Tag 3 Brü-Bri-Tour: Zugspitzbesteigung
- Katharina Ehrhardt
- 24. Juli
- 9 Min. Lesezeit
Montag, 14.07.25

Knorrhütte - Zugspitze - Knorrhütte
Hm 940 hoch; 640 runter (ups, da hat wohl wer gemogelt…), km 9,5
Unterwegs von 7:00 (!) - 15:30, reine Gehzeit 4,5 h
Höchster Punkt: ZUGSPITZE 2.962 m
Kosten: Knorrhütte 30 € Lager m. Frühstück. Duschen 4€
Man wird den 5 Menschen ähnlich, mit denen man sich am meisten umgibt, so heißt es. Ein Aufruf, sein Umfeld genau zu wählen. Was soll ich sagen, es stimmt!
Ich bin seit einem halben Jahr im Bergbüro zum einen umgeben von einer SEHR schnellen Bergläuferin (der zweitschnellsten der Welt!) und ihr habt gelesen was gestern passiert ist. Plötzlich bin ich hier „die Schnelle Frau“ am Berg, die als Zweitschnellste im Basecamp ankommt. Das ist vorher noch nie passiert. Niemals. Zum anderen bin ich im schönsten Haus umgeben von sehr (sehr!) früh aufstehenden Menschen. Die stehen oft auf, da bin ich grad erst ins Bett gegangen. Und jetzt guckt mal: Das nachfolgende Foto ist um 5:50 Uhr entstanden. Von mir! Ich war einfach wach! Wach. Vor 9 Uhr. verrückt.


Nachdem ich um 5:50 Uhr den Tag begrüßt und die Schönheit des Morgens eingeatmet habe, bemerke ich überrascht zwei Dinge: Wie warm und gänzlich windstill es gerade ist. Und, dass ich tatsächlich ein bisschen aufgeregt bin. Das habe ich sonst nie vor einer Wanderetappe.
Zugspitze, ich komme!
Ab 6 Uhr kommen ein paar weitere frühe Vögel zum Staunen auf die Terrasse. Unter ihnen der dänische Mont Blanc Besteiger samt Sohn. Der Papa wirkt ebenfalls aufgekratzt und im Positiven Sinne aufgeregt, der Sohn… weniger…“Der Tag gestern war so anstrengend.“ jammert er. „Na komm, die 900 hm schaffen wir heute doch auch noch!“ versuche ich mich an jugendlicher Morgen-Motivation. Es funktioniert nicht. Stattdessen bekommt der junge Mann einen Nervenzusammenbruch: “900 meters??? Hoch?? Echt jetzt? Oh Gott, wie schrecklich.“ dann schimpft er auf Dänisch auf seinen Papa ein.
Der Papa relativiert später noch seine 6 Mont Blanc Besteigungen. Eigentlich war er nur drei mal oben. Aber sechsmal hatte er es versucht. Dreimal mussten sie abbrechen. Das wird heute nicht passieren, bestärke ich ihn.
Frühstück gibt es ab 6:30 Uhr, keine Sekunde früher. Ab 6:15 Uhr sammelt sich eine größer werdende Traube vor dem verschlossenen Gastraum. Eine Tür härter als vorm P1. Niemand kommt rein. Sie öffnet sich exakt um 6:30. Ich setze mich zu meinen Zimmer-Franken, sie sehen etwas lädiert aus. „Der Mike hat so geschnarcht!“ jammert einer. „Es war so kalt!“ sagt ein anderer. „Warum hast du das Fenster nicht zugemacht?“ frage ich „Weil ihr am Abend alle gesagt hat, ich soll’s auflassen. Es war so kalt.“ Ich habe Sorge, er weint gleich. Der Coach in mir hat Sommerpausel, ich will heute keine weinenden Männer aufbauen. Dem Vierten sind gestern noch beide Sohlen komplett abgegangen. Er hat sie mit Draht und Tape geklebt und will damit auf jeden Fall losgehen.
Ich habe überwiegend ganz gut geschlafen, mal ein bisschen gefroren, Jacke angezogen, besser. Es gibt auf der Knorrhütte nur eine Decke pro Bett. Normal liegt irgendwo ein Stapel Zusatzdecken im Gang, als ich gestern danach gefragt habe hieß es „gibts nicht“ aber bei uns im Zimmer seinen 2 Betten umbesetzt, da kann ich doch eine übrige nehmen. Ich hatte also zwei und das war dringend nötig. Es kamen dann am Abend noch 3 mal Leute rein, die nach dem „unbenutzten Bett und der übrigen Decke gefragt haben.“ Ja das geht halt nur zweimal, nicht viermal.
Es gibt huettenfrühstück, 2 Scheiben Brot, Käse, Wurst, Marmelade. Alles für jeden schon auf dem Teller drapiert. Kinder bekommen noch ein Nutella. Erwachsene nicht. Voll fies. Ich überlege den dänischen Sohn, der motzig in der Ecke sitzt, als meinen auszugeben, aber das wäre ja geschwindelt. Und als Kind geht er eigentlich auch nicht mehr durch, also rein optisch. Vom Verhalten durchaus 😂.
Um 7 Uhr stehe ich auf dem Weg, los gehts. Es soll ab 11 Uhr regnen, ein deutlicher Wetterumschwung steht an, wenn man dann oben wäre wäre das ja gut. 3 h sind angeschrieben. Runter kann man ja zur Not ein Stück mit der Gondel, meine Topsnow Card, mit der ich auch im Sommer durch die Zugspitzberge Gondeln kann, hab ich natürlich dabei.
Es sind mit Sicherheit ein paar Sonnenaufgangs-ohne Frühstück-losgeher vor mir, aber aus der Frühstücksfraktion bin ich tatsächlich die erste, die losgeht. Ich habe leichtes Gepäck, ich komme ja später wieder hierher und habe alles Überflüssige am Bett gelassen.




Es geht leicht, die Wege schön, Blick in alle Richtungen. Nach 1,5 Stunden ist das sonnalpin erreicht. Hier könnte man jetzt ein zweites Frühstück zu sich nehmen. Oder die Gondel. Aber nein. Eine Familie, mit der ich immer wieder ein bisschen gemeinsam gelaufen bin, entscheidet ihre Kinder in die Gondel zu stecken. Dem kleinen ist schwindlig und schlecht, er hat sich aber echt gut geschlagen, er ist höchstens 10.
Zwei fränkischen Weltschmerz-Damen, die sich gestern am Nebentisch viele Sorgen über den Zustand unseres Landes gemacht haben, kommen auch dazu. Eine der beiden hat großen Respekt vor dem steilen Geröllfeld, dass es jetzt zu erklimmen gilt. „Man darf auf keinen Fall im Schuttkar stehen bleiben“ ermahnt sie alle Umstehenden, „sonst rutscht man ab und alles war umsonst.“ Vorher machen wir erst noch ein FotoShooting, jeder fotografiert jeden. Eigentlich sind sie ganz nett.

Ich werde auf jeden Fall stehen bleiben. Oft. Anders komme ich da sonst nicht rauf. Nun ja, los geht’s. Zwei Schritte vor, einer zurück. Das ist jetzt doch ein bisschen… anstrengend. Weg gibts keinen. Ich fühle mich verantwortlich den besten Weg zu finden weil, sich plötzlich alle an mir orientieren. Das Wetter hält noch, aber es zieht zu, es wird plötzlich saukalt, Nebel zieht auf. Gott, das ist jetzt schon ein bisschen anstrengend. Ich halte es für ausgeschlossen, dass man diesen Weg auch wieder runter gehen kann. Wie soll das gehen??

Als es grad sehr hart geht, und ich anfangen will zu schimpfen, liegt plötzlich ein Herz Stein direkt vor mir.

Irgendwann ist der sandige Teil geschafft - da tauchen plötzlich Fels und Seil vor mir im Nebel auf.
Ah, jetzt ist klettern dran, das ist viel besser. Der Nebel hat die Felsen schon ganz schön rutschig gemacht, aber man hält sich halt fest. ich bin grad sehr froh um das zusätzliche Paar Handschuhe, das mir der Mann noch ins Gepäck gemogelt hat, so geht viel besser an diesem eiskalten Fels.


Oben am Grat sieht man leider wirklich gar nichts. Es zieht sich echt noch ne Weile, wird immer kälter, und jetzt: Regen. Leicht, mittel, stärker. Die fränkische Jugendgruppe (die mit Frauen) überholt, wie gestern schon. „Meine“ fränkische Herren-Fraktion war nie wieder gesehen. Mit geklebtem Schuhen hier rauf finde ich in der Tat eine suboptimale Idee…
Plötzlich ist die Gipfelstation erreicht! Ich suche eine Weile wo es jetzt zum Gipfel geht, man muss ne Treppe runtergehen? Rolltreppe zum Gipfelkreuz? Leider nein 😂wobei, es gibt ja neuerdings zwei Gipfelkreuze, zu dem einem kommt man tatsächlich trocken per Aufzug. Das schau ich mir dann auf jeden Fall auch noch an, es steht erst seit ein paar Wochen. Ein zweites Kreuz, trocken und mit jedem Schuhwerk absturzsicher erreichbar. Die Meinungen darüber gehen… auseinander.

Kann das sein? Oben am Kreuz stehen nur wenige Leute, sie machen sich grad auf den Rückweg. Sie sichern sich beim Abstieg, was ewig dauert und in meinem Augen keinerlei Mehrwert bietet, ob mit oder ohne Sicherung man würde jeweils bei einem Sturz gleich weit fallen. Aber gut, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Und irgendwann sind alle unten.

Es klackt noch zwei letzte Male, dann ist der letzte abgesichert. Ah, Stop, da kommen noch mal zwei von oben um die Kurve gebogen, ohne Sicherung:
Der dänische Mont blanc Besteiger mit Sohn, er klatscht mich ab, Geschafft! Congrats! Er freut sich riesig, strahlt über das ganze Gesicht, ist soo stolz und happy. Ist das eine Träne? Sein Sohn wirkt weniger emotional beteiligt. Jugendliche halt. Ich hoffe er versteht in ein paar Jahren, was für eine coole Aktion sein Papa da für und mit ihm auf die Beine gestellt hat.
So jetzt aber ich, es regnet recht arg, was die gerade ankommenden Gondelfahrer dazu bewegt, gleich wieder zurück ins Haus zu gehen... 3 grad sagte die Anzeige am Gondelhaus. In ein paar Schritten ist man oben, eine steile Leiter, die jetzt grad doch sehr eiskalt und rutschig ist. Und noch einmal um die Kurve.

Das gibt’s nicht, ich bin wirklich alleine. Auf dem (Original-)Gipfelkreuz der Zugspitze. Zu Fuß. Ich! Das goldene Kreuz über mir. Ein paar Tränen fließen, es ist ein magischer Moment obwohl ich objektiv gesehen eigentlich nur im Starkregen auf einem Felsen im Nebel sitze. 7 Minuten lang. Ich bin überrascht, wie sehr mich das berührt, trotz keinerlei Fernsicht. Aber die kenne ich ja schon vom Skifahren.

Magie vorbei - ein österreichischer influenzer biegt plötzlich um die Ecke, selfiestick vor sich (gibt es die Dinger immer noch?) plappert er lautstark in seine Kamera „Ja Servus, i bins von da zugspitz, des is Deutschland högschter Berg, 2.962 m, für die 3000 hots net glangt, mei i sogs eich, i bin narrisch glücklich!“ seufz. Ein kleine Erinnerung, wie besonders und selten diese 7 Minuten gerade waren. So ist es hier wohl immer.
Aber was soll’s - ich hatte auch den Mann kurz angerufen. Leben und leben lassen.
5 min später bin ich wieder unten und biege in ein sehr volles Münchner Haus, da war ich noch nie. Ich esse einen Knödel mit Sauerkraut aber es ist so voll und laut und alle sind nass. Heute wäre es echt in dem SB Restaurant gemütlicher gewesen, da ist fast niemand wie ich später sehe, es ist warm und hell und luftig. Jetzt suche ich aber erst noch das die Bevölkerung spaltende Foto-Gipfelkreuz.

Ah dort, gleich bei den Toiletten.
Nun ja. Ich kann die Stimmen verstehen, die da sagen, ein GIPFELkreuz steht schon dem Namen nach auf einem Gipfel, nicht im Showroom der Gondelstation vorm Damen-Klo.
Immerhin ist das Wetter dort besser.
Entscheidet selbst.
Ich würde sagen, einen Streit isses nicht wert. Es tut ja keinem was. Und wenn es nur ein Leben rettet, nur einer der nicht abstürzt da drüben bei dem anderen, dann muss ich mich nicht aufregen. Aber das darf jeder selbst entscheiden.
Ich finde, es gibt Wichtigeres.
So, was mach ich denn jetzt? Es gießt aus Kübeln und meine top Snow Jahreskarte soll sich schließlich lohnen. Ich dachte mir beim Aufstieg schon, dass das doch technisch gar nicht geht da RUNTER. Wäre es aufgerissen hätt ich’s probiert um diesmal ein bisschen Blick vom Grat zu erwischen. Aber so ist’s echt ein Krampf. Ich gondel zum sonnalpin runter, wo ich mich zwei Stunden verstecke und viel Kaffee trinke, bis es aufhört zu regnen. Dann laufe ich zum Knorrhütte zurück, das geht schnell. In einer Stunde bin ich unten.


Abends sitze ich erst inmitten einer jugendlichen Schulklasse (puh), es ist wieder so so so voll. Dann quetschen sie noch ein Pärchen zwischen uns. (Die, wie ich erst später erfahren werde, kein Pärchen sind) Und das ist großartig! Es sind nämlich die ersten Weitwanderer, die ich hier zwischen all diesen fränkischen Tages-Ausflüglern treffe. Zumindest sie. Sie läuft auch nach Brixen. Zwar nicht auf der original BrüBri Tour (aber die kennt ja auch außer mir noch niemand) aber mal die nächsten Tage sehr ähnlich. Ihr Freund muss morgen zurück ins Büro. Haha, wie bei uns. Und ihr Excelsheet, dass sie neben meins legt, sieht schon layouttechnisch wirklich sehr gleich aus. Wie schön.
Hier ist es übrigens. Falls jemand in der Gegend ist, wir kommen Anfang August planmäßig in Brixen (Südtirol) an - jedes Jahr erzählt mir jemand HINTERHER, das er, sie irgendwo ganz in der Nähe war und man sich hätte treffen können... (Die Etappen-Nummern beziehen sich auf die Rother Etappen des Garmisch - Brixen Führers)

Am Tisch geht es mal wieder um dieses depperte zweite Gipfelkreuz. „Aber die Idee ist doch gar nicht so schlecht“ mildert meine neue Sitznachbarin die hitzige Kreuz-Diskussion am Tisch ab. „Es tut keinem weh, es rettet möglicherweise Leben, es schafft schöne Erinnerungen für Fotoalbum für Menschen, die um die halbe Welt gereist sind um einmal auf dem höchsten Berg Deutschlands zu stehen. Und für die „echten“ Bergsteiger ist mehr Platz drüben am echten Kreuz und viel weniger los. Das ist doch eine win-win-Situation für alle“ argumentiert sie. Ich mag sie sofort. Sie heißt Julia.
Sie geht morgen auf die Zugspitze, auf der Coburger Hütte werden wir uns wieder treffen, weil ich da zwei Tage eingeplant habe. Eine Freundin kommt, die Jele. Wir machen einen Bade-Pausentag dort, so der Plan, dann läuft sie ein oder zwei Tage mit.
Jetzt war ich also auch mal zu Fuß auf dem höchsten Berg unseres Landes. Meine berglaufende Nachbarin hatte dort mit ihrem Freund ihr erstes Date. Sie haben sich am Parkplatz unten getroffen und sind in einem Tag (!) da hoch und wieder runter. Jetzt sind sie seit einem halben Jahr zusammen. Als ich diese Geschichte das erste Mal hörte, hat mich eine große Welle der Erleichterung durchflutet, dass ich mich heutzutage auf diesem Heiratsmarkt nicht mehr behaupten muss - ich hätte ja GAR KEINE Chance. In einem Tag da rauf und runter?? Verrückt. Und dabei noch irgendwie attraktiv aussehen? Sich unterhalten?? Nicht umsetzbar.
Andererseits wird das Verhalten dieser jungen Leute forschungsseitig durchaus gestützt: Eine Studie hat gezeigt, dass wenn das erste Date an einen „aufregenden Ort“ verlegt wird, auch der potentielle Partner als deutlich aufregender und attraktiver wahrgenommen wird. Lieber Hängebrücke als Hängematte als Ort fürs erste Date, war das Fazit der Studie. Lieber Gipfelkreuz als Gaststätte.
Der Mann und ich, wir hatten unser erstes Date vor 23 Jahren im Alten Simpl in Schwabing.
Damals ging das noch.
Heute? Undenkbar.
Jaaa ❤️
Wer bist du? Ihr müsst euren Namen dazu schreiben oder euch anmelden. Dann freu ich mich noch mehr ☺️ Liebe Grüße an unbekannt!
liebe alle beiträge. wann kommt der rest :)
grüße aus dem headquater
Liebe Katharina, eine tolle Strecke hast du dir da für diesen Sommer ausgesucht! Glückwunsch zur Zugspitze 👏👏👏
Wir sind gestern per Bahn von München bis Ivrea gereist.
Heute wollten wir wieder in die GTA in Traversella einsteigen und bis Fondo gehen. Nix wars, kein Bus am Sonntag.
Egal, wir lassen es ruhig angehen und starten einfach morgen. Tut uns auch ganz gut. Hilfreich werden uns sicher deine Beschreibungen begleiten 🤗
Liebe Grüße
Bettina und Werner (die mit dem verknacksten Fuß 2023)
Ahhh!! Wie freu ich mich, dass du dieses Jahr auch wieder läufst und uns teilhaben lässt!!! Danke für deine so tollen Erlebnisberichte - ich freu mich jeden Tag darauf und hab beim Lesen immer ein Grinsen im Gesicht. Gesundes und glückliches Weitwandern 2025 für dich!!
Wau, der Blick am Morgen ist wunderschön!