meiner 2 Euro Duschmarken-Zeit. Also weg. Meine Friseurin leidet ganz fürchterlich.“Ab? Echt so viel? Eeeeecht? Bist du dir sicher??? Ganz sicher?? Ich mach das jetzt, oder doch nicht?“ ja das machen wir jetzt. Ich bekomme noch ein paar Glücks-Haargummis mit von ihr auf den Weg und eile zu meinem nächsten Termin – Kaffeetrinken am Marienplatz. Inzwischen ist es 10 Uhr. Ich hab Zeit, so eine Alpenüberquerung darf man auch nicht überstürzen!




Es kommen 3 sehr liebe Menschen und mich zu verabschieden, viele wollen aber können nicht wegen diesem „Arbeiten müssen“.

Wir trinken Latte Macchiato für 5,70 EUR – das wird Venedig wohl toppen. Bis dahin ist sicher auch mein Geld aufgetaucht, dass der nette Wirecard Vorstand in irgendeinem philippinischen Dschungel für mich dort aufbewahrt. Das brauch ich um mir diesen 12 Euro Espresso am Markusplatz leisten zu können. Aber erst Mitte August, bis dahin werden die das Geld schon finden. Schließlich ist noch nie ist eine Aktie die ich hatte von 100 auf 1 Euro gefallen, das kann also alles nur ein gaaaaanz großes Missverständnis sein…

Um 11 bekomme ich noch Kirchengebimmel und ein Glockenspiel, wir machen noch ein paar Fotos.

11:15 Uhr ist dann aber wirklich Abmarsch. Und die nächsten 7 Minuten die glücklichsten des Tages. Dieses Gefühl jetzt geht es wirklich los, wenn das Herz innerlich springt, ich bin „auf DEM Weg“ auf den ich seit Monaten hin trainiere. Ich war in meinem Leben tausende Male am Marienplatz und im Tal aber jetzt laufe ich mit Rucksack und der festen Absicht frühestens in 6 Wochen zurück zu sein. Es ist der Startpunkt. Wie das Gefühl zu Urlaubsbeginn, wenn der Flieger abhebt und man seine ganze Reise noch vor sich hat. Tag 1. Hochstimmung. Ich fühle mich den ganzen Tag über leicht, frei und vor allem selbstbestimmt.

Kurz hinterm Tal gucke ich sicherheitshalber mal auf die Rother-App. Der rote Punkt der mich anzeigt und der rote Strich wo der Weg geht sind deckungsgleich übereinander. Das ist gut, sehr gut 🙂 der Rother Wanderführer ist DER den jeder München-Venedig Geher hat, er ist klein, kompakt und es steht alles drin. Man braucht wohl nicht mal mehr Karten. In der App kann man sich die Karten offline runterladen, und dann zeigt er immer an wo ICH grad bin und wo der richtige WEG ist. So KÖNNTE es klappen mit der Orientierung. Ich laufe am Globetrotter vorbei und überlege ob ich noch was brauche. Mehr Schuhe zum Beispiel.

Ich passiere das Deutsche Museum, quirlige Gruppen und pizzaessende Paare am Isarufer. Ein Jogger mit schmerzverzerrtem Gesicht läuft mir entgegen. DESWEGEN verkürze ich meine Etappen, bitte, wer will denn so leidend aussehen? Ich muss an diesen Lauf-Papst Dr. Strunz denken, der sich seit den 90gern dieses Eiweißpulver-Imperium aufgebaut hat. Dessen Botschaft war immer „du muss LÄCHELN beim laufen, sonst funktioniert es nicht!“ Ich werde niemals dieses Fernsehinterview vergessen, indem der Journalist die These aufstellt, dass Laufen halt auch nicht immer für jeden gesund ist, zb. sei doch kürzlich einer beim Marathonlaufen an einem Herzinfarkt gestorben. Und der Eiweißpapst meint völlig ernst „weil er nicht gelächelt hat. Sonst würde er noch leben. Man muss lächeln beim laufen!“

Sicherheitshalber grinse ich den ganzen Tag vor mich hin. Ganz von selbst.



Am Tierpark überlege ich kurz um einen Elefanten zu bitten, für den Rucksacktransport. Oder ein Alpaka. Ich lasse es – ich schaffe das schon selbst. Ich hatte von einer Familie gelesen die München Venedig mit Alpaka gelaufen sind, weil der Vater keine Lust hatte das Gepäck von allen zu tragen. Genial und sehr lösungskreativ, das muss man ihm lassen.

