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Traumpfad München – Venedig Tag 14. Sonnen-Spaziergang zur Olperer Hütte



Hintertux – Schlegeis (Bus) – Olpererhütte 3 km, 600 hm rauf, nix runter. 2,5 Std davon 1,5 Std. Laufzeit, eine halbe Stunde am Wasserfall-Liegezeit, eine halbe Stunde „Karawanen-Passier-Lass-Zeit. Unterkunft Olperer Hütte.


8 Uhr. Ich werde geweckt von einer lauten Durchsage, sie scheint von draußen zu kommen. Es soll unbedingt ein Meter Abstand eingehalten werden, mehr kann ich durchs geschlossene Fenster und im Halbschlaf nicht verstehen. Aber es wird hartnäckig wiederholt und es klingt irgendwie „offiziell“. Plötzlich bin ich hellwach – ist das Zillertal unter Quarantäne gestellt worden über Nacht? Zweite Welle?? Verdammt! Wobei….ich gucke mich in meinem plüschigen riesigen Zimmer um mit Besprechungsecke und Deckenmalerei, denke an Sauna und Schwimmbad, es könnte mich schlimmer treffen. Ich könnte jetzt auch am Tuxerjochhaus sein…


Ich gehe zum Fenster (das dauert ne Weile bis ich da bin, erwähnte ich schon, das Zimmer ist riesig), öffne es und erstarre. Wie lange hab ich geschlafen? Vor meinem Fenster laufen…Skifahrer? Mit Skiern auf den Schultern? Eine lange Schlange von solchen wartet vor der Gletscherbahn. Langsam bekomme ich alles zusammen, stimmt, man kann ja auch im Sommer am Tuxer Gletscher skifahren. Mir war nur nicht klar, dass es so viele Menschen gibt, die das wirklich tun. Die Schlange ist lang wie im Winter. Jetzt verstehe ich auch die laute Durchsage deutlich: Die Dame wünscht allen einen wunderschönen Skitag. Die Skifahrer sollen bitte einen Meter Abstand voneinander halten. Sag das mal lieber den Snowboardern!! DIE fahren doch immer so dicht auf!

Also doch kein Zwangsaufenthalt im Hotel Neuhintertux. Dann heißt es wohl zusammenpacken, frühstücken, Busplan zum Schlegeisspeichersee checken.

Die angedrohten Schmerzen der Masseurin gestern bleiben aus, ich fühle mich gut. Flow, Leichtigkeit und ich sind noch nicht wieder ganz kongruent übereinander liegend, aber es geht mir deutlich besser. Während ich zusammen packe klopft es, ich bekomme meine gestern abgegebene Wäsche aufs Zimmer geliefert. Still und diskret und nicht mittels lautem Rufen wie im Speisesaal von Hinterriss! Alles duftet frisch und sauber, die gestern noch komplett von Schlamm bedeckten Sachen sind wieder wie neu. Haben die meine Outdoorhose gebügelt??? Haha, sehr gut. Da wird der Murmeltiermann heute aber wieder pfeiffen, wenn er mich sieht.


Das Wetter ist tatsächlich traumhaft schön. Soll ich doch mit der Gondel hochfahren, dahin wo ich gestern abgestiegen bin und mich von dort an der Friesenbergscharte versuchen? 6 Stunden schwerer, schwarzer Bergsteig? Für mich dann also 8? Ich frag mal an der Rezeption nach. Die Dame meint entrüstet „Ge, da kann man doch noch gar nicht gehen! Da ist viel zu viel Schnee.“ Sie sieht irgendwie nicht so aus als wäre sie kürzlich da gewesen und ich bin mir ziemlich sicher dass die Scharte aktuell freigegeben ist.


Aber: Es ist GENAU das, was ich hören will 🙂 Die Frau versteht ihren Beruf. Vergnügt gehe ich zum Frühstück, wo mich die große Auswahl etwas überfordert. Am Tisch begrüßt mich der Hausbrief in dem steht, das Hotel und das ganze Personal bedauern sehr, dass mein Urlaub schon vorbei ist und ich heute leider nach Hause fahren muss. Wenn ihr wüsstet. Als ich mein Zimmer final räume und nochmal ins Bad gehe, gucke ich verdutzt in die Badewanne. Da liegen 2 gebrauchte Badhandtücher, zwei Saunahandtücher und ein Bademantel von mir. Ich war keine 15 Stunden in diesem Hotel, habe zweimal hier geduscht und zweimal in der Sauna. 4 Handtücher verbraucht! Die letzten 2 Wochen bin ich mit einem Mini-Handtuch ausgekommen, das 2 mal den Weg in eine Waschmaschine gefunden hat. Irgendwie… ist das extrem.


