top of page

Tag 39 – 46. Dolce Vita und die Geschiche des Tiramisu



Nun bin ich da und komme nicht mehr weg. Die supernette Dame an der Rezeption verzweifelt mit mir (sie tut das aber sehr liebevoll) Jeden Morgen komme ich erneut und frage, ob ich noch EINEN Tag länger bleiben kann. Es wäre wohl so viel einfacher für sie, wenn ich GLEICH sagen würde, wie lang ich bleibe, dann müsse sie nicht jeden Tag wieder alles verschieben, damit ich in meinem Zimmer bleiben kann.



Das so schön ist. Von dem man aus auf den Kanal runtergucken kann. Die Gondoliere beobachten. Nur diese Delphine, die angeblich seit Corona und den damit ausbleibenden Kreuzfahrtschiffen durch Venedig schwimmen, die sehe ich nicht.

Der Mann war über das Wochenende da, ist Sonntag Abend mit dem Nachtzug zurück gefahren und war morgens pünktlich wieder im Büro. Meine Lieblings-Ex-Kollegin ist mit ihrer ganzen Familie eingeflogen! Wir hatten 2006 gemeinsam dort angefangen und unseren Einstand zusammen gefeiert. Und sie hat an meinem letzten Arbeitstag das Büro mit mir gemeinsam verlassen, bevor wir dann zum Italiener sind (wohin sonst…). Das war ein so schönes Gefühl. Aber dieser letzte „Computer-abgeben-und-den-wenigen-die-da-sind-mit-Corona-Abstand-Lebe-wohl-sagen“-Tag ist gefühlt schon sooo lange her, wie aus einer anderen Zeit und Welt.




Ich habe ja noch wenig bis gar keine Idee, wie es bei mir beruflich weitergeht. Ein paar Ideen tauchen manchmal auf, sind dann aber auch gleich wieder weg. Ich hatte diese Frage innerlich mit auf die Tour genommen, aber sie verblasste von Tag zu Tag, als wäre es einfach noch nicht dran. Gleichzeitig wuchs das Vertrauen, dass das richtige kommen wird. Jetzt die Zeit ist, diesen unglaublich intensiven, lebendigen und sonnigen Sommer zu genießen. Im Augenblick zu leben in dem jetzt gerade ALLES gut ist. Und nicht die Zukunft zu planen. Dafür ist dann im Herbst noch genug Zeit.


Wir sind mit einem Local Guide durch die Bars gezogen, haben neben viel leckerem Essen ein neues In-Getränk entdeckt (Spritz Select – ich werde im Herbst dann alle italienischen Feinkostläden zur Weißglut treiben, weil das bei uns (noch) keiner kennt – wie ich bis dahin noch feststellen werde…) und auch an versteckten Straßenständen italienische Köstlichkeiten probiert, an Orten wo wir selbst nie hingefunden hätten.

Auf den Markusturm klettern zum Sonnenuntergang, im Dogenpalast in den Verließen nach Casanova suchen, über die Seufzerbrücke schreiten und sich vorstellen von dort aus durch den kleinen Mauerspalt den letzten Blick in die Freiheit zu genießen, bevor es bis ans Lebensende ab in den Kerker geht.



(Wir sind dann aber einfach durch den Hintereingang wieder raus, ganz umsonst geseufzt). Pizza essen – dank unserer Stadtführerin wussten wir wo es die EINZIG essbare Pizza in ganz Venedig gibt (ich hab dann noch eine zweite gefunden…) und viel, viel Eis und Aperol Spritz. Die ganze Stadt ist ja nicht nur Auto- sondern auch Fahrradfrei. Dies stellt einige München – Venedig Radler vor Herausforderungen, da man das Rad wirklich nicht mit in die Stadt nehmen darf. Die Folge daraus: Niemand muss „noch fahren“ und die ganze Stadt befindet sich eigentlich ständig leicht angedüdelt unter so einer orangenen Aperol-Spritz- Wolke… Für ein paar Tage? Herrlich. Sorgenfreies im Augenblick leben, einfach nur sein.





Und eine elementar wichtige Frage konnte final geklärt werden, allein dafür hat sich der ganze Aufwand mit dem vielen Laufen ja schon gelohnt: Habt ihr nicht auch das Problem, das auf wirklich JEDEM Sommerfest irgendein Schlauberger mit hoch gezogener Augenbraue auf dein stolz fabriziertes Tiramisu blickt und vorwurfsvoll fragt „Sind da etwa rohe Eier drin?“ Und wehe du sagst ja, dann kommt garantiert der „ein ECHTER Italiener würde sowas ja nie tun“- Einwand. Nun – der ist FALSCH. Das Tiramisu, das angeblich in Venetien erfunden wurde, geht zurück auf eine italienische Schwiegermama, die ihrer Schwiegertochter während deren nicht ganz einfachen Schwangerschaft täglich was zur Stärkung einflösste? Mit Zucker verschlagene rohe Eier! Als das Kind gesund und munter zur Welt kam wollte die Mama zum Dank ein Dessert eigens für Ihre Schwiegermama kreieren. Sie arbeite in einem Hotel und hat mit dem dortigen Konditor was entwickelt? Na dreimal dürft ihr raten! Bedingung war, in dem Dessert müssen rohe Eier mit Zucker drin sein. EIER sind also nicht eine freiwillige Zugabe zu einem Tiramisu, über das man nach Gutdünken entscheiden könnte, nein sie sind die KEIMZELLE des Tiramsu, dessen Seele und inhaltlicher Ausgangspunkt! Die Uressenz dieses Desserts. So. damit wäre das auch geklärt. Dankt mir später! (ja: es gibt sicher genügend Gründe an einem heißen Sommertag keine rohen Eier zu verarbeiten, ABER behauptet nie wieder, der Italiener schreibe das so vor. TUT.ER.NICHT.)

Mit der Geigerin habe ich auch noch diverse Spritz getrunken und auch mit ihren reizenden Eltern!




Murano ist bekannt für seinen Glasschmuck, Burano für seine bunten Fischerhäuschen. Die wohl nur so bunt sind, damit der betrunkene Buraner abends in sein eigenes Haus heimfindet und nicht aus Versehen bei der Nachbarin einkehrt. Irgendwie so wurde es mir erklärt. Italienische Ehefrauen sind schon wirklich kreativ.





Ich entdecke in einem Hinterhof die gemütlichste Bar der Welt, der Wirt freut sich, er trinkt einen Prosecco mit und tischt mir mitten am Nachmittag die leckersten Sachen aus seiner Küche auf. So albere Ausreden wie „ich kann jetzt wirklich nicht mehr“ lässt er gar nicht erst gelten. Ich mag ihn. Und ich finde, jeder sollte eine Lieblingsbar auf Burano haben…. (nein ich verrate sie euch nicht – findet eure eigene!!)


In Venedig kann ich die Tage erstmals nicht mehr einzeln auseinanderhalten,  es ist so ein Konglomerat aus Lebensfreude, Leichtigkeit, schönen Begegnungen und auch mal alleine auf einer Piazza sitzen oder am Strand. Und irgendwann wird es dann auch Zeit Heimzukommen. Zufällig kündigt sich eine Freundin aus dem Norden für nächste Woche in München an, wir haben uns das ganze Jahr nicht gesehen. Ich denke, es wird wirklich Zeit. So ganz langsam.



Das Leben ist schön.



bottom of page