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Tag 28 GTA - An der Staumauer entlang ins Gran Paradiso



Mittwoch, 23.08.23

Etappe 26 Talosio - San Lorenzo,

Unterkunft Trattoria San Lorenzo

HM rauf 1.400, HM runter 1.550, km 15,5


Ja ich weiß, ich habe euch SEHR lange warten lassen. Eure zahllosen Beschwerden hierüber habe ich natürlich alle (mit unterschiedlich schlechtem Gewissen) gelesen. Ihr wart in steter Sorge, ob ich wohl die Gespenster-Nacht überlebt habe... Ja hab ich - aber fragt nicht wie (ihr braucht gar nicht fragen, ich erzähle es euch eh gleich...) Und nein, ich bin nicht in der Geisterschule geblieben und erschrecke dort fortan als GTA-Geist erschöpfte Weit-Wanderer.


Es ist so viel passiert: Der Wien-Nizza Mann ist tatsächlich heil in Nizza angekommen, körperlich sehr erschöpft und mental in Top-Form, so erzählte er.


Maria hat den GTA „ordnungsgemäß“ beendet (ach, die kennt ihr ja noch gar nicht, die lerne ich erst in 2 Etappen kennen).

Paula und David waren im Bergdoktor-Land nahe Brixen beim Skifahren, da bin ich für einen Nachmittag / Abend runtergefahren und es war ein soo schönes Wiedersehen! Mal gucken, ob sich unsere Wander-Wege auch dieses Jahr wieder kreuzen….



Dass ich gut angekommen bin, habt ihr noch per zwischengeschobener Eilmeldung erfahren. Dann bin einen Tag nach Rückkehr sehr krank geworden und fand mich plötzlich zum ersten Mal in meinem Leben auf einer Intensivstation wieder. Es hat dann ein bisschen gedauert, bis ich körperlich und seelisch wieder ganz hergestellt war. Ich hatte viel Glück und eine noch bessere Betreuung. Der Mann hat gut auf mich aufgepasst und die Ärzte in Großhadern, die können auch was. Und sind dabei so nett und zugewandt. Es hat mich wieder daran erinnert, wie wichtig es ist, Menschen auch ein bisschen Zeit zu schenken. Der dortige Oberarzt hat mir immer wieder gesagt, ich solle jetzt ja nicht denken, das hätte was mit meiner Tour zu tun, das war nur ein dummer Zufall, dass das zusammengefallen ist. Ich soll ja nicht damit aufhören und mir das beibehalten, das mache ich genau richtig, das mit den langen Auszeiten draußen im Sommer, er wünschte, er könne das auch.


Also behalte ich mir das bei und befinde mich gerade auf der 9 stündigen Zugfahrt zurück nach Susa, von wo es 2024 mit dem südlichen Teil des GTA weitergeht, 30 Etappen fehlen noch, im idealen Falle komme ich Mitte August am Meer an.

Und nun schreibe ich wirklich „schnell“ noch die letzten noch fehlenden Tage.

Es kamen nämlich noch ein paar so besondere Tage!


Dieser hier z.B. das war schon sehr besonders...

Das Panorama eines der mächtigsten bislang (und wieder gibt es kein Foto, dass das auch nur ansatzweise verdeutlicht…)

Es war ein langer Tag. Und schon wieder etwas…warm. Und auf eine Alm bin ich eingebrochen, weil ich dringend zum Schminkspiegel musste, den der Rother für diesen Tag versprochen hatte. Und den ganzen Tag italienisch geübt habe ich auch um mich auf meine bislang wichtigste Verhandlung des Jahres vorzubereiten. Aber der Reihe nach…


Die Nacht in der alten Schule war aus verschiedenen Gründen...schwierig.

Zwar war eine dicke Holztür zwischen dem "Lehrerinnen-Zimmer" und meinem Küchenzimmer, aber da die Wände aus Papier waren, hab ich kaum ein Auge zugetan. Es schnarchen wohl beide, aber die ältere in einer Intensität, also sowas hab ich seit dem Tangotänzer in Slovenien 2021 nicht mehr gehört. Und der hatte ne schwere Bronchitis. Zweimal bin ich aufgesprungen, weil ich dachte, sie erstickt gerade oder jemand bringt sie um, röchelnde japsende, gurgelnde Laute, einmal hatte ich schon die Tür in der Hand um sie zu retten, aber dann ging es schon wieder auf einem gleichmäßig hohen Dezibel-Säge-Level weiter. Eine unfassbare Geräuschkulisse. Mir tut das ja leid, ich weiß, da kann keiner was dafür, aber dass sie mir am Vortag noch aktiv angeboten hatte die kommenden Nächte das Zimmer zu teilen um (sich) ein bisschen Geld zu sparen, nachdem ihre Freundin ja morgen abreist, also das ärgert mich nun doch. Was soll ich 10 Euro weniger bezahlen, wenn ich dann kein Auge zu tun kann?


