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Traumpfad München – Venedig Tag 29. Auf Winnetous Wegen ins schöne Belluno



Rifugio Sommeriva di Pramperet – Forno di Zoldo – von da mit Bus nach Belluno. Hm rauf 150, Hm runter 1.200, gelaufene km 12. Unterwegs von 8:00 Uhr – 15:30 Uhr, reine Laufzeit 3,5 Std. Wolken – Sonne Mix, Nachmittags starker Regen (da waren wir aber schon da!) Unterkunft Astor Suites


Ich habe so unfassbar gut und tief geschlafen, von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens. So richtig tief erholt stehe ich auf, wir hatten ein 8-er Stockbett Zimmer für uns allein, in dem die Temperatur nachts „ganz ok“ war. Als wir jetzt nach draußen treten, trifft uns fast der Schlag: Es ist schon wieder so unglaublich kalt! Ich gucke auf meinen hellroten Bauch und kann einfach nicht glauben, dass ich vor 3 Tagen im selben Wander-Gebiet nicht wusste, wie ich die Hitze dauerhaft aushalten soll. Ich ziehe (mal wieder) all meine Sachen an, auch die Regenhose. Später soll es eh regnen, bis dahin spendet sie noch ein bisschen Extra-Wärme. Wir lesen von Überschwemmungen in der Heimat, Hochwasser an der Isar, Erdrutsche in Berchtesgaden.


Obwohl die Hippies wohl die ganze Nachts gefeiert haben, steht Winnetou um kurz vor 7 da wie eine eins und macht Frühstück für die wenigen Gäste. Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Der Kaffee ist sehr gut, sonst gibt es, wie fast jeden Tag, Brot und Marmelade. Wir checken mit ihm nochmal das Wetter, er meint es könnte Vormittags halten, aber ab Mittag sind erneut starke Regenfälle gemeldet. Unsere eigentliche Tour zum Rifugio Bianchet wären 7-8 Std. Gehzeit, auf z.T. Schweren Wegen, stark ausgesetzt (was auch immer das dann im Einzelfall wieder heißt) und der Rother schreibt, man soll ihn bei anhaltendem Regen nicht gehen, die Wege würden dann zu gefährlich. Es hat seit gestern Nachmittag die ganze Nacht bis heute Morgen „anhaltend“ durchgeregnet, jetzt eine kurze Regenpause, aber bald geht es wieder los. Da wir die Schiara nicht gehen, müssen wir da nicht rüber, wir würden von der nächsten Unterkunft eh auch nur absteigen um von dort nach Belluno zu fahren. Das können wir auch von hier, auf deutlich leichteren, absturzsicheren Wegen. Und dann hätten wir einen Tag „gewonnen“ den wir doch noch als Pausentag in Belluno einlegen könnten. Nachdem wir die letzten Tage nachmittags jeweils so unglaublich erschöpft waren, ist das doch eine vernünftiger und guter Plan.


Um 8 Uhr gehen wir los, die Wiese vorm Haus ist so nass und mit Schlammlöchern durchsetzt. Hinter der Wiese treffen wir nochmal auf Winnetou, mit einem großen Rucksack am Rücken. Er zeigt uns den Indianer-Schleichweg nach Forno di Zoldo, jetzt müssen wir gar nicht wie gedacht erst wieder ein Stück aufsteigen zurück zur Weggabelung wo wir gestern abgebogen sind, sondern es geht gleich bergab. Perfekt. Der Tag verspricht ein Guter zu werden.  🙂


Nach einer Viertelstunde treffen wir ihn nochmal, diesmal ohne Rucksack. Er hat grad den Müll zur Materialseilbahn gebracht, jetzt läuft er schnell ins Tal, bringt den Müll weg und kauft ein. Liebe Kinder, deswegen soll man am Berg seinen eigenen Müll selbst wieder mitnehmen! Weil sonst Winnetou morgens NOCH mehr tragen muss. Er erzählt, dass eines der Mädels gestern Geburtstag hatte, es wurde spät. Der Mann meint lachend, er sei ja noch jung, da steckt man das gut weg. Er sei leider gar nicht mehr jung, erwidert Winnetou, sondern schon 40. Er winkt nochmal und ist weg. Wir gucken ihm eine Weile staunend nach. Falls sich je einer gefragt hat was „trittsicher“ in all den Wanderbeschreibungen genau bedeutet, hier kann man es sehr anschaulich beobachten. Er tänzelt in einem irre Tempo die steilen, nassen Steine und Wurzeln hinunter, ohne auch nur einmal zu wackeln oder zu rutschen, es ist unglaublich. Das einzige was nicht so recht ins Bild passen will, sind sind die Bergschuhe an seinen Füßen. Dann ist er im Wald verschwunden.



Es bleibt fast die ganze Zeit trocken, die Sonne kommt sogar raus und leuchtet so schön durch die Bäume hindurch. Der Weg ist wunderschön führt uns durch einen Zauberwald, viele moosbewachsene Steine, in denen man auch verwunschene Trolle vermuten könnte. Vom nächtlichen Regen sind überall dicke Wassertropfen übrig geblieben, die jetzt durch die Sonne in allen Farben schillern. Heute ist wieder alles leicht und unbeschwert, Schönheit überall, die Beine laufen von selbst. Geht ja auch nur runter. Wir passieren ein Agriturismo, gehen aber weiter. Es ist der letzte Tag, an dem ich die Dolomiten auf meiner Seite haben werde, das letzte Mal, dass sie meinen Wanderweg so nah begleiten. Von Belluno aus gibt es noch eine Bergetappe, auf den Col Visentin, den Hausberg der Belluneser. Dann liegen alle Berge hinter mir und Venedig und mich trennt „nur“ noch eine Woche Flachland-Etappe.


Gegen halb 12 ist die Weltstadt Forno di Zoldo erreicht. Wir wissen, der Bus geht um 14:30 Uhr, überprüfen das aber natürlich als gründliche Deutsche nochmal an der Dorf-Haltestelle. Dann „besichtigen“ wir den Ort, was in 2 Minuten erledigt ist. Zwischendrin meine ich, in einem kleinen Holz-Häuschen am Wegrand eine Bookexchange gefunden zu haben, schmeiße beim Überprüfen dieser Information aber nur den großen Geranienkasten runter, der auf der Fensterbank steht. Plötzlich habe ich ein Kilo Erde und Blumen im Arm. Der Mann, der weiterhin den Busplan studiert, guckt irritiert zu mir und dem Holzhäuschen und hört sehr lange nicht mehr auf zu lachen. Ich stopfe schnell die Blumen wieder zurück, man sieht fast keinen Unterschied zu vorher und zwischen dem linken und dem rechten Blumenkasten. *hüstel*.



Und dann der beste Teil des Tages: jetzt müssen wir fast 3 Stunden Zeit „totschlagen“. Auf dem „Marktplatz“ empfängt uns die Bar Centrale, eine Gelateria,  Bar und Pasticceria, sie scheint perfekt für dieses Vorhaben. Und da sitzen wir dann, es gibt Erdbeeren mit Schlagsahne und ich schreibe ein bisschen. Die Eisverkäuferin ist so nett und spricht sehr gut deutsch, ihr Onkel hat eine Eisdiele in Düsseldorf, wo sie früher im Sommer immer gearbeitet hat. Sie verkauft uns dann sogar noch das Busticket nach Belluno.



Der Bus kommt pünktlich mit dem Regen, der Busfahrer erkennt unser Eisdielen-Ticket für 3,80 Euro an und fährt uns in einer guten halben Stunde nach Belluno. Wir sehen oben am Berg den Wolken-Nebel-Mix und der Regen wird immer stärker. Alles richtig gemacht. In Belluno angekommen können wir schon in unser Hotel-Zimmer im Astor Suites, gleich am Marktplatz, mit einer so tollen Terrasse über Piave und mit Blick in die Berge. Unser Zimmer ist riesig, ebenfalls mit Fluss- und Bergblick. Im Bad steht eine große Flasche Bodylotion! Ich flippe aus! Das einzige was dieses Hotel als erstes und einziges auf meiner Tour NICHT leisten kann, ist innerhalb von 2 Übernachtungen unsere Wäsche zu waschen. Die meisten haben das von Abends bis zum nächsten Morgen geschafft, hier sind 2 Übernachtungen nicht ausreichend. Die Dame an der Rezeption ist aber super hilfsbereit und empfiehlt uns einen Waschsalon am Ende der Stadt.


Da wir Zeit haben, beschließen wir unseren Rucksack schon nochmal durchzuwaschen. Es geht ein Bus in diesen anderen Stadtteil aber nur einmal die Stunde, in 18 Minuten sind wir auch gelaufen sagt Google Maps. Das machen wir. Der Mann packt unsere ganze Wäsche in einen der sehr dünnen Müllsäcke, die ich noch dabei hatte. Die den Vorteil haben, sehr dünn und damit leicht zu sein. Der Nachteil? Sie sind sehr … durchsichtig. Ich bin nicht ganz zufrieden mit der Vorstellung, dass wir gleich 18 Minuten lang aussehen werden, als würden wir einen Sack Dreckwäsche durch das schöne Belluno tragen. Im Rucksack finde ich noch einen schwarzen, dicken Innsbrucker Müllbeutel, den mir mein Bruder in den Rucksack gemogelt hatte. Der ist wenigstens „blickdicht.“ Den nehmen wir! Der Mann wickelt noch ein Kletterseil drumrum (ich frage mich gerade, für was er das dabei hat??) und jetzt JETZT sehen wir aus, als würden wir eine Leiche durch die Stadt tragen. Das ist unauffällig. Und nicht so Assi, wie das mit der Wäsche und den dreckigen Socken.



Wir passieren die Randgebiete von Belluno, es geht hoch auf eine Anhöhe. Bald haben wir einen schönen Blick zurück auf die Altstadt. Wir fügen uns mit unserem Innsbrucker Leichensack perfekt in die Szenerie ein. Bald ist der Waschsalon Lava Wash erreicht und für 6 Euro dreht sich die Trommel bald meditativ vor uns.



Ein sehr junger Italiener mit seiner polnischen Freundin betritt den Salon und belegt ALLE anderen Maschinen. Er erzählt, er arbeitet hier in einem Hotel, das mit dem Corona sei nicht so leicht, aber aktuell haben sie halbe Belegung, damit sind die Kosten gedeckt, damit seien ja alle zufrieden. Ein Satz, der so in Deutschland selten fallen würde. Er lobt unsere Hotelwahl, das sei das tollste in Belluno. Sein Vater ist Handwerker und hätte die Duschkabinen dort eingebaut. Wir bestätigen, dass die Dusche phantastisch ist und auch gut funktioniert! Ich frage verwundert, ob er hier die Hotelwäsche wäscht? Er hört nicht auf Handtücher und Bettwäsche auf die Maschinen zu verteilen. Nein, nein, lacht er, das ist von seinem eigenen kleinen AirBnB was er aufgebaut hat. Er hat Stammkunden, die kommen jedes Jahr wieder, meistens Rentner. Die haben auch nicht so Angst vor Quarantäne, die sagen immer, na dann bleiben wir halt hier, wenn wir müssen. Er ist sehr jung und er klingt so positiv und optimistisch in diesem ganzen für Italien besonders schweren Umfeld. Venedig heute sei ein Traum, er sei kürzlich da gewesen. Es ist auch alles billiger, so 2-4 Euro meint er. Ich komme ins Grübeln, ich wollte doch einen dieser 12 Euro Espressi am Markusplatz trinken. Darauf spare ich schon das ganze Jahr! Sollte das etwa dieses Jahr nicht möglich sein???

Aber ich freue mich, und frage mich, ob es nicht noch viel mehr europäische Megastädte gibt, die man aktuell besuchen sollte? Also neben Venedig, Niedervintl und Forno di Zoldo?


Irgendwann ist unsere Wäsche sauber UND trocken, der Mann zieht sich im Schaufenster des Waschsalons seine nun saubere Trekkinhose an. Das macht man so, sagt er, das habe er mal in irgendeiner Werbung gesehen. Bestimmt war das der Coca Cola Mann.


Wir bringen alles zurück, trinken einen Spritz auf unserer unglaublichen Terrasse, gucken zu wie der bewölkte Himmel aufklart und gegen Abend noch blau wird. Dann schlendern wir durch die Stadt, finden – jenseits der Restaurants die wir schon als Empfehlungen im Auge hatten – ein ganz anderes, eine entzückende kleine Trattoria in einer Seitenstraße, wo wir draußen in einer kleinen Laube sitzen können. Es gibt WAS ANDERES als die ganze letzte Woche. Keine Pasta Bolognese und keine Polenta mit Käse, obwohl ich beides echt gern mag. Es gibt schwarzen Reis mit Gemüse, Gemüse wo die roten Paprika drin ganz süß und aromatisch sind, darauf ein großer schmelziger Burrata Käse. Pasta Carbonara nach Art des Hauses mit einem ganz feinen Speck drin. Wir sind schon so satt, beschließen aber uns noch ein Hauptgericht zu teilen, ein Rinderfilet mit Püree und Gemüse und Dolomiten-Trüffel. Der schönste Moment ist, wo die sehr nette Bedienung dem Mann einen komplett leeren weißen Teller vor die Nase stellt und meinte „Signore, Ihr Rinderfilet!“ Ich bekomme kurz drauf den Teller mit dem Essen gereicht. Hier entscheidet die Frau ob, was und wieviel sie abgibt. Ein tolles Land! Es schmeckt alles so wundervoll, ein bisschen Rotwein und ein geteilter Käsekuchen gehen dann auch noch gut.


Ach, eine kleine Randnotiz des heutigen Tages klopft gerade leise an, sie möchte noch erwähnt werden: Nun gut, geben wir ihr eine Zeile. Ich bin noch nicht in Venedig. Aber:

Ich habe die Alpen überquert. Zu Fuß…







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