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Noch 6 Tage – und ich stoße mit dem Glück zusammen



Was ist DAS denn jetzt? Mein Knie schmerzt?? War jetzt der Klettersteigkurs und diese läppische Alpspitzbesteigung am Wochenende etwa zu viel? Ich krieg die Krise, es werden doch nicht ausgerechnet heute, nach 43 Jahren, die Originalteile kaputt gehen? In mir steigt leichte Panik auf. Es ist Montag, ich will nächsten Dienstag losgehen.

Einen richtigen Hausarzt hab ich nicht, aber eine tolle Physiotherapeutin (Frau Giraud, Physiotherapie am Isartor, sie hat meine kaputten Achillessehnen in 4 Monaten wieder gänzlich hergestellt! Sie hat so unglaublich viel Ahnung von dem was sie tut. Und mag ihren Job so offensichtlich. Für so Leute hab ich ja schon immer eine Schwäche.)


Ich schreib ihr ein Mail, sie ruft zurück als ich grad im Zug sitze. Und meint per Ferndiagnose, da darf sie nicht ran, ich muss zum Orthopäden. „Sowas hab ich nicht!“ ruf ich verzweifelt. Sie gibt mir die Adresse von einem Bekannten, der mich gleich zwei Tage später dran nimmt. Und bei dem „Orthopäde“ auf dem Klingelschild steht.

Am Mittwoch fahr ich also „kurz“ zum Josephsplatz zu meinem 11 Uhr Termin (ich höre gerade so eine unheilvolle RTL II Stimme, die bei diesen Aussteiger-Reportagen immer sagt „und was sie noch nicht weiß – sie wird den ganzen Tag am Josephsplatz verbringen…“ ) und was passiert als ich gerade zackig um die Ecke biege?


Ich stoße mit einem Kaminkehrer zusammen!! Ich habe seit Jahren keinen gesehen! Gibt es diesen Beruf tatsächlich noch im Zeitalter von Smart Homes? Wird das heute nicht irgendwie digital erledigt? Scheinbar nicht. Ich strahle ihn an und frage, ob ich ihn mal anfassen darf, trotz Corona (Zu meiner Verteidigung, ich stelle sehr selten fremden Männern auf offener Straße diese Frage…)  Er meint, bemüht freundlich, das sei schon ok. Ich glaube mich erklären zu müssen und ergänze „ich will nämlich nächste Woche nach Venedig laufen, da brauche ich wirklich VIEL Glück.“ Jetzt strahlt er mich an: „ECHT?? DAS machst du? Das ist ja cool! Das hab ich vor ner Weile auch gemacht, das war so genial!“


Kann es das geben? Ein München-Venedig gehender Schornsteinfeger? Mit dem ich ausgerechnet heute zusammen stoße? Das gibt es doch einfach nicht!!

Ich stelle die Frage die ich eigentlich nicht stellen will, weil es mir egal sein soll und ich eh meinen Rhythmus laufe,  aber da rutscht es mir schon raus „und in wie vielen Tagen?“ Nur zur Erinnerung, die normale, echt anstrengende Tourgestaltung beläuft sich auf 30 Tages-Etappen…


Er nennt die absurdeste Zahl, die ich in diesem Zusammenhang je gehört habe:  „22!“ Ich lache laut auf. Er erklärt mir wie das geht: „Der Trick ist, du muss dein Zelt und dein Essen und einen Kocher und all das Zeug mitnehmen“ (ich lache noch lauter) „und dann bist du nicht auf die Etappen angewiesen und kannst einfach WEITER gehen als bis zur jeweiligen Tageshütte.“


Ich erzähle ihm, mein Plan ist es 40 Tage zu brauchen. Wegen der biblischen Dimension. Und ja, ein bisschen auch wegen meiner Kondition. Und das der Trick das zu schaffen ist: Man darf nicht bis zu den Tagesendziel-Hütten gehen, sondern es kommen oft vorher schon welche, die muss man nehmen! Und dann kann man verkürzen, manchmal sogar Tage halbieren. Damit schafft man es aber nicht, man muss auch Pausentage einlegen. Mindestens einen pro Woche!


Jetzt lacht er.


Er drückt mich nochmal – diesmal ganz freiwillig, strahlt über das ganze Gesicht und wünscht mir „Viel Glück“. Was bitte soll jetzt noch schiefgehen? Ich bin so beseelt und beflügelt und schwebe zum Orthopäden. Das entlastet übrigens auch das Knie.

(Was ich vergessen hab zu fragen ob das Glück jetzt nur für die seiner Meinung nach ausreichenden ersten 22 Tage gilt oder auch für danach? Sollte ich an Tag 23 in eine Gletscherspalte fallen, dann wars wohl nur das kleine Glücks-Kontingent. Aber davon gehen wir jetzt einfach mal nicht aus…)


Der zweitwichtigste Mann des Tages ist dann Dr. Hausschild. Der sich so ungewöhnlich viel Zeit nimmt, an meinem Bein rumdreht und drückt dass ich einmal echt aufjaule vor Schmerz. In mir sind zwei „Wahrnehmungsspulen“, die eine erkennt schon, dass das echt richtig weh tut und das möglicherweise ungünstig sein könnte, da 550 km draufzulaufen. Die andere ist komplett zuversichtlich und erinnert sich unter welch gutem Stern das ganze Projekt die ganze Zeit schon zu stehen scheint. Das am Wochenende auf unserer Kletterkurshüttentour der schönste Regenbogen meines Lebens sich über die gesamte vor uns liegende Bergkette gezogen und diese zum Leuchten gebracht hat. Das ich gerade mit einem SCHORNSTEINFEGER zusammengestoßen bin.


Er will ein Röntgenbild machen, sein Gerät ist aber kaputt und wird erst nächste Woche repariert. Ich erzähle ihm von meinen zeitlichen Nöten und meinen Plänen, er schickt mich um die Ecke in die Radiologie, die mich auch irgendwie zwischen schieben. Ich hab zwei Stunden Luft bis dahin, sitze am Josephsplatz und gehe jetzt endlich mal das Thema Website an, und suche mir Unterstützung. Ich finde Katja Möller www.katja-Moeller.net wir telefonieren, sind uns schnell einig, und dann ist auch schon mein Knie-Foto-Termin. Noch nie war ich in so einem scheppernden Gerät drin, ich bekomme ne CD und warte auf den Befund. Da stehen lauter gruselige Fremdworte drauf, es klingt sehr ernst. Selbst Dr. Google ist überfordert damit. Ich laufe damit wieder zum Orthopäden in der Hoffnung gleich für den nächsten Tag nochmal einen Termin zu bekommen.  Eine superfreundliche Sprechstundenhilfe gibt mir heute noch einen! Ich mach’s kurz – alles ist gut, nix was „kaputt“ gehen kann wenn ich loslaufe, mehr wollte ich nicht hören. Sein ärztlicher Befund lautet im Orignalton „ja Ihr Knie ist halt ein bisschen beleidigt, das sehen Sie hier und hier. Das kriegt sich schon wieder ein.“ Ich bekomme Schmerztabletten und so ne coole Bandage. Jetzt sehe ich aus wie ein echter Profi-Sportler.



Dr. Hausschild im Dialog mit einem beleidigten Knie…

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