Hier in der Schule hätte ich ins Erdgeschoss ziehen können, in das große muffige Stockbettzimmer, aber das ging gar nicht.



Ich hab nämlich im Erdgeschoss die ganze Zeit Schritte gehört. Da wir von innen abgesperrt hatten, die Fenster vergittert sind UND wir sie zusätzlich geschlossen hatten gibt es nur eine plausible Erklärung: Es spukt halt tatsächlich dort. Das wir mir ja schon am Vorabend klar. Ein Poltergeist. Ein unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommener Schuldirektor. Was weiß ich. ES WAR SO GRUSELIG!!!! Und trotz aller Dezibel-Belästigung und der damit verbundenen Schlaflosigkeit war ich so so froh, dass die beiden da waren und ich nicht allein in diesem Spukschule schlief. Bzw. eben nicht schlief.


Nachts ist die ältere irgendwann durch mein Zimmer getrampelt um ins Bad zu gehen, leuchtete mir mit maximalem Stirnlampenstrahl ins Gesicht. "oh, hab ich dich geweckt?" "Ne, hab eh nicht geschlafen. Hörst du das auch?" hab ich von meinem Bett aus gewimmert. "Da unten sind die ganze Zeit Schritte! Da geht jemand auf und ab, die ganze Zeit!"

"So ein Quatsch" schimpft sie mich und stampft nach unten. Es hat auch Vorteile, resolute, furchtlose Menschen um sich zu haben. Wir haben hier zwei Bäder, eins im Zwischengeschoß und eins ganz unten. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen findet sie das untere "schöner". Dahin höre ich sie auch jetzt stapfen. Wenn da jemand ist, kriegt er eh gleich eins von ihr auf die Nuss...Kurz drauf stapft sie wieder zurück. "Und, war da jemand?" flüstere ich zitternd. Sie gibt keine Antwort. Sie hat 40 Jahre Berufserfahrung darin, dumme Fragen zu ignorieren. Vielleicht stand sie aber auch unter Schock. Weil sie eben doch einen Poltergeist gesehen hatte?


Aber irgendwann ist auch diese Nacht rum. Mit wenig Schlaf sitze ich beim Frühstück, beim Zahlen finde ich 65 Euro für ein stromloses Schlaflager in einer Gespenster-Haus-Küche ohne Warmwasser jetzt dann doch auch zum ersten Mal "zu viel". Ja das Essen war großartig, aber das ist jetzt echt drüber.


Ich will erneut möglichst früh los um ein großes Stück Weg schon zu haben, bevor die Sonne so hoch steht. Ich brauche dringend bald Netz und hoffe, oben am Berg gibt es wieder eins. Ich stehe unter Strom, auch wenn es nachts keinen gab, ich muss dringend bei der morgigen Unterkunft anrufen, und sicherstellen, dass sie mich nicht mit der Lehrerin in ein Zimmer stecken, wie sie es für uns beide reserviert hatte. Ich brauche ein eigenes. Das ist nicht verhandelbar. Da es im Nebenort, wo wir eigentlich hin wollten, seit Wochen gar kein Zimmer mehr gibt, beunruhigt mich das nun doch. Hoffentlich gibt es in dem anderen Ort noch ein alleinstehendes Bett..


Die beiden Schnarchmonster gehen ne Stunde nach mir los und holen mich natürlich trotzdem bald ein. Wir stapfen eine Weile gemeinsam fast hoch bis zum Monte Arzola, dann sind sie plötzlich weit vor mir und dann weg. Ich laufe allein über einen Gratrücken zu einem „namenlosen Pass“. Ich nenne ihn Katharina-Pass. Jetzt hat er einen.








Da kommt die versprochene „adrette Hütte des Nationalparks.“

Spaghettieis und Radler erwarte ich ja schon lange nicht mehr, aber einen Wasserhahn und einen Spiegel zum Frisur richten, das war so angekündigt.



Und dann? Da ist ein Zaun drumrum mit dickem Schloss dran. Der Besitzer möchte wohl nicht mehr, dass man in seinen Spiegel guckt und sein Wasser zapft. Was echt unglücklich ist, da es als offizielle Wasser-Stelle in der Karte eingetragen ist. Ich bemühe mich wirklich die Grenzen von Menschen zu respektieren, aber diese hier, das geht nun einfach nicht. Er hat den Zaum an einem großen Stein entlang gebaut, wo sogar jemand so Körper-unkonditioniertes wie ich leicht drüber komme… Mein erster Einbruch auf dieser Tour…



Ich glühe total und das kalte Wasser tut so so gut. Alle Flaschen aufgefüllt, T-Shirt und Buff eingetaucht und so geht es dann wieder für eine Weile. In den Spiegel will man gar nicht gucken.

Aber das Panorama ist grandios also mache ich hier im Mini-Schatten der Hüttenwand eine Pause, mein Rucksack wartet draußen, falls ich schnell flüchten müsste. Er genießt ebenfalls den Blick.

Und: da ist sogar Handy-Netz.

Bei der heutigen Unterkunft anrufen macht keinen Sinn, das ist ein Posto Tappa, da gibt es wohl nur Gemeinschaftsräume, das muss ich vor Ort versuchen zu klären und übe schon den ganzen Tag die benötigten Vokabeln. Aber das morgen ist ein Hotel, wir brauchen 2 Zimmer für 2 Personen, nicht ein Zimmer für 2. DRINGEND, so erkläre ich in holprigen Italienisch dem Herrn am Telefon. „No Problemo!“ sagt er, zwei Zimmer, si. Oh mein Gott, das ist großartig. Mir fällt ein Stein vom Herzen.


Zehn Kilo leichter und gut erholt gehe ich weiter, die meisten Höhenmeter sind geschafft, man sieht bald die große Staumauer, über die es keinen Weg oben drüber gibt, man muss ganz runter und auf der anderen Seite wieder hoch.





Es ist durchaus beeindruckend da entlang zu spazieren. Dort picknicken auch grad die zwei Lehrerinnen. „Wart ihr gar nicht so weit vor mir?“ Rufe ich ihnen zu. „Doch, doch, wir sitzen hier schon EWIG!“ Hmpf… Na jetzt mache ich hier ewig Pause und übernehme ihren Panoramaplatz. Leider gibt es keine Badeleiter.


Der Abstieg ist steil und in dem Wunsch Zeit zu sparen folge ich einem alten Diretissima Mulipfad, aber das war eine doofe Idee, ich brauche deutlich länger und muss alles zurückgehen um dann doch den regulären Weg zu gehen. Der Weg endet im Nichts und von dort geht es senkrecht runter. Es ist die Route, die auch von den GPS-Koordinaten angezeigt wird, also Info an alle die da nach mir gehen, ignoriert diese und haltet euch an die Beschilderung. (Das ist in Italien nicht immer eine gute Empfehlung, an diesem Tag unbedingt…)


Am Ende geht durch einen seltsamen Grusel-unheimlich-Wald an Wellblechhütten vorbei in den Ort, was für diesen grandiosen Tag ein so überhaupt nicht angemessenes Ende ist.


Netz gibts plötzlich auch wieder, eine sms des Mannes geht ein, ob ich schon da sei? Ich schicke ein Bils vom ersten Eindruck des Ortes, er schreibt zurück, das sei ja praktisch mit den vielen Mülltonnen, falls ich was zum wegwerfen hätte…



Hier im Ort gibt es wohl einen Dorfältesten. Den nennen sie hier so. Weil er der Älteste ist (unter vielen sehr alten Leuten). Der meinte heute Nachmittag auf der Terrasse der Trattoria, in der wir untergebracht sind, er kann sich nicht erinnern, dass es jemals so heiß hier war. Wie verrückt es doch sei, da auch noch zu wandern? Diese Geschichte wurde mir nur mündlich überliefert, aus zweiter Hand. Ich war zu der Zeit noch mit langen Staudamm-rumliege-Pausen und dem Abstieg über nicht vorhandene Mulipfade beschäftigt.


Die zwei Lehrerinnen waren natürlich schon lange vor mir unten, ein Lemon Soda nach dem anderen in diesem erneut wirklich eher seltsamen Ort auf der Terrasse sitzend schlürfend. Als ich ankomme winken sie. "Und? wie schlimm isses?" frage ich. Beide zucken resigniert die Schultern. "Schau es dir einfach selbst an." sagt die Jüngere. Das klingt nicht nach Gartenchalet mit Infinity Pool. Ich hab eh nur ein Ziel: NICHT mit den beiden ins Zimmer, koste es was es wolle. Dieses Gespräch habe ich heute den ganzen Nachmittag beim wandern geübt. Ich werde nicht meckern, wenn es nicht ganz so schick ist, aber ich will ein eigenes Zimmer. Mit dicken Wänden!


Der Weg zu unseren Zimmern ist etwas bizarr, ich erschrecke kurz, als mich der Wirt geradewegs zur Garage führt…



Aber dann schiebt er doch das Scheunentor auf und führt mich eine Betontreppe hinunter. Für die Stimmung hat er bunte Lampions ans Geländer montiert.





Geht es in den Keller? Nein, wir kommen auf einer Veranda raus. Das ist doch ganz hübsch. Es gibt einen Garten, zur Not schlafe ich da!


Wenn man nur tief genug gefallen ist, die Basis niedrig genug gelegt wurde, dann ist es plötzlich großartig, dass es Strom und Licht gibt und eine Steckdosenleiste, wo man alle Geräte laden kann.



Und heißes Wasser in diesem sehr einfachen Bad, aber der Strahl ist so ungewöhnlich stark, das Wasser sofort heiß, die Muskeln werden später jubeln…


Er öffnet eine der Türen. „Da Bitteschön.“

Oh nein, da stehen schon zwei Rucksäcke drin…

„äh, gehören die den beiden Damen die oben auf der Terasse sitzen?“ Eine ziemlich dumme Frage, außer uns ist sonst niemand hier. „Si“ bestätigt er. „Si“ bedeutet ja.


Nun kann ich zeigen, was ich heute den ganzen Tag geübt habe. „Das geht leider wirklich gar nicht“ höre ich mich in der höflichsten Höflichkeitsform sagen. Der Wirt guckt mich überrascht an. Ich erkläre wie wichtig ausreichend Schlaf ist, und wie gefährlich es gerade in den Bergen sein kann, davon zu wenig zu haben. Dass ich unmöglich noch eine Nacht mit diesen Schnarchmonstern verbringen kann. Ich biete an gerne da unten neben den Tonnen zu schlafen, das ist ja sogar überdacht. Weiter hinten ist noch ein Geräteschuppen, wo Anhänger stehen. Das ginge doch auch? Oder oben die Garage, hinter seinem Auto? Egal, aber nicht in DIESEM Zimmer.


Irgendein Teil meiner Argumentationskette scheint ihn zu überzeugen. Er lacht plötzlich laut auf, zückt seinen Schlüsselbund und…


….sperrt ein weiteres Zimmer auf. Oh mein Gott!!! Mein sehnlichster Wunsch an diesen Tag geht somit in Erfüllung.


Jetzt ist alles gut.


Das Abendessen ist grandios, wir kriegen erstmal ne Flasche Rotwein ungefragt hingestellt und es gibt als eine der ganz wenigen Locations hier auf der Tour einfach mal Salate und Gemüse in lauter leckeren Varianten aus dem eigenen Garten. Die Wirtin ist Wanderführerin im Gran Paradio, sie hat Tipps für einen Tagesausflug, und sie weiß auch, dass unsere morgige Etappe weitestgehend gesperrt ist, wir müssten an der Strasse laufen. Oder wir nehmen den Bus, sie kann uns um 7:45 zur Bushaltestelle fahren. Das ist schnell entschieden.


Und - ich schlafe so so so gut und tief.

6 Kommentare

6 Comments


Katharina Ehrhardt
Katharina Ehrhardt
Jul 16

Übernimmst du den wieder den Fanclub Vorsitz Posten (mit dem du dich quasi selbst verwaltest 😂)

Danke fürs warten und stete erinnern!

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Katharina
Jul 18
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Das ist sehr seltsam… Aber ich verstehe vieles hier nicht…

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Guest
Jul 14

So schaut‘s aus!! Was hab ich mich gefreut als das Update kam und gleichzeitig bin ich erschrocken Tag 28??? Hab ich 27 verpasst?? Aber nein, alles gut - auf ein Neues in 2024! Viele tolle Erlebnisse wünsche ich dir - ich freu mich drauf und: bleib gesund!! Liebe Grüße Kerstin

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Katharina Ehrhardt
Katharina Ehrhardt
Jul 16
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Ihr bekommt Updates wenn ich was neues schreibe?? Das ist ja toll! Bin gerade mit Teil 2 gestartet und es ist schon wieder so traumhaft schön! Toll, dass du wieder mitliest! Katharina

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Guest
Jul 14

Danke! Danke! Danke!🙏


Viel Glück 🍀 für die nächsten Tage/Wochen. Ich denke ich schreibe für viele hier, wenn ich sage, dass ich/wir wieder voll dabei sind…..mittendrin geht ja leider nicht!


Ich drücke dich 😍 Sabine

Edited
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