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Tag 12 Brü-Bri Tour: Zur schönen Franz-Senn Hütte


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Mittwoch, 23.07.25

Alpengasthof Lüsens - Horntaler Joch - Franz-Senn Hütte

Hm rauf 1.180, Hm runter 660, km 8,5

Unterwegs von 8:45 Uhr - 14:30, reine Gehzeit ca. 5:30 h

Höchster Punkt: Horntaler Joch 2.812

Rother Etappe 6 (im GAP-Brixen-Führer)


Der Tag beginnt mit einer wichtigen Erinnerung beim Frühstück:

„Be happy“ hängt da über meinem Kopf.

Ganz werde ich das heute nicht hinbekommen. Es wird ein emotional volatiler Tag: Der Mann und ich streiten den ganzen Vormittag, ich werde vom rechten Weg abkommen, wir werden meine bisherige Lieblingshütte aber dann doch gemeinsam und (weitestgehend) unverletzt erreichen, viele Murmeltiere sehen und - vermutlich zum letzten Mal für eine Weile - grandiose Blicke geschenkt bekommen.


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Das Frühstück ist vielfältig, es gibt sogar Eier, Brotzeittüten liegen am Buffet, man soll sich bitte was einpacken für unterwegs. Das führt dazu, dass die Eier alle mehrmals aus sind, der Wirt fragt zweimal nach, wer denn jetzt noch welche will, scheinbar sind alle in den diversen Rucksäcken der lauten Schnaps-Truppe verschwunden. Die heute morgen auch ganz ohne Schnaps schon wieder irre rumlärmt, aber dann plötzlich wie ein Bienenschwarm gleichzeitig aufspringt und sich los macht. Wir genießen noch ein paar Minuten die Ruhe. Normal nehme ich mir ja nix mit, heute packe ich doch auch mal eine Käsesemmel ein.


Der für heute angekündigte Starkregen wurde irgendwie nicht geliefert, stattdessen ist überraschend Sonnenschein. Wir starten kurz vor 9 mit frisch gewaschenen Sachen im Rucksack UND am Körper.


Das war ein echt schöner Stop hier! Das ganze Team wirklich unglaublich nett. Es hätte sogar eine Sauna gegeben.

Alpengasthof Lüsens am Morgen
Alpengasthof Lüsens am Morgen

Ein kurzer Blick in den Rother… Das sieht steil aus. Am Anfang. Am Ende. Ist das senkrecht?

Und in der Mitte. Na dann mal los, knapp 1200 Hm stehen an bis zum Horntaler Joch.


Quelle: Rother Garmisch-Brixen Etappe 6
Quelle: Rother Garmisch-Brixen Etappe 6

Wir starten mit vielen Fotostops, die Blicke sind heute wirklich grandios.


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Kaum ist man von der Forststrasse weggebogen wird es aber schon wadelzwickend steil. Konditionell geht’s eigentlich echt, aber ich muss ein paar mal die Wadeln ausschütteln weil es so beißt. Morgen-Tautropfen halten sich noch lange an den Grashalmen, es sieht so schön aus (kommt aber auf den Bildern nicht rüber, geht selbst morgens mal vor die Tür und schaut einfach!)


Nach den ersten paar Hundert Höhenmetern wird es noch schöner, und da! Ein großer Panorama-Stein, der zum Verweilen einlädt. Für mich ist es völlig logisch, da jetzt anzuhalten. Für den Mann nicht. Wir streiten irgendwie den ganzen Vormittag schon, sind heute aus der Harmonie gefallen. Er macht sich viele Sorgen, über angekündigte Schlechtwetter-Fronten, Starkregenfälle und irgendeinen Grat, den wir in ein paar Tagen überschreiten müssen, wo er gerade felsenfest überzeugt ist, dass wir / er da nicht drüberkommen. Zumindest nicht lebend. Wir „klettern“ über eine ca. 1 Meter seilversicherte Stelle, der Felsen ist ganz glatt, man muss einen Moment überlegen, wie man da jetzt hochkommt. Nach 2 Minuten sind wir beide drüber, ich habe die Szene sofort vergessen, der Mann beschimpft sich innerlich die nächsten Stunden, dass er „technisch so schlecht“ ist, und über besagten Grat in ein paar Tagen auf gar keinen Fall drüber kommen wird. Er macht sich sehr viele Sorgen über alles.


Ich würde gerne die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die für heute angekündigten Starkregenfälle ausgeblieben sind und wir heute einen / vielleicht den letzten schönen Tag haben. Und den doch einfach mal genießen können.


Er will an diesem Tag mit guten Wetter-Bedingungen plötzlich messen, wie schnell wir sind. Ich weiß nicht was es da zu „messen“ gibt. Ich bin langsam, er nicht. Das ist jetzt kein so großes Geheimnis. Er will schauen, ob die Rother-Zeiten für uns passen. Nein, tun sie nicht, das wissen wir inzwischen doch auch schon? Man muss halt ein bisschen was dazu schlagen. Das ist wirklich meine eine große Kritik an den Rother-Führern, dass jeder Autor nach einer nur ihm bekannten Geheimformel neu bestimmen darf, wie lange man seiner / ihrer Meinung nach braucht für die jeweiligen Etappen. Auf jede Ausgabe muss man sich erstmal neu Kalibrieren. Diese hier passt weniger gut als andere Ausgaben (was in den Rezensionen auch mehrfach kritisiert wird, ebenso wie dessen Einteilung in „leicht“ und „schwer“)


Also in kurz: Ich muss nix messen und jetzt auch kein Rennen zum Gipfel veranstalten, ich will genau JETZT auf DIESEM Stein hier eine Weile sitzen.


„Wie viele Minuten soll denn dieses Sitzen jetzt dauern?“ fragt der Mann.


Ich vermisse Paula und David, meine liebsten GTA-Wandergenossen, gerade sehr. Die haben sowas nie gefragt. Die saßen meist schon irgendwo, und ich hab mich einfach dazu gehockt. TAGELANG sind wir in Summe die letzten zwei Sommer irgendwo gesessen, haben geschaut, gebadet, geplaudert, gegessen und ich kann mich an keine einzige Situation erinnern, wo wir vorab besprochen hätten, wieviele Minuten wir jetzt hier gedenken zu sitzen. Solange man da halt sein will! Das sieht man dann doch schon. Irgendwas zwischen 10 Minuten und 3 Stunden. Man hat ein paar harte Kriterien nach hinten, z.B. wann gibts Abendessen und wann kommt ein Gewitter, das muss man im Blick haben, aber sonst gibt es einfach keinen Grund durch den Tag zu rennen. Heute ist Regen ab 16 Uhr, das schaffen wir locker. Auch mit Sitzen.


„Na gut dann 10 Minuten.“ gesteht mir der Mann großzügig zu. Er bleibt in der Zwischenzeit neben mir stehen und ich weiß, er zählt die Zeit runter. Nach 5 Minuten steh ich sauer auf und schimpfe: „Du bist SO Ungemütlich! Das ist der Vorteil am alleine wandern, man kann einfach SEINEM Rythmus folgen und muss nicht ständig irgendwelche Zeitpläne von anderen einhalten!“

Ich bin jetzt echt genervt.

„Wir können doch oben sitzen.“ meint er. Kann man halt oft nicht. Da ist dann wieder Wetterumschwung oder Wind oder Schnee oder was weiß ich. Dass weiß ich aus inzwischen über 2.500 km Weitwandern. Grate, Scharten und Jöchl sind oft ungemütlich. Das größte Risiko bei „meiner“ Taktik ist, dass man dreimal irgendwo gemütlich relaxed hat, sitzt man halt oben nochmal, wenns schön ist. Das Risiko gehe ich gerne ein, lieber als GAR nicht zu chillen.


Das es jetzt wieder noch steiler wird, ist ebenfalls nicht stimmungsfördernd. Geröllfeldhopping steht mal wieder an.


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Aber irgendwann kann man zumindest das Ende des Aufstiegs erahnen. Gewaltig ist es hier ja schon. Und ungefähr hier passiert es, von weit oben ein gellender Schrei, der uns durch Mark und Bein fährt. Ich suche hektisch nach meinem Handy, hab ich meine SOS Alps-App auf dem aktuellsten Stand? Da - ein zweiter Schrei! Oh mein Gott, was ist da passiert? Zwei Menschen abgestürzt???


Und dann - lautes Gelächter.

Es scheint unser Chaos-Trupp zu sein, von dem Teile noch auf einen weiteren Gipfel gestiegen sind, der Rest pausiert oben am Grat. Was für Idioten. Es wird noch mehr geschrien, gerufen und gelacht, wir ignorieren das jetzt.


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Und sind dann irgendwann oben. Da liegen große Teile der Lärmgruppe rum, die wenigen Frauen essen schweigend Eier, die Männer verursachen Krach, sind die schon wieder betrunken? Die zwei extra-Schreihälse kommen gerade von einem Gipfel runter „oh Mann wir sind voller Adrenalin!“


Der Mann fragt freundlich in die Runde: „Seid ihr eigentlich ein Karnevalsverein?“

Alle lachen und johlen, verneinen das aber. Ich finde der Mann hat seine Kritik sehr wertschätzend und maximal freundlich formuliert. Leider kam sie nicht an.


Ich schaue ihn seufzend an „gehen wir gleich weiter?“

Er nickt.

„Siehst du, manchmal kann man dann am Grat halt einfach nicht gemütlich sitzen,“ sag ich leise.

„Es wäre ja grundsätzlich schon schön hier. Aber ja, DIESES Risiko hatte ich jetzt tatsächlich nicht am Schirm,“ sagt der immer alle Risiken bedenkende Mann.


Ach ganz viele Murmeltiere haben wir auf dem Weg nach oben auch gesehen. Zwei haben sich auch gestritten, wie in einem Comic. Da hat sich der eine auf das andere fallen lassen, der ist drunter weggerollt, hat sich selbst wieder auf das erste geworfen. Dann sind sie gemeinsam am Felsen herumgetollt, bis nur noch eins übrig war. Das Zweite ist weg gehuscht.


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Der Abstieg ist schön und wäre eigentlich ungefährlich. Eine längere seilversicherte Stelle gegen Ende, aber alles easy. Es ist auf einem völlig harmlosen Weg, wir laufen hinter einander her, als plötzlich nur noch einer von uns am Weg steht. Der Mann.


Ich bin irgendwie, ich weiß auch nicht…Umgefallen? Ich vermute, ich habe mit meinem Stecken ins Leere gestochen, drunter nur eine Flechte, auf jeden Fall purzel ich jetzt ein Stück runter, stelle fest wie schnell man mit Rucksack am Rücken wird und wie schwer sich da zu stoppen. Eine Kuhle, ein paar Flechten und ein Stein bringen mich dann zum stoppen. Meine Hose ist zerrissen und mein rechtes Bein blutet, aber es ist nichts Schlimmeres passiert. Ein bisschen erschrocken bin ich schon, das ging so … schnell? Und man ist weg.

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Der Mann ist sofort bei mir, verarztet die Wunde (es wird bis zur Ankunft in der Hütte bluten, was natürlich doch angemessen dramatisch ist…) beruhigt mich. Er ist ein so guter Krisenmanager, ich weiß nicht wie er da immer selbst so ruhig bleiben kann, wenn was passiert. An einer anderen Stelle hätte das blöder ausgehen können. Aber alles gut!


Irgendwann gehts wieder und wir machen uns gemeinsam an die letzten Meter:

„Schau, und deswegen ist es gut gemeinsam zu wandern. Dann kann man aufeinander aufpassen,“ sagt der Mann.


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Hütte in Sicht! Und in der Ferne ein Gletscher. Die Blicke auf den letzten Metern sind wirklich nochmal herausragend. Aber ich will jetzt doch ankommen.


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Die Hütte wird eine meiner liebsten. Was vielleicht dran liegt, dass wir es nun doch endlich schaffen, ein bisschen gemütlich zu sitzen, draußen, in der Sonne! Dass es als Signature-Dish dieser Hütte heiße Schokolade gibt, die unfassbar gut in einer riesigen Tasse serviert wird.


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Dass man sich sein Essen selbst aussuchen kann und nicht vorbestimmtes Halbpension-Menü gibt. Sondern hausgemacht Pasta??? Wer macht denn bitte auf einer so großen Hütte Pasta selbst?? Sie ist grandios. Es ist einfach alles schön.


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Wir bekommen ein 4-Bett Zimmer, dass wir uns mit zwei älteren Herren, Dirk und Martin, teilen. Sie sind unglaublich nett und höflich.

Ich hab ja echt auf keiner Tour bislang so viele männliche MItwanderer gesehen. Hier ist das schon sehr auffällig.

Sie sind ganz schön k.o, sind auf einer der ersten Etappen des Stubaier Höhenwegs und von der Starkenburger Hütte gekommen, andere Richtung als wir. „Also das war echt nicht ohne!“ meint der eine. Der andere bestätigt, dass das eine wirklich schwere Etappe war. Wenn das so bleibt? Sie wirken ein bisschen besorgt.

„Das ist da wo der Vater mit seinem Sohn vor 2 Wochen tödlich verunglückt ist“ sagt der Mann leise, als die beiden aus dem Zimmer sind.

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Gottseidank haben wir im letzten Moment noch einen Platz auf der Franz-Senn-Hütte bekommen. Erstens weil sie so schön ist. Und zweitens weil ich jetzt heute echt nicht mehr weiter hätte gehen wollen. Die Etappe wie ursprünglich geplant bis zur Regensburger durchzugehen, wäre schon echt lang gewesen. Jetzt haben wir morgen eine kürzere, was gut passt, da das Wetter schlechter werden soll.


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Und am Weg gab es dann noch eine wichtige Erinnerung, nach einem doch sehr „vielfältigen“ Tag.

 
 
 

4 Kommentare


Gast
17. Aug.

Liebe Katha!

Wie schön, dass Du uns wieder an deiner Weit.Wanderung teilhaben lässt!!!

Ich wünsche Dir weiterhin eine super schöne Zeit und viele Grüße aus NewYork…. das Lesen deines Blogs ist ein wohltuender Kontrast ….

Alles Gute Dir, Deine Diana H.


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Hallo Diana,

Schön von dir zu lesen… dann schreibe ich mal weiter, es fehlen ja noch 10 Tage…

Liebe Grüße nach NY

Katharina

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Bettina
16. Aug.

Oh je,

das klingt nach einem eher schwierigen Tag. Die gibt's leider auch. Ich hoffe, du hast dich nicht schlimm verletzt?

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Denke es bleibt ne kleine Narbe, aber halb so schlimm. Euch hat’s glaub schlimmer erwischt an eurem letzten Tag,… war ne gute Erinnerung, wie schnell man vom rechten Weg abkommen kann. Und wie schnell man wird, wenn man bergab purzelt. Und dass an den schwierigen Stellen selten was passiert, immer nur auf spazierwegen und Hoteltreppen…

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