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Tag 27 GTA - In der Geisterschule


Dienstag, 22.08.23

Ronco - Talosio, Unterkunft das einzige Posto Tappa dort...

Km 14,4 - Hm rauf 1.230 - Hm runter 950

Unterwegs von 07:45 Uhr - 16:00 Uhr, reine Gehzeit ca. 7 h


Ich sitze hier lässig auf einer alten Schulmauer und gucke auf diesen seltsamen Ort. Ich bin sicher, genau hier sind früher, sehr viel früher, auch die Schulkinder gesessen. Also die coolsten von ihnen. Hier ist der Platz für die Coolen. Heute sitze nur ich dort.



Schulkinder gibt es hier schon lange keine mehr. Die 3 heute angekommenen GTAler wohnen hier in "der alten Schule" von Talosio. Stellt euch eine (ur)alte Schule vor, in der seit 100 Jahren niemand mehr drin war. Genau so sieht es da aus. Die Fenster sind vergittert, wie sich das für eine ordentliche Schule gehört. Alles, was man anfasst, hält man kurz drauf in der Hand. Wasserhähne, Duschköpfe, Türgriffe, Sicherungsschalter.


Zum dritten Mal auf dieser Tour bin ich froh, jetzt gerade nicht alleine zu sein, sondern mit den zwei Lehrerinnen dieses Establishment zu teilen. Es ist überhaupt nicht angemessen! Und ja das fände ich jetzt doch seltsam, ein wenig abseits des Ortes alleine in diesem baufälligen alten großen Haus zu hausen. Ich weiß jetzt schon, dass es dort spukt!



Heute morgen war noch alles sehr nobel! Beim Frühstück im della Luna in Ronco sind alle wieder genau so herzlich wie Abends. Die Chefin sagt, ich wäre so ein netter Mensch, ich müsse nix zahlen für die Übernachtung. Weil ich den anderen beiden Asyl gegeben hab. Ich soll nur für Abendessen und Frühstück bezahlen, wenn ich mag. Wenn nicht, wäre das auch ok. Lustiger Laden...Sie wollte dann 25 Euro für das grandiose Frühstück und das riesige Dinner am Abend, wenn ich es bezahlen mag. Ich stocke den Rest mit Trinkgeld auf und mache mich um 7:45 Uhr schon los.


Bis 11 Uhr bin ich im Schatten, das war sehr gut und ging dann auch gleich leicht. Die erste Stunde an einer ruhigen Strasse entlang. Von den Piamprato wohnenden holt mich niemand ein, scheins sind sie dann wohl doch mit dem Bus gefahren, der erst um 10 Uhr in Ronco ist. Das wäre echt nix für mich gewesen, so spät los, jetzt liegt die Strasse noch im Schatten.




Nach diesem kleinen Weiler biegt es dann in den Wald. Als ich mir gerade denke „geht gut“ kommt man ins Freie, das ist jetzt doch wieder … warm. Aber erneut sehr schön.





Sonst hab ich gar nicht viel zu erzählen. 1200 hm auf der einen Seite rauf, 1.000 auf der anderen wieder runter. Wie gestern sind es vor allem die letzten 200 Hm die so so steil sind. Hier der höchste Punkt. Zeit für eine lange Pause.



Weiter unten am Colle Crest stößt ein anderer Weg auf den Hauptweg. Da sehe ich gerade die Lehrerinnen heraufziehen. Sie haben einen anderen Weg gewählt, einen wohl sehr sehr steilen, "Direttissima"-senkrecht-Hoch-Weg, stark ausgesetzt, wird die jüngere und nicht ganz schwindelfreie der beiden abends erzählen. Der aber 1,5 h Stunden Zeit spart, wenn man es schafft, das Durchzugehen. Wir treffen fast zeitgleich an der Kreuzung zusammen, sie haben tatsächlich den späten Bus nehmen müssen, es gab keine andere Fahrgelegenheit.


Ich lasse mir Zeit, sie überholen.

Eine Stunde vor dem Ziel sehe ich sie plötzlich wieder aus einem Waldpfad herausstechen. "Da hinten ist eine kleine, eine sehr kleine Badestelle versteckt." Sie ist wirklich sehr klein, aber man kann sich das einfach nicht vorstellen, dieses dringende Bedürfnis sich in jede noch so kleine "Pfütze" mit eingezogenem Bauch hineinzurollen, sofern das Wasser nur kalt genug ist, um den Körper ein bisschen abzukühlen. Das Wasser hier ist sehr kalt und sehr klar. Perfekt.


Als ich am Nachmittag im Ort ankomme ist es eher seltsam. Die beiden sitzen schon in der einzigen Bar, wo wir auch unser Abendessen bekommen werden. Alle anderen Leute dort starren uns an, als kämen wir vom Mars. Aber ohne zu grüßen, auch wenn man selbst grüßt. Sie nicken höchstens, schauen weg, um dann gleich wieder zu starren. Wir sind die Dorfattraktion...


Ich sehe das Schild, das dort hängt und sage begeistert zum Wirt „Oh das ist ja eine Trattoria UND eine Pizzaria, ich brauche heute Abend kein Menü, ich esse PIZZA! Zum ersten Mal in 5 Wochen, grossartig.

„Nur sonntags.“

Was nur sonntags???

