Ich werde von Kirchenglockengebimmel aus dem Bett geworfen. Augen auf beim Standort! Direkt gegenüber einem Kloster kann das wohl passieren. Der Himmel ist heute nicht bayrisch weiß blau sondern eher so griechisch krachblau. Ohne auch nur ein Wölckchen. Ich habe in meinem überdimensionierten Tanzsaal – Zimmer so unglaublich gut und tief geschlafen aber wer hat mein Zeug überall verstreut? Ich suche ewig den zweiten Akku von meiner Action Cam (ja ich hab jetzt auch so ein Teil von dem ich seit nem halben Jahr sag es sei doch affig ;-)). Ich finde ihn UNTER der aufgeschlagenen Landkarte…Ich wusste, dass diese „Karten“ von denen jeder behauptet man bräuchte sowas zur abendlichen Routenplanung (die steht doch eh fest, was soll ich da planen?) nur Ärger machen würden.
Es gibt leckeres Frühstück, ich werde darauf hingewiesen dass ich mir gegenüber im Kloster noch einen Stempel in mein „Pilgerbuch“ geben lassen kann. Es erinnert spontan an die großartige Piefke-Saga, in der Herr Sattmann Junior seine genervte Familie auf alle Gipfel scheucht zum Einsammeln der Wanderstempel, die dann in eine goldene (oder für die Looser eben nur silberne…) Wandernadel beim Fremdenverkehrsamt eingetauscht werden können. Ich wüsste gar nicht wo ich den Stempel hinmachen sollte, mein Reise-Tagebuch ist in meinem IPad drin… Die Tücken der Digitalisierung.
Ich sitz noch ein bisschen in meinem Sonnenfenster rum, versuche die vielen verstreuten Sachen wieder einzusammeln, packe ewig an meinem Rucksack, stelle fest er wird nicht leichter nur weil man die Dinge in neu entdeckte Seitentaschen packt, esse diese ultra-schwere Birne auf (wirklich, die hat mindesten ein Kilo gewogen.) Der Rucksack bleibt schwer. Ich mache wieder den Wasser-Trick und nehme nur einen halben Liter mit. Für die Bergetappen, wo nicht an jeder Ecke ein Biergarten, Kiosk oder Eisdiele steht brauche ich dann wohl eine andere Lösung. Für heute geht das nochmal so.
Und kaum ist es 10:45 Uhr hält mich nichts mehr und ich laufe los 🙂 Immerhin eine halbe Stunde früher als gestern. Die Wirtin ist so unglaublich nett, wünscht mir zum 23.sten Mal alles Gute, ich habe das Bedürfnis ihr nochmal sagen wie unglaublich gut sie dort kochen. Das war ein wirklich schöner erster Stop da im Klosterbräu.
Seltsamerweise kann ich den Rucksack zwar kaum hochheben, am Rücken spüre ich ihn fast gar nicht. (Spoiler: das wird sich im Laufe des Tages ändern….) ich komme die ersten zwei Stunden langsam vorwärts weil ich ständig Fotos machen und in die Landschaft schauen muss. Ganz hinten kann man die Berge erahnen! Da muss ich irgendwie hin…
Heute gilt es die gestern „vergessenen“ 11 km bis Wolfratshausen nachzuholen und dann statt Bad Tölz bis Geretsried zu gehen, immer munter die Isar bzw. diverse Kanäle entlang über das Ickinger Wehr, wieder so ca. 22 km. Plötzlich fällt mir eine Branchen-Kollegin ein, die in Wolfratshausen wohnt und möglicherweise im Homeoffice arbeitet? Ich schreib sie kurz an, eine halbe Stunde später sind wir für Mittags in der Eisdiele Wolfratshausen verabredet. Jetzt muss ich wenigstens mal hinnemachen!
Ich passiere die Fischzucht Auenmühle, da kam gestern mein Abendessen her! Hab ich schon gesagt, WIE gut dass war??? Und an einem von Blumen gesäumten Kanal geht es mit sehr direkter Sonneneinstrahlung ziemlich lange geradeaus, bis man irgendwann das Ickinger Wehr erreicht. Eine tricky Stelle an der schon viele München – Venedig Geher gescheitert sind und ratlose Bilder und Videos mit ihren coolen Action-Cams dort von sich posten. Aber ICH habe mich vorbereitet. Naja also eher mein Freund… der hat die ganzen auf Youtube kursierenden Videos zum Thema München Venedig angeguckt. Alle! Und er weiß um die Herausforderungen hier. An einem Wochenende, als wir zu Trainingszwecken dort gelaufen sind, lässt er mich mal suchen wie es hier wohl weiter geht. Und sagt mir netterweise gleich die Lösung… Man muss durch eine dort in der Landschaft stehende Stahltür gehen, auf der übrigens weit oben das ERSTE München-Venedig Zeichen meiner Tour thront! Hier einfach so die schwere Tür aufzumachen und durchzugehen fühlt sich ziemlich verboten an, es sieht so nach Trafo-Häusschen aus – führt aber durch einen langen Holzbrücken-Tunnel auf die andere Seite. Als ich dort mit meiner neuen coolen ActionCam Pro Hero Nummer irgendwas aus dem Tunnel komme und munter in die Kamera quatsche wie schwierig das jetzt war, guckt mich ein dort mit Rucksack stehender Rentner sehr verwundert an.
Er fragt wohin ich unterwegs bin, ich sag nach Venedig, er guckt entsetzt auf meine Trekkinsandalen „aber doch bitte nicht mit DIESEN Schuhen?“ Ich freue mich, dass er meine Kondition gar nicht in Frage zu stellen scheint. Ich versuche zu erklären, dass meine Bergschuhe morgen in Lenggries auf mich warten und ich die flachen 3 Isaretappen jetzt abwechselnd mit leichten Laufschuhen und Trekkingsandalen gehe und zu ermitteln welche als zweites Paar geeigneter sind (die Frage ist echt schwer und JEDER hat da ne ganz klare, leider komplett voneinander abweichende Meinung dazu..). Er wirkt irritiert, will aber die ganze Tour genau wissen, er kennt sich echt aus. . Als ich bei meiner Aufzählung im Karwendel ankomme und meine, die Birkarspitze werde ich wohl umgehen, stimmt er mir zu „Nein, die gehen Sie auf KEINEN Fall! Und schon GAR nicht mit DIESEN Schuhen!“ Seufz.
Ich schreibe eine SMS das es später wird mit der Eisdiele und lege jetzt mal einen Zahn zu, diesmal schattig am Ufer entlang, bis ich plötzlich vor dem finalen Grund stehe, die lange erste Originaletappe abgekürzt zu haben: Kurz vor Wolfratshausen geht es plötzlich nochmal 200 Höhenmeter rauf, steile Stufen, und das nachdem der Originaletappen-Geher dann bereits ca. 33 km in den Beinen hat. Das ist schon fies. Ich laufe hingegen leichtfüßig nach oben (haha) und komme fast pünktlich in der Eisdiele Roma in Wolfratshausen an.
Wo Julia Fasching schon wartet, eine der „Guten“ aus der Finanzbrache. Fachlich gut und menschlich. Sie ist Fondsmanagerin bei der Bayern Versicherung, (bzw. bei der Tochter) und macht fast denselben Job den ich bei W&W hatte. Ich freue mich total, dass das so spontan geklappt hat – wir tauschen uns über Märkte aus und darüber wie anstrengend es grad ist Fonds durch diese Chaos-Zeit zu navigieren. Ich habe den Eindruck, Jobtechnisch grad wirklich nichts zu verpassen. Ich esse eine Kugel Vanilleis mit Erdbeeren, die wirklich phantastisch schmeckt. Und trinke natürlich viel Wasser. Mein Bruder wird das später mit „Leben am Limit“ kommentieren. Ja genau so fühlt es sich an, er versteht mich einfach. 🙂
Endspurt Richtung Geretsried, Pension Isartal eher am Ende von Geretsried, was gut ist für morgen und somit eigentlich schlau gewählt war, aber die letzte Stunde wird der Rucksack plötzlich so unglaublich schwer und zerschmettert mir schier den Nacken. Und nochmal fast ne Stunde nur durch den Ort und ein ziemlich unspektakuläres Wohngebiet zu laufen nerven dann gegen Ende doch. Ich schau ständig aufs Handy um ja keinen Meter falsch und damit zu viel zu laufen, sehe dadurch die SMS von einem meiner (Ex-) Kollegen. Er habe meinen ersten Eintrag gelesen, ich möge doch künftig ein paar Kommas in meinen Rucksack packen, die wiegen doch schließlich nichts ;-)) (und alle anderen Ex-Kollegen wissen jetzt auch genau wer das war, lach…) Ich habe jetzt in diesen Artikel mal wahllos ein paar eingestreut…
Die Pension ist sehr freundlich, der Besitzer stellt mir einen Liegestuhl vors Haus damit ich noch ein bisschen in der Sonne sitzen kann, ich hol noch (leichtes) Obst und Wasser (hört, hört) beim Edeka um die Ecke, esse meine restliche Brotzeit von heute auf, schreibe, telefoniere und fotografiere den zweiten Muc-Venedig Reiseführer ab, vom Bruckmann Verlag, der zum Rother echt ne gute Ergänzung ist weil er an den Talorten auch ein bisschen beschreibt wo man mal waschen kann oder was es da zum Angucken gibt, wo sich Pausentage besonders lohnen. Das Wattens ein großartiges Freibad hat.
Die Pension ist im ersten Stock, im Erdgeschoss ist ein Nagel-und Pediküre-Studio…. Zwar ist Pediküre diesen Sommer tabu (Hornhaut verhindert Blasen) aber ein bisschen die Zehen bunt anmalen, eine Fussmassage und das Nagelbett Bergschuh-tauglich machen? Großartige Idee wie ich finde. Ich bekomme für morgen früh 8 Uhr einen Termin 🙂 Lacht nur, das ist schon ok.. 🙂
Ich wünsche euch einen schönen Abend. Ich fall jetzt gleich ins Bett, ich hab morgen früh schließlich einen wichtigen Termin.
p.s. Bilder gibts später bzw auf Facebook (nach „Traumpfad München Venedig Sommer 2020“ gucken. Das stürzt hier ständig ab und irgendwie hat es nur einen Teil der Bilder von Handy auf IPad automatisch übertragen, hab jetzt keine Lust mehr in dem schwachen WLAN zu gucken, woran das liegen könnte..
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