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Traumpfad München – Venedig Tag 32. Abstieg ins Proseccoland



Col Visentin – Tarzo/Afanta. 420 hm rauf, 1.900 hm runter, 24,5 km. Wetter erst warm, dann heiß. Unterwegs von 9:30 Uhr – 17:30 Uhr, reine Gehzeit 6,5 Std. Unterkunft: Das bezaubernde Agriturismo Le Noci


Unsere letzte Berghütte hat uns dann das kargste Frühstück unserer Reise serviert. Das Brot, dass wir gestern zum Wein nicht aufgegessen hatten, wurde uns im Toaster ein bisschen aufgeknuspert (hat dann aber immer noch wie altes Brot geschmeckt) und dazu gab es diese kleinen runden Marmeladenpäckchen, die es hier in allen Farben gibt. Und die man auch nur anhand der Farbe unterscheiden kann, nicht etwa anhand des Geschmacks 🙂 Der Mann lobt Dora, sie hatte recht, die Medizin aus dem Labor hat gewirkt. Kein Corona,  nur ein wenig Kopfweh.


Es ist der 7. August. Als wir losgehen sag ich: „Wahnsinn! Heute vor einem Monat bin ich losgelaufen!“ Ich bin seit einem Monat nur „Draußen“. Vitamin D-Mangel werde ich diesen Sommer keinen bekommen. Der Mann korrigiert mich, mit einem Blick auf die Uhr meint er, vor einem Monat sei ich erstmal beim Friseur gesessen. Um DANN über den Viktualienmarkt zu schlendern. Um DANN mit ein paar Damen Kaffee am Marienplatz zu trinken. Ich sei noch LANGE nicht losgegangen. Gut, da hat er recht…

Es ist heute wieder ein sehr schöner, sehr leichter Tag.



Der Abstieg geht sehr beschwingt, wir lassen den Antennensalat und das Chemielabor hinter uns und auch die Berge, diesmal final.



Es ist die letzte gemeinsame Etappe, morgen geht es für ihn nach Hause. Wir biegen bald von der Forststrasse weg ins Grüne und haben noch lange „beide“ Blicke, den zurück und den nach vorne. Bei bestem Wetter steht Hügel-Hopping auf dem Programm.




Es geht durch hohes Gras, Blumenwiesen, über grüne Hügelrücken in leichtem auf und ab lange parallel zu rechter Hand den Bergen, linker Hand die Tiefebene. Wo es uns gefällt, machen wir Pause. Es gefällt uns an vielen Orten heute 🙂



Um kurz vor halb 12 erreichen wir ein kleines Rifugio, das Pian de Le Femene. Jetzt ist auch der Mann einverstanden, dass ich genau HEUTE vor einem Monat losgegangen bin. Wir feiern das mit etwas Wasser MIT Kohlensäure und einem Steckerleis.



Danach steht die Entscheidung an: Der „leichte“ Weg nach unten, oder der „kurze“, den der Rother als sehr „Abenteuerlich“ beschreibt und von dem er abrät. Wir nehmen natürlich diesen! (Nach gestern kann uns eh nichts mehr schocken….) Es wird ein bisschen steiler, ein paar umgefallene Bäume, die man abwechselnd drüber, drunter oder drumrum überwindet, alles nix Neues. Im kleinen Ort Revine sitzen wir länger, da holt uns die Geigerin ein. Wir laufen gemeinsam weiter, wir sind jetzt „unten“ und mir wird langsam die Herausforderung der nächsten Tage klar. Es ist etwas VÖLLIG anderes, bei dieser Hitze zu gehen, jeder 50 hm Mini-Anstieg wird zur Qual. Wir passieren die ersten Weinplantagen, laufen durch kleine Dörfer.




Wir sind ziemlich groggy, als wir im eigentlichen Etappen-End-Ziel Tarzo angekommen. Der Mann wundert sich sehr, wie schnell die beiden Damen plötzlich doch noch laufen können, als sie in der Ferne das international verbreitete Symbol für Eis blitzen sehen:



Eine große Eistüte mit 3 Kugeln strahlt da vom Marktplatz zu uns rüber. Alle Plätze sind im Schatten, alles ist frei, es gibt sogar Erdbeeren mit Sahne UND Eis separat dazu, das erste Paradies des Tages ist gefunden.


Das zweite folgt sehr bald. Wir gehen nämlich weiter, zum Agriturismo Le Noci,  eine Stunde, die aber am Gesamtweg liegt und die wir uns am nächsten Tag somit sparen werden. Die meisten gehen da hin, weil das der Ort ist, wo man das geliehene Klettersteigset zurück geben muss, wenn man den Schiara Klettersteig gegangen ist, die Studenten sind also auch dorthin unterwegs. Wir hatten uns einfach nur gedacht, dass dann die Etappen ausgeglichener sind, und am nächsten Tag statt langen 29 km „nur“ 24 Km zu gehen sind. Was wir irgendwie alle übersehen hatten, ist der EIGENTLICHE Grund, warum da JEDER hinsollte:


Es ist das Paradies! Ein traumhaft schön gelegener Bauernhof. Und sie bauen WAS an? PROSECCO!!! Wir sind inzwischen an der Strada del Prosecco, wie konnte ich bitte SOWAS übersehen?



Was für eine schöne Überraschung. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch an einem reifen Zwetschgenbaum vorbei, die Geigerin und ich stecken uns ein paar in den Mund, endlich mal wieder Obst! Sie sind köstlich!



Der Mann doziert inzwischen über die juristischen Unterschiede zwischen Diebstahl und Mundraub, er vermutet und hofft für uns, wir kommen mit letzterem davon 🙂 Und dann sind wir da. Es ist wirklich Liebe auf den ersten Blick, inmitten von Weinbergen gelegen, die Tische draußen schon fürs Abendessen hergerichtet, ob uns 19:30 Uhr zum Essen recht sei, fragt die super sympathische Chefin Donata.



Wir bekommen die „Familiensuite“ mit einem Doppelbett und 2 Stockbetten, es ist riesig. Und das Eckzimmer, man kann überall hinsehen. Es gibt einen Pool, ich bin 3 Minuten später drin. Und ich hab mehr „aus Versehen“ hier noch einen Pausentag dazu gebucht. Den ich fast storniert hätte, weil wir ja nun schon in Belluno ungeplant pausiert haben. Wie gut schon wieder alles kommt.






Das Abendessen draußen unter dem großen Baum ist das Schönste seit langem. Es gibt eine so schöne Pasta, dann Kalbsfleisch in feiner Soße und Beilagen, die Luft hat die perfekte Sommerabendtemperatur, es fliegt italienisches fröhliches Stimmengewirr über die Tische, der Prosecco den sie dort anbauen ist SO gut. Ich warte die ganze Zeit, dass die zwei aus der Ramazotti-Werbung auf ihrer Vespa vorbei kommen und besagte Flasche in die Höhe recken. Und alle dann jubeln. SO eine Stimmung ist das. Wie es eben doch nur in Italien geht.  Das einzig unangenehme ist, dass sie die leeren Flaschen einfach nicht wegräumen. Das mit den Strichen auf dem Bierdeckel wie es in bayrischen Gaststätten üblich ist, ist doch irgendwie…. unauffälliger… Aber wir sind ja auch zu viert. Und der Mann reist morgen ab, es ist der letzte gemeinsame Abend.



Es hat sich alles im Laufe des Tages so sehr geändert. Die Luft wurde mit jedem abgestiegenen Meter wärmer, auch im Schatten, um dann Nachmittags in der Ebene so richtig runter zu brennen. Jetzt ist „Italien im August“, wie man es sich vorstellt. Der dicke Daunenschlafsack kann weg, das dünne Leintuch zum Schlafen reicht bzw. Ist immer noch zu viel. Man kann bzw. Muss das Fenster jetzt nachts aufmachen um ein bisschen Luftzug und Kühle zu erwischen. Und man muss dabei auf etwas ganz Neues achten, etwas dass die letzten Wochen egal war: ERST das Licht aus, DANN das Fenster auf. Wir missachten die Regel an diesem ersten „Italien im August“-Abend. Es fliegt prompt ein fieser, fetter, schwarzer Käfer durchs offene Fenster in unser Zimmer.

An der Art wie er aggressiv gegen die Wand donnert, kann man klar erkennen: Er ist auf Krawall gebürstet. Er wird Ärger machen…



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