"Pizza. Der Ofen wird nur sonntags eingeheizt". Die pensionierte Lehrerin schüttelt den Kopf "Echte Italiener essen nur sonntags Pizza. Das weiß man aber!"

Der Wirt sieht mein enttäuschtes Gesicht und meint, er überlegt sich was.


Wir trinken was auf der Terrasse, damit die Leute noch ein bisschen gucken können. Ich will dann gerne "einchecken", der Wirt bittet seine sehr jungen Schwester, sie möge uns die Schlüssel geben und uns zur Schule geleiten. Sie wirkt nicht gerade begeistert von dem Auftrag und holt sich Verstärkung von zwei Freundinnen. Mit dieser Eskorte werden wir durch den Ort geführt.


Angekommen. Von außen ja noch ganz nett...


Wir dürfen wählen, in welche Zimmer wir wollen, sagen sie. Und welche Bäder wir benutzen... Es gibt überall nur kaltes Wasser.


Unten im Erdgeschoß ist ein großes Stockbett-Zimmer, oben eine Küche und vermutlich der Schulraum, da haben sie normale Betten reingestellt. Wie die Tage zuvor teilt die Lehrerin zu: "Du schläfst am besten hier und wir in dem anderen Zimmer." Ich bekomme das Küchenzimmer.

Hier glaub ich dann doch auch, dass die Bettlaken sehr sehr sehr selten gewechselt werden... Naja, dafür hat man einen Hüttenschlafsack. Aber trotzdem ist das alles gruselig. Kaum sind die Girls weg, stellen wir fest, kein Strom, kein Licht, und damit auch kein Handyladen.


Wir nehmen alle eine schnelle kalte Dusche. Den ganzen Tag in Eisbächen baden und dann abends mimimi machen weil die Dusche nicht warm ist, gilt ja auch nicht. Wir machen es uns draußen bis zum Abendessen gemütlich. Langsam muss ich wieder ein paar Tage Weiterbuchen, Planen und Denken, die pensionierte Lehrerin auch, ihre jüngere Freundin reist bald ab. "ich kann das gerne für uns beide übernehmen, ich spreche ja italienisch." Das finde ich sehr nett. Ein ungutes Gefühl habe ich plötzlich, als sie anbietet, die nächsten Tage gemeinsam in ein Zimmer zu gehen, weil das ja ein bisschen günstiger sei. Ich werde erst heute Nacht verstehen, WIE gut meine Intuition wieder mal war.


Das ist jetzt objektiv mit Sicherheit die schlechteste Unterkunft, aber natürlich eine großartige Geschichte. Das macht vieles wieder wett. Das Essen, das in der einzigen Kneipe dieses Dorfes eingenommen wurde, ist ebenfalls grossartig! Sie heißt „The Wolf!“


Als wir um halb 8 zum Abendessen Ankommen dröhnt Bon Jovi auf irgendeinem italienischen Möchtegern-Musikkanal „its my life“, auf Grossleinwand, danach kommen in Endlosschleife Videos von Kindern, Hunden, Bodybuildern denen irgendwas auf den Kopf fällt.


Der Wirt winkt mir mit kleinen Teigstreifen aus der Küche zu. Die wird er gleich frittieren und seine Mama wird uns riesige Schinkenplatten dazu servieren. "dann kannst du den Schinken da drauf legen - das ist doch wie Pizza!" strahlt er mich an. Das ist schon sehr sehr süß. Auch die Lehrerin sagt "Ich weiß, ich wiederhole mich aber: Besser gutes Essen als gutes Zimmer!"


Es werden viele dieser Platten gereicht, bevor es dann die offizielle Vor-und Hauptspeise gibt. Wir fragen nochmal nach dem Strom, die Tochter, die uns vorher schon hingeführt hat verdreht die Augen, schimpft auf ihren Bruder, dass der irgendwas nicht gemacht hätte, nimmt unseren Schlüssel und stapft los. Irrtümlicherweise denken wir, sie geht los um das Problem zu lösen.


Als wir nach dem langen Essen zurück in die Schule laufen (es geht bergauf!), geht immer noch kein Strom!! Oh Mann!! Was hat die Tochter denn vorhin gemacht? Wir haben alle keine Lust nochmal runter zu laufen, es sind einfach nur 5 Minuten, aber hin-und zurück bin ich das heute schon eine halbe Stunde gelaufen, immer wieder. Wir rufen in der Bar an. "Ja wir sollen halt den Hauptschalter reinziehen." Es gibt 3 Sicherungskästen im Haus, ich fasse in einem fremden Land sicher nix mit Strom an..."Den gleich neben der Eingangstür, Generale steht drauf". Die resolute Lehrerin drückt ihn runter. WOW!! Das ganz Haus erleuchtet hell! 30 Sekunden lang. Dann macht es PENG! und alles liegt wieder im Dunkeln. Das geht noch ein paar mal hin und her, ich werde doch noch ein paar mal zur Bar laufen, aber die Kernaussage wird ein schulterzuckendes "ja da kann man halt nix machen" bleiben.


Dieses Haus ist so so gruselig. Auch wenn ich Teile dieses Lehrerinnen-Duos manchmal anstrengend finde, bin ich grad so dankbar, heute hier nicht alleine zu sein! Es gibt hier auf jeden Fall Gespenster!





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