Pfunders – Roneralm, 1.300 hm Aufstieg, 250 hm Abstieg, eigentlich 20 km davon 11 km gelaufen, 9 km mit dem Bus weggezaubert. Sonne satt ☀️ Unterkunft Roneralm
Es gibt in der Positiven Psychologie den Begriff der „Soft Fascination“, also „Sanfte Faszination“. Es ist ein Zustand, der vor allem auf unser Denksystem entspannend wirkt, den Geist beruhigt und den mentalen Akku auflädt. Etwas das man an stressigen Tagen versuchen soll für ein paar Momente aktiv herzustellen, indem man z.B. in der Mittagspause eine Runde durchs Grüne dreht, die Augen auf Weitwinkel gestellt die Landschaft sanft auf sich wirken lässt rät die Resilienzforschung u.a. zur Burnout-Prävention. Ruhige Schönheit, oft von grün begleitet, wo man den Blick streifen lässt ohne gleich an jeder Ecke von einem innerlichen „WOW“ mit Adrenalinschüben überschwemmt zu werden.
Genau so ein Tag war die heutige Etappe. Nach der gestrigen WOW-Etappe heute ein stillerer Tag, erneut sehr sonnig, der uns meist durch einen grünen Wald nach oben führen wird. Ohne spektakuläre Ausblicke, zu Beginn auf einer Teerstrasse, bis es dann in den Wald abzweigt.
Dort geht es zum Teil sehr steil nach oben, erneut wollen 1.300 hm überwunden werden. Die Originaletappe geht zur Kreuzwiesenalm, ich werde ca. 1,5 Std früher bei der traumhaften Roneralm enden. „Alm“ trifft es nicht ganz. Es ist eine Luxus-Chalet Unterkunft. Das darf auch mal wieder sein. Wir sprachen bereits über „Barbell-Strategien“ das sich taktische Positionieren an den jeweils extremen Enden. Vom 9 Euro Schlaflager sich dann auch mal wieder sowas gönnen können. Ich mag genau diese Abwechslung und auch die unterschiedlichen Leute die man da so trifft. Ein weiterer Vorteil: Die Roneralm ist von München gut zu erreichen, mit Zug und Almbus und dann nur etwa eine halbe Stunde Forststraßen-Aufstieg. Dort werde ich morgen einen Pausentag einlegen und auf den Mann warte. Hoffentlich im sonnigen Liegestuhl.
Der Rother empfiehlt, die ersten 4 km von Pfunders ins Weitental mit dem Bus zurück zu legen, da man sonst an einer Strasse ohne Gehweg entlang gehen muss. Auf einer Alpenüberquerung von einem Auto überfahren zu werden, wäre ein ziemlich uncooles Ende. Das gilt es also zu vermeiden. Von da soll man nach „Niedervintl“ laufen, ein kleiner Ort durch den man durch muss, bevor man sich dann wieder an den erneuten Aufstieg macht.
Die Wirtin wusste ja gestern schon, dass aber der Bus den wir ins Weitental nehmen sollenbis Niedervintl fährt – dort ist Endstation. Eine psychologisch schwierige Sache aus einem Bus, in dem man dann eh schon drin sitzt und den man eh schon gezahlt hat, mittendrin wieder auszusteigen um die restlichen 4 km neben ihm her zu laufen? Wir sind 5 München – Venedig Wanderer die um halb 9, nach einem leckeren Frühstück, direkt vorm Haus in besagten Bus einsteigen. Es wird nochmal kurz spannend, weil der Künstler um 10 Minuten vor Abfahrt noch in der Schlafanzughose beim Frühstück sitzt. Aber er schafft es kurz vor knapp 🙂 Die Wirtin erzählt währenddessen, die Coronafälle in der Region hätten sich seit gestern verdoppelt. Ich merke, dass ich mir kurz Sorgen mache.
Die beiden Studenten, ein deutsch/holländisches Pärchen und ich sitzen dann auch brav mit Masken im Bus (hier muss man überall, auch im Lokal wieder eine tragen) Alle bleiben bis Endstation sitzen 🙂 MEIN „Meilenkonto“ ist ja noch voll von der Birkarspitze-Umgehung, da habe ich ja fast 30 km extra gemacht. Die damals fehlenden 800 Höhenmeter hab ich übrigens im Voldertal aufgeholt, wo die Glungezer-Geher 2.000 hm mit der Gondel zurücklegten, und ich vom Voldertal zu Fuß aufgestiegen bin. (Es ist aber lustig zu beobachten, dass man das doch immer wieder nachrechnet, ob man das „darf.“)
In der europäischen Metropole Niedervintl angekommen stehen dann erstmal Bank/Geldautomat und Supermarkt auf dem Programm, alle verteilen sich in die unterschiedlichen Richtungen, ich kaufe Erdbeeren als Wegzehrung. Erdbeeren und Baden sind die einzigen Dinge, die bei meinem Alpensommer einfach zu kurz kommen.
Jeder geht los, als er mit seinen Erledigungen fertig ist, jeder geht sein Tempo, auf einer schönen Lichtung treffe ich auf die beiden Studenten die dort Pause machen und schon wieder ESSEN. Wir hatten doch grad erst Frühstück? Wo stecken die das hin?? Sie hatte mir am Vorabend, während dem Verschlingen riesiger Pasta-Berge gefolgt von Apfelstrudel und Kaiserschmarren, ihr „Geheimnis“ verraten. Sie hat als Jungendliche schon immer 2,5 Gläser Nutella pro Woche ausgelöffelt. Das scheint ein Stoffwechsel-Booster zu sein, der ein Leben lang vorhält! (Und mir hat man meins nach der Hälfte schon immer weggenommen!! MAMA! Das war ein FEHLER!)
Die beiden laufen ja v.a. Berghoch sehr schnell, machen dann aber immer ausgiebig Pausen, so lange, da kann sogar ich noch was lernen! Die seltene Kombination von sehr sportlich laufen UND dann aber auch so den Tag und den Augenblick genießen können! Der Wirt vom Bruggerhof hatte uns am Vorabend alle gelobt, dass wir erst Abends angekommen waren „Da gibts Leut, die rennen da einfach durch nur um dann um 13 Uhr bei schönstem Wetter hier bei mir in der Stube zu sitzen! Warum bleiben die net oben am See oder auf der Alm wenns ein schöner Tag ist?? Die ganz Schlauen kommen dann auf die Idee künftig zwei Etappen zu laufen, wo sie sich dann noch mehr beeilen müssen.“ Überflüssig zu sagen, dass ich den Wirt mag. Seine kluge Frau, die soviel über Aperol Spritz wusste, ja sowieso 🙂
Als wir grad aufbrechen wollen von unserer Lichtungs-Rastpause sehen wir das Deutsch/holländische Pärchen aus dem Wald kommen (meine persönliche Nr. 5 und 6 der getroffenen M-Venedig – Geher), sie setzen sich dazu, jetzt machen wir auch weiter Pause, alles andere wäre unhöflich 🙂 Der Holländer isst ein Käsebrot. Der Tag ist so leicht und entspannt und niemand deutet auf die Uhr oder hat Stress.
Gegen 14 Uhr ist die Roneralm erreicht, mein Endziel, die anderen haben eigentlich noch 1,5 Std. Zu gehen. Aber machen hier erstmal Pause, was mich sehr freut. Sie müssen schließlich auch was Essen, die letzte Nahrungsaufnahme ist schon über eine Stunde her 😉 Hier heißt es dann bald Abschied nehmen, wieder verliere ich nette Menschen aufgrund meiner eigenwilligen Etappenplanung. Menschen, mit denen man ein Stück gemeinsam gegangen ist, ein paar Geschichten, Aperol Spritz und einen Kaiserschmarren geteilt hat.
Ich checke kurz an der Rezeption ein, werfe meinen Rucksack in das traumhaft schöne Doppelzimmer mit Balkon, mich selbst in mein rotes Outdoor-Kleid. Ein Teil das mir viel Spott im Vorfeld eingebracht hat, sich aber als DAS Kleidungsstück in meinem Rucksack mit dem besten Gewicht-Nutzen Verhältnis heraus kristallisiert. 105 g für etwas, das man überall tragen kann, auf der kühleren Hütte mit Leggins, beim Aprikosenkauf im Edeka in Geretsried oder eben hier beim etwas feineren Abendessen. Etwas das NIE verschwitzt ist weil man es einfach tagsüber beim Wandern nicht tragen wird, nichtmal aus Versehen. Die meisten haben ein Wander-T-Shirt und ein sauberes für abends, aber ich habe schon zig mal Schlaf-Wander-und Reserve-T-Shirt gewechselt und die jeweilige Bestimmung neu zugeordnet. Hier aber sind 105 Gramm immer frisches Kleidungsstück, das sofort trocknet und nie knittert. In Rot! Ich liebe es!! Ihr könnt ruhig lachen, das ist ok. (Mein Bruder lacht über „das rote Bergkleid“ schon seit 2 Monaten…)
Es ist sehr voll und etwas „touristisch“ auf der Sonnenterrasse, nichtsdestotrotz halten wir es alle lange dort aus. Gegen Ende essen wir alle noch ein Eis gemeinsam, eine heiße Liebe. Das Vanilleeis kommt vom Bauern nebenan. Regional muss unterstützt werden.
Die Künstler schaukeln noch ein bisschen, das ist wenigstens nicht so schlimm wie deren Geturne an der Olperer Hütte-Brücke. Inzwischen hab ich auch ein Foto bekommen von dieser Aktion (liebe Eltern von der Johanna, da ich weiß dass ihr inzwischen mitlest, ihr müsst jetzt genau HIER wegschalten. Oder sehr stark sein…)
Und irgendwann sind dann alle weg…
Ich muss mich jetzt entscheiden, welchen der 4 Sonnenliegestühle vor mir ich wähle, welches Menü ich heute Abend essen möchte, was ich lese, wann ich meine Wäsche zum waschen bringe, welchen Wein ich trinke. Es ist auch nicht immer alles so einfach, wie es hier manchmal klingt! 🙂
Blick von meinem Balkon
Abendmenü. Und ich habe tatsächlich BEIDE Nachtische bekommen 🙂
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