Ich hatte als sehr junger Mensch, als das Thema „Berufswahl“ auf die Agenda kam, mal ne Phase, da wollte ich (sehr zur Erheiterung meiner Eltern) trotz zweier linker Hände und keinerlei Interesse für das Thema, unbedingt ein Handwerk erlernen. Weil ich es so toll fand dass man dann irgendwann auf die Walz gehen könne, sich treiben lassen, mit leichtem Gepäck Neues lernen. Genau so fühlt es sich heute an, auf Wanderschaft sein. (Nur den Teil mit dem leichten Gepäck hat sie wieder nicht verstanden….). Der Weg ist leicht und schön und alles ist grün. Erstaunlicherweise tut das Gepäck aber heute gar nicht weh. Die Isar plätschert, die Vögel zwitschern, der Himmel ist weiß blau, die Temperatur perfekt. Viele sparen sich die ersten 2 Etappen (aus denen ich 3 gemacht habe) wo man „nur“ die Isar entlangläuft und starten gleich „am Berg“. Ich finde es wunderschön mich den Bergen so langsam zu nähern, einzulaufen, nochmal ein paar Tage überlegen zu können ob man wirklich ALLES im Rucksack braucht oder ob umgekehrt vielleicht was fehlt. Immer mal wieder nochmal durch Zivilisation zu kommen, wissend oben geht ne S-Bahn entlang wenn was wäre. Und trotzdem fast allein zu sein. Und obwohl das für mich hier landschaftlich nicht neu ist finde ich alles so schön. Wie muss es erst wem gehen der aus Hamburg oder Berlin antritt dieses Tour zu gehen? Falls das künftig wer gehen will: Lasst diesen Teil auf keinen Fall weg, nehmt euch die Zeit!



Auf km 15 gucke ich mal in meine App, irgendwo muss doch bald mein Lieblingsrastplatz an der Isar kommen, bin ich schon vorbei? Ein Rentnerpaar kommt auf mich zu, fragt freundlich ob sie helfen können, wo ich denn hin will. Ich sag „nach Venedig“, er lacht und kann es nicht glauben. Und stellt die beste aller Fragen: „Haben Sie denn dann so eine Seite im Internet, wo Sie schreiben wo Sie grad sind und wie es da so ist?“ Ich freue mich: „Ja, die hab ich. Alpenbloggerin.com“ „.com? Geht .de auch?“ Lach, „ja das geht auch.“ (Danke Katja fürs Einrichten der Weiterleitung ;-)) Er ruft seiner Frau die Adresse zu, sie soll sie sich mal merken. Er stellt mir ein paar Fragen zum Weg, strahlt mich plötzlich an und sagt: „So ein Glück, das wir Sie getroffen haben.“ Ich fühle mich plötzlich als wär ich der Schornsteinfeger von letzter Woche.

(Falls Ihre Frau sich die Seite gemerkt hat und Sie das gerade lesen: So will ich später auch mal leben und freundlich und entspannt meinen Ruhestand genießen, einen lieben Menschen an der Seite der sich Sachen besser merken kann als man selbst, fröhlich und aufgeschlossen mit Menschen plaudernd die man so trifft. Sie machen alles richtig!)

Kurz drauf kommt meine Lieblingsstelle, ich liege eine Stunde im Gras, genieße die Sonne, esse einen Apfel und Trauben. Die Äpfel sind echt schwer! Ich muss wohl auf Proviant-Kekse umstellen. Und ich höre gerade meinen Bruder UND meinen Freund gleichzeitig als Stimme aus dem Off :  Der schwerste (und in ihren Augen unnötigste) Apfel sei dann wohl doch mein IPad. Die haben ja keine Ahnung….



Ich bin ganz allein an der Stelle hinterm Wasserkraftwerk, es sind noch leichte 8 km bis zum Ziel, ich beglückwünsche mich zu der Entscheidung verkürzt zu haben. Und bleibe noch ein bisschen in der Sonne liegen. Um 15:40 Uhr laufe ich weiter um 17 Uhr komme ich im Ort Kloster Schäftlarn im Gasthaus Klosterbräu an. Die Wirtin hatte mir bei Buchung das Versprechen abgenötigt, schönes Wetter mitzubringen (das war in diesen 2 furchtbaren kalten ersten Juni-Wochen) ich hatte damals geschrieben, nur wenn sie für gutes Essen sorgt.



Wir halten beide unser Versprechen. Ich esse ein Fisch – Duett von der Fischzucht Auenmühle, da werde ich MORGEN dran vorbei laufen. Wenn etwas in MEINEM Tages-Fuß-Radius liegt dann kann man es wohl als „regional“ bezeichnen…Er schmeckt köstlich, mein Zimmer ist riesig und gehört mir allein. Die Dusche ist heiß. Ich sitze am Fenster, schaue in den Biergarten runter und schreibe.



Alles ist gut, mehr als gut.











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