Der Bus nach Mayrhofen geht direkt vorm Haus los, da steige ich zum Schlegeis um. Ich hatte mich ja gestern phasenweise etwas einsam gefühlt, nun dieses Gefühl ist schlagartig weg. Ob wir noch ein wenig an der richtigen Dosierung arbeiten können? Der Bus: rappelvoll. Der Parkplatz am Speichersee: Voll. Es laufen TAUSENDE diesen Berg hoch und vor allem wieder runter, mir kommen sämtliche Sprachen und Dialekte entgegen, Horden von Holländern, alle nur denkbaren Outfits vom Kletterdress mit Helm und Seil über Sommerkleid mit weißen Turnschuhen bis hin zum schwarzen Plissee-Rock mit Gold-Pailletten-Top. Eine Asiatin mit Selfie-Stick fällt auf mich drauf beim Rückwärtslaufen, zig Hunde werden nach oben getragen, was ist bitte hier los???

Man muss ständig warten um die Leute passieren zu lassen, an einer Engstelle bestimmt 10 Minuten bis eine nicht endende Karawane an Absteigenden an uns vorbei ist. Es waren ungelogen bestimmt 150 Leute. Ich gucke den Mann hinter mir Hilfesuchend an er meint nur „alle die runterkommen, sind schon nicht mehr oben.“ Ob ich nicht wüsste, dass dies DER Instagram Hotspot in Österreich sei? Nein. Wusste ich nicht. MANN. Und ich habe nicht mal einen aktiven Instagramm Account. Hans hat das ja vor ein paar Tagen ja in den Kommentaren schon (völlig richtigerweise) angemahnt…Das hab ich jetzt davon…



Muss ich halt so die Aussicht genießen, die wirklich spektakulär ist. Blauer Speichersee, blauer Himmel, weiß gezuckerte Berge, besser geht es einfach nicht. An einem Wasserfall ein klein wenig abseits des Weges stehen zwei große Felsen im genau richtigen Winkel ineinander verschränkt – wenn das kein Liegestuhl ist, den mir da jemand hingestellt hat? Ein netter Riese vielleicht? Und er ist SEHR bequem. Ich habe nur noch ne halbe Stunde bis hoch, vermutlich würde jeder andere einfach weiter gehen, aber ich seh ja was da für ein Rummel ist. Hier ist es ruhig und sonnig, wer weiß wie bis ich oben bin das Wetter wieder ist. Ich tippe auf Dementoren-Nebel und Wind.


Nein, das schiebe ich nicht auf. Lieber lieg ich heute ZWEIMAL in der Sonne als schon wieder gar nicht. Ich döse einen halbe Stunde vor mich hin, merke wie alle Akkus wieder ganz aufladen. Als eine Familie von oben kommend um meine Ecke biegt, und ein motziges Kind auf den Wasserfall zeigend tobt „neiiiin, wir sind erst HIER!!“ schließe ich daraus, dass es wohl wirklich nicht mehr weit nach oben sein kann, gucke vorsichtig um die Ecke – passe eine kurze Lücke in der herunterströmenden Masse ab und bin eine halbe Stunde später oben. Wo inzwischen weniger los und immer noch Sonne ist! Ich bestelle das erste Radler meiner Tour, ergattere kurz drauf den PREMIUMPLATZ im Biergarten, direkt mit Blick auf den Speichersee, schreibe, lese und bin endlich wieder im „ich hab alle Zeit der Welt Modus.“



Das Personal ist super freundlich, flott und kocht, wie ich abends feststelle, phantastisch! (Ich bestelle Graukasnocken mit Butter und Parmesan und einen unfassbar guten Bananenkuchen) Sie gehen super mit diesem Rummel um, das Haus ist wohl bis Mitte August komplett ausreserviert. Jetzt bin ich doch froh, durch Corona zum vorbuchen „gezwungen“ worden zu sein. Allerdings scheint das ganze Personal mehr auf die Bedürfnisse von Bloggern und Instagrammern abgestimmt zu sein, als auf die von Wanderern. Es gibt Aperol Spritz und Berry Lillet, aber kaum eine Möglichkeit etwas über meine nächste Tour zu erfahren. Ich versuche mehrmals herauszufinden, warum die morgige Etappe als „schwarz“ markiert ist. Eigentlich nochmal eher eine Kurze, bis zum Pfitscherjochhaus, 4 Stunden. Im Rother schwarz und hier oben auf allen Schildern auch: Schwarz. Es klingt aber in der Beschreibung alles recht harmlos, nach einem easy Tag. Aber ich will keine Gefahren unterschätzen! Jede der Bedienungen zuckt mit der Schulter, ich habe den Eindruck die hören das zum ersten Mal, das hier Leute zum WANDERN hochkommen, nicht nur um an der berühmten Brücke ein Instagramm-Foto zu machen. Ich soll die Chefin später fragen.


Als ich das abends tue, zuckt sie ebenfalls mit den Schultern, ruft ihren Mann. Kurz drauf steht wer vor mir? Der mit Abstand SCHWEIGSAMSTE Hüttenwirt meiner Reise. Er zuckt auch immer nur mit den Schultern. „Hier oben ist alles schwarz“ meint er zur Begründung. Ja das habe ich auf den Schildern vorm Haus gesehen aber WARUM? Er zuckt die Schultern. Ob es stark ausgesetzt sei? Er schüttelt den Kopf. Ob man abstürzen kann? Er schüttelt den Kopf um gleich darauf zu ergänzen, es seien letztes Jahr 3 tödlich verunglückt. Ok, man kann also doch abstürzen? Er schüttelt wieder den Kopf. Ob ich mich verlaufen kann? Kopfschütteln. Und dann zu ergänzen: Die 3 die abgestürzt sind, hätten sich wohl verlaufen. Ich frage nach diesem Zamser Bach, der schwillt an manchen heißen Tagen wohl so stark vom Gletscherwasser an, dass man ihn nachmittags nicht mehr passieren kann, ob das grad der Fall sei? Er zuckt die Schultern. Gut, das Gespräch ist nicht zielführend. Ich lauf halt morgen mal los. 4 Stunden ausgeschrieben, wenn ich mir 6 nehme reicht es ja wenn ich am späten Vormittag losgehe. Kann ich noch ein wenig die Terrasse genießen, bevor der Tagesrummel startet.

Später sehe ich das Studentenpärchen von gestern, (die gar kein Pärchen sind, wie sie mir erzählen) wir essen zusammen. Sie studieren beide Geige in Berlin. Ob ich die Alpensinfonie von Strauss nicht kenne, fragt er. Die sei so phantastisch, ich muss das unbedingt im nächsten WLAN hören. Man müsse sich auch als Künstler immer wieder die Sinnfrage stellen, warum und wofür man das tut. Es würde gerne unterstellt, weil man halt Musik liebt. Das reicht ihm als Antwort nicht. Man muss weiter suchen. Die Alpensinfonie scheint ihm einen Teil der Antwort zu liefern. Sein ganzes Gesicht leuchtet als er mir die einzelnen Passagen erklärt. Sie erzählt, sie wusste mit 3 Jahren schon sie will Geige spielen, hat aber noch bis 5 gebraucht bis sie ihre Eltern überzeugt hatte. Er fing erst mit 9 Jahren an, das sei „superspät“. Ich stelle wieder einmal fest, dass ich wenig so schön finde wie Menschen, die „Ihr Ding“ gefunden haben und auch den Mut haben es zu leben. Sie kamen heute über die Friesenbergscharte, es war wohl phantastisch schön. Ich freue mich mit Ihnen, gucke ihre Bilder an, das sieht wunderschön aus. Aber ich wäre heute nicht bereit gewesen den „Wegezoll“ in Form von so viel Anstrengung zu bezahlen. Das war alles genau richtig so.


Wir gehen spät abends zu „DER“ Brücke hoch, wo nachmittags wohl an beiden Seiten je 50 Leute anstanden, um Bilder zu machen. Sie erzählt, sie hatten ewig gewartet weil sie ein schlechtes Gewissen hatten da drüber zu gehen und die Fotos zu sprengen. Eine Brücke die dafür gebaut wurde, um über den Fluss zur Olperer Hütte zu gelangen!! Heute belagert von Instagrammern aus der ganzen Welt. Jetzt sind da nur noch 3 posende Russinnen. Wir machen jetzt auch noch ein paar Bilder, ich kann nicht hingucken, als er sich kopfüber von außen an die Stahlseile hängt. Sie ist total begeistert, 2 Minuten später hängen beide dort. Diese jungen Leut! Und dann auch noch Künstler…Es gibt für alles den richtigen Zeitpunkt. Hier in der Abenddämmerung, niemand mehr da ist die Brücke tatsächlich wunderschön. Was für ein Glück das jenseits des Tagesrummels noch ein bisschen genießen zu können.




Falls sich jemand fragt warum ich auf den Bildern barfuß bin – ich hatte Angst dass mir meine Flipflops ins Wasser fallen und da hab ich sie vor der Brücke stehen lassen. (haha, ich höre gerade die Stimme meines Bruders aus dem Off, das wirklich NIEMAND außer seiner Schwester je SO einen Satz auf einer Berghütte sagen würde…Er irrt sich hier aber, ich bin überzeugt diese Brücke hat schon JEGLICHES Schuhwerk gesehen) Meine Flipflops sind irgendwie so groß geworden. Ich scheine zwischen den Zehen abgenommen zu haben.

Wisst ihr was morgen ist? Morgen LAUFE ICH NACH ITALIEN!








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