Tag 13 Brü-Bri Tour: Unterhosen-Sherpa für Tom Cruise
- Katharina Ehrhardt
- 26. Aug.
- 8 Min. Lesezeit
Donnerstag, 24.07.25
Franz-Senn Hütte - Neue Regensburger Hütte
Hm rauf 606, Hm runter 470, km 8,8
Unterwegs von 7:45 - 13:15, reine Gehzeit ca. 5 h
Höchster Punkt: Schrimmenieder 2.714 m
Rother Garmisch-Brixen die halbe Etappe 7

Also die Daten klingen ja wirklich läppisch, jetzt wo ich das gerade schreibe. Trotzdem waren wir 5h unterwegs, die Schilder sagten 4h, der Rother 3:45h. Unsere berglaufende Nachbarin ist die Tage auch mal 5 h gelaufen. 5:11 h um genau zu sein (bei ihr wird das immer GANZ genau gemessen, das macht man im Profisport wohl so…ich glaub, damit man hinterher vergleichen kann, wer am schnellsten war…) Sie hat in diesen 5:11h eine äh, ganz ähnliche Distanz wie wir zurück gelegt: 45 km. 2900 Hm rauf. 2900 Hm runter. Sehr ähnlich 😂 Zweitschnellste Frau des Rennens (und ich glaube auch: der WELT!)
Johanna, du bist Irre! Das muss jetzt mal laut in diesem Internet gesagt werden. Der Mann hat mich kürzlich erst gefragt, ob mir schon mal aufgefallen sei, das alle krassen Frauen die ich kenne „Johanna“ heißen? Die Geigerin, die inzwischen keine Studentin mehr ist sondern im besten Orchester der Welt auf den großen Bühnen dieser Welt ihr Publikum verzaubert, die heißt auch so. An alle schwangeren Leserinnen: Ihr solltet das bei der Namenswahl erwägen! (Ob Johann auch funktioniert, dazu habe leider keine Daten...)
Wir haben also 5 h gebraucht, wie andere Profiläuferinnen halt auch in dieser Woche. Ich hatte beim Blick auf die Daten ja gedacht, 600 hm, 8 km, das hat man doch locker in 2 h? Deswegen wollte ich es ursprünglich an die gestrige Etappe dranhängen. Aber ich muss sagen: Die Wege sind schon … anspruchsvoll. Es ging es viel auf großen und heute eben sehr nassen Steinplatten über Blockfelsen, ein bisschen rutschiges Schuttkar. Der angekündigte Starkegen hatte sich nachts entladen, bis Mittag könnte es halbwegs trocken bleiben, aber die Wege sind durchtränkt.
Der erste Blick heute aus dem Fenster unseres Zweibett-Zimmers so:

Meteoblue kündigt für 11 Uhr leichten Niesel an und die Schweizer haben wie so oft fast auf die Minute recht. Wir queren sehr viele kleine Flüsse, die durch den Regen angeschwollen sind, die Füße bleiben bis zum Schluss unglaublicherweise trocken. Der Mann wird heute sehr oft sagen „Und du wolltest das noch an die gestrige Etappe dranhängen!“ das war unser (respektive mein) ursprünglicher Plan, weil die Franz Senn Hütte auf Monate ausgebucht war und ich dachte, die 8 km, die laufen wir halt noch weiter. Gott wäre das gestern schlimm gewesen. Glücklicherweise hatte der Mann vor ein paar Wochen online gesehen, dass plötzlich wieder 2 Betten frei waren. Gottseidank! Mein Bein ziert heute Morgen ein großes Pflaster, nix ist über Nacht aufgeschwollen oder dick geworden, auch hier, so ein Glück.
Wie ihr an den Zeiten seht startet der Tag früh, wir wollen mal wieder dem Wetter entkommen. Unsere beiden Mitschläfer Dirk und Martin sind noch früher los. Wir packen uns nach dem Frühstück zusammen. Das großartig war, ich habe einfach Apfelstrudel gefrühstückt. Man hätte für 24 Euro Buffet wählen können, für 7 Euro Müsli-Joghurt oder für 8 Euro das übliche Brote mit Butter und Marmelade-Frühstück..

Wer macht sowas, wenn man auch für 6 Euro eine riesen Portion Apfelstrudel bekommen kann? Ich versteh das nicht. Und erzählt mir jetzt nicht, dass ein Marmeladenbrot einen höheren gesundheitlichen Nutzen / Nährwert aufweist wie ein Apfelstrudel. Tut es nicht. Vom Genussfaktor ganz zum schweigen.
Zurück am Zimmer hält mir der Mann eine graue Männerunterhose vors Gesicht: „Ist das deine?“ Ähm. Nein. „Aber deine Hose hängt da noch?“ sage ich und zeige in die Ecke. „Nein.“ Das ganze Regal ist voller Kleidung, Socken, Unterhosen, T-Shirts und besagte Hose. „Das haben die beiden wohl vergessen.“
Die Regale waren auf der Seite, wo wir geschlafen haben, vermutlich wollten sie uns nicht stören und sind leise am Regal vorbeigeschlichen…
„Na sie wollten doch auch zur Regensburger Hütte, bringen wir es ihnen halt mit.“ sagt der Mann vergnügt. Der Mann ist ein sehr netter Mann. Er sagt unten Bescheid, falls sie anrufen, lässt sich einen extra Müllsack geben - es ist schließlich Regen angekündigt und packt alles ein. Es sind mindestens 2 Kilo…
Und dann machen wir uns los, noch ist es trocken, die Hütte bislang eine meiner liebsten, die trotz der Größe eine solche Freundlichkeit und Gemütlichkeit ausstrahlt. Und das Essen war wirklich grandios. Es gab sogar verschließbare Ladeboxen, für alle die Angst haben ihr Handy stundenlang irgendwo im Gang an einer Steckdose unbeaufsichtigt liegen zu lassen.

Manche scheinen hier auch ihre Schuhe aufzuladen!! Hätte ich das mal früher gewusst…

Wir befinden uns jetzt auf dem Stubaier Höhenweg, den wir planmäßig auch ein bisschen länger gehen wollen als es die klassische Garmisch-Brixen Alpenüberquerung tut. Wir sind somit jetzt in einem Pulk von Stubaier Höhenweg-Gehern, die Frankendichte hat abgenommen, dafür sind plötzlich überall Schwaben. Es ist die lustigste Szene des Tages, als da zwei ältere Herren auf meinem Wanderweg stehen, sich laut in tiefstem schwäbisch über die Landschaft unterhalten, ich sie grad überholen will und als sie mich sehen, lacht mich einer der beiden freundlich an und sagt: „Hello!“
Ich gucke wohl etwas komisch, er weiter „Where are you from?“
Warum spricht mich der Schwab auf englisch an?
Aber gut, vielleicht hat er grad ein Duolinguo Level bestanden und will üben? Also antworