
Montag, 14.08.23 // Etappe 19
GTA Grande Traversata delle Alpi Rifugio Rivetti - Kloster San Giovanni
Km 16 - Hm rauf 640 - Hm runter 1.810
Zeit unterwegs: Von 8 - ca. 17:30 Uhr. Reine Gehzeit 7 h
Von den Italiener können wir uns ja viel abschauen, Pasta, Gelati, Ramazotti und allen voran natürlich die entspannte(re) Lebensweise. Da muss nicht immer alles sofort passieren, man kann ja auch mal warten. Bei Hippies ist das ähnlich. Bei italienischen Hippies potenziert sich das auf eine Weise, die ein Zusammentreffen mit einer ausgehungerten, verdursteten, aufs WC-müssenden Weitwanderin unter Umständen schwierig gestaltet. Natürlich nur zu Beginn. Danach sind wir beste Freunde. Und voll im Italo-Hippie-Relax-Flow. Aber das war am Ende, in Rosazza, zuckersüßer Ort auf unserer letzten Stunde des Tages.
Erst mal sind heute schon früh vom Rifugio Rivetti abgestiegen, der Morgen lag so stimmungsvoll vor uns. So sehen Blicke von Lieblingshütten aus…

Zu Beginn geht es durchaus steil runter, dann weiter auf gepflasterten Mulipfaden. In Summe kommen heute viele Höhenmeter runter auf die Uhr. Teilweise waren die Steine noch feucht und man konnte auf diesen einfacheren Wegen mal sehen, was das für einen Unterschied macht - es wird sofort rutschig. Aber das war nur kurz. Die Luft ist klar, Nachts hatte es geregnet, und jetzt haben wir aber wieder Blicke in alle Richtungen.


Zwischendrin holen uns der einzig wahre Weitwanderer - der von-Wien-nach-Nizza-Mann - und die Quantenphysikerin ein. „Zeig mal deine Sohlen“ fordere ich ihn auf. Oh oh…das ist aber auch schon sehr abgelaufen. „Geht schon“, meint er. „Ist das zweite Paar. Das erste ist nach 800 Kilometern durchgebrochen.“ Die magische 800 KM Marke…Er war Gottseidank grad in Meran, da hat er sich jetzt dieses Paar hier gekauft. Also DAS würde ich ja anders organisieren… Ich hätte alle 600 KM neue Schuhe deponiert, da hätte ich ja zu viel Angst, dass es genau meine Größe dann nicht gibt. Oder, viel schlimmer, nur noch hässliche Farben!!!
Wenn sich ein Bergschuh einmal bewährt hat, dann will ich genau den wieder haben. Keine Schuh-Experimente auf weiten Touren. Füße sind wichtig.
Die Quantenphysikerin war ja tatsächlich morgens um 4 Uhr aufgestanden, um in die falsche Richtung dunkle Felsen hochzuklettern. Der Wien-Nizza Mann hatte in seinem großen Lager unerwartet gut geschlafen und ist dann doch nicht aufgestanden. Da ging sie echt allein. Sie kam zurück, als wir gerade beim Frühstück saßen. Sie ruft begeistert: „Das war so toll, darf ich euch Bilder zeigen? Ist das ok? Ich habe gerade so ein großes Teilungsbedürfnis.“ Sie sagte “Teilungs-“ nicht „Mitteilungsbedürfnis“. Der Mann hat dann gelacht. Und erklärt: „Ich habe in ihrem Blog (er zeigt auf mich) gelesen, dass DU (er zeigt auf sie) Quantenphysikerin bist?“ Sie nickt verwirrt, was das denn jetzt mit ihrem Sonnenaufgang zu tun hat. „Und jetzt hast du also ein Teilungsbedürfnis?“ Haha. Das fanden dann alle lustig, sie auch.

Wir laufen gemeinsam in den Ort, Piedicavallo. Hier muss man in der Bar einen Cappuccino trinken und ein Brioche essen, sagt der Rother. Na dann, suchen wir mal die Bar. Der Mann vermutet sie neben der Kirche - Volltreffer.
Hier diskutieren wir ein bisschen wer jetzt wie weitergeht. “Erst ab 15 Uhr Gewitter“ sagt der Wien-Nizza-Mann. Wieder ein deutscher Mann, der schlechtes Wetter prophezeit. Aber selbst wenn, bis dahin sind wir locker von unserem heutigen kleinen Gipfel wieder unter. Der GTA steigt jetzt hier zum Rifugio Madonna delle Neve auf, ein Höhenrücken, geht auf der anderen Seite runter nach Rosazzo und dann weiter nach Santuario San Giovanni. Ein Kloster. Man könnte sich mit dem Bus 2h Zeit sparen. Oder direkt an der Strasse entlang gehen, das spart auch Zeit. „Und das ist jetzt kein irrelevanter Nebengipfel?“ fragt die Quantenphysikerin. Ich deute auf die blaue Linie. „Das ist GTA, wir gehen das natürlich“.
Der Wien-Nizza-Mann will an der Strasse laufen und dann gleich noch die morgige Etappe nach Oropa dranhängen. „Ich spar mir diesen Hügel, muss ja noch bis Nizza“, sagt er entschuldigend. Wir laufen „den Extra-Hügel“, die Quantenphysikerin schwankt noch, schließt sich aber letztendlich uns an.
“Was ist eigentlich die Mission deiner Tour?“ frage ich den Wien-Nizza-Mann. “Im Augenblick leben, genießen.“ antwortet er. „Und ja, schon auch ankommen.“ Vor ein paar Wochen hatte er ein Tief, hätte fast abgebrochen, aber Gespräche mit der Familie und Freunden zu Hause hätten ihm geholfen. Jetzt ist er froh, noch auf dem Weg zu sein. Aber jetzt muss er wirklich los, er hat nur noch gute 4 Wochen Zeit. In den Bergen sollte man sich als weitwandernder Games of Thrones Fan immer dem Hause Stark zuordnen. Und deren Motto nie vergessen: „Winter is coming“. In den Bergen immer ein bisschen schneller.
Schon ist er weg. Abends wird er in Oropa sein, am nächsten Tag bis Trovinasse laufen. WIE krass diese Leistung ist, werde ich erst übermorgen verstehen.
Wer sich hier schon immer fragt, wann ich endlich mal ein bisschen auf Leistung laufe, guckt doch mal bei ihm vorbei, er bloggt auf Tumblr, da müsst ihr „auf und ab“ eingeben und das Foto eines Mannes finden, der in Wien auf einer Bank sitzt. Aber man muss wohl die App laden. Dann seht ihr dann, wie das sportliche Menschen so meistern.
Wir machen uns kurz drauf auch los, schauen noch in die Kirche rein, gehen mal wieder über eine tolle Steinbrücke, (diesmal nicht von Napoleon gebaut),

besteigen „den Hügel“ der sich v.a. durch eine so schöne, gleichmäßige Steigung auszeichnet, endlich geht Bergaufgehen mal leicht.

Das ist noch nicht das Rifugio.
Aber da kommt es schon. Oben was trinken und Sonnenbaden, Blick zurück genießen. Leider ist mein Lieblingsrifugio hinter den Wolken, aber theoretisch könnte man noch mal bis dahin zurück schauen von wo wir heute morgen los sind. Ich finde das immer wieder erstaunlich, wie weit man an einem Tag kommen kann. Also selbst ich…

Auf leichten, mit im Abstieg ebenso schöner Steigung wie im Aufstieg, sanft, ein bisschen Stufen, ein bisschen Höhenweg geht es in das schöne Städtchen Rosazza.

Die Ortschaft sieht wirklich zauberhaft aus, leider haben wir hier kein Zimmer mehr bekommen, aber es sieht auch - wie so oft in Italien am frühen Nachmittag - alles sehr zu aus.


Wir landen dann bei Hippies am Fluss in einer Bar namens „Autobahn“ , da muss man nur über die Brücke drüber.

Am Fluss sitzt eine Frau, zieht Bergschuhe aus und massiert ihre Füße. Bestimmt auch eine Wandersfrau. Und als wir bzw. Ich unsere bzw. meine Anfangsschwierigkeiten mit den Hippies beseitigt habe, es dann doch ein (geheimes, nicht ausgeschildertes) WC, zwei Bier und einen Toast gibt, ja dann sind wir auch in so ein chilliges Hippie-feeling gefallen. Den dort stattfindenden Yogakurs haben wir aber nicht mehr abgewartet.

Irgendwann sind wir dann doch die letzte Stunde Richtung Kloster San Giovanni aufgebrochen. Und diese fand ich so unglaublich „stimmig“. Es war ein stiller, schöner Weg als wäre er eigenes angelegt als Vorbereitung auf stille Tage im Kloster, Innenschau.
Die wenigen Steinhäuser, die wir passieren in sanftes Nachmittagslicht getaucht, leichte Waldwege, durch die ab und an die Sonne durchblinselt, extragrüne Bäume, leichte, federnde Waldwege, die erlauben, ganz bei sich zu sein. Und nicht bei den Füßen und beim nächsten Schritt. Ich habe das unglaublich genossen.

Als wir uns den dicken Klostermauern nähern, kann man so gut nachvollziehen, dass das viele Jahrhunderte hier Anzukommen für Menschen, Pilger, Wanderer Schutz bedeutet hat.

Wir melden uns im „GTA-Büro“ an, alle ist professionell organisiert, unsere Ausweise werden kopiert, wir bekommen einen Zimmerschlüssel. Die sehr freundliche Dame führt uns zu unserem Zimmer. Was ist das? Sie drückt einen Knopf in der Wand? Und dann geht eine Geheimtür auf? Und da steigen wir ein und dann werden wir ganz ohne uns selbst bewegen zu müssen in den zweiten Stock befördert. Genial! Man kann sich das immer nicht vorstellen, dass es nach 16 km auf und ab den ganzen Tag nicht egal ist, dann auch noch ein paar Treppen zum Zimmer zu laufen. Aber das ist soooo schlimm, jedes Mal wieder. Heute nicht. Wir fahren. Ein tolles, modernes Kloster.

Das Zimmer ist einfach aber mit eigenem Bad. Als ich anrief um zu reservieren, hat mich ein listiger Mönch gefragt, ob wir ein Doppelbett wollen. Als ich „ja“ gesagt hab, hat er so getan, als blättere er in einem großen Buch um dann zu verkünden: „Gibts leider nicht mehr.“ Aber da muss dieser Mönch schon noch früher aufstehen, als er das für gewöhnlich wohl eh tut! Wir schieben die beiden Betten einfach zusammen. Ein drittes steht auch noch im Zimmer, da breiten wir unsere Sachen aus. Große Zimmer sind toll.
Irgendwie falle ich jetzt doch um und bin schlagartig fix und alle und erschöpft. Einfach nur liegen tut gut. Der Mann ruft aus dem Bad, ich müsse SOFORT kommen, um von dort aus dem Fenster zu schauen. Ich war vor 2 Minuten in diesem Bad und weiß, da draußen gibt es nix zu sehen, außer ein bisschen Klostermauer und Gestrüpp. „Erzähl es mir doch einfach, ich KANN nicht mehr aufstehen“ ächze ich. „Nein, das MUSST du selbst sehen.“ Seufz. Wenn da jetzt nicht mindestens George Clooney auf der Klostermauer tanzt, dann ist aber was los.
Es ist tatsächlich noch unglaublicher. Es fängt genau JETZT zu Regnen an. Mal wieder. 5 Minuten, nachdem wir gut angekommen sind. Das gibts doch einfach nicht. Ich fühle mich sehr beschützt, heute und schon auf der ganzen Tour.
GTA Grande Traversata delle Alpi Rifugio Rivetti Kloster San Giovanni
Haha, Ja das wisst ihr ja am besten, wie schnell das gehen kann dass man zumindest Oma / Opa wird ;-))
DAnke fürs Mitfiebern und Fühlen du Liebe!
Warum eigentlich George Clooney? Wegen Kaffee? 🤭
Na, diese Schutzengel 💫 beruhigen uns hier in unserer guten Stube wirklich ungemein. Man ist immer auch dankbar dafür, dass du/ihr gut angekommen seid.
Tipp aus der englischen Humorecke an den Mann, wenn die Frau nicht aufstehen will... 🤔Eine Schlange erfinden?
(Nein nein, nicht wirklich ausprobieren!)
"Schon ist er weg. Abends wird er in Oropa sein" …..ich habe an dieser Stelle gestutzt, gestoppt, irritiert noch mal gelesen, und dann herzhaft gelacht 😂… ich habe Uropa gelesen…
Dein Bericht hat mich wieder völlig gefangen genommen. Der letzte Abschnitt so berührt, dass ich ein bissi feuchte Augen habe.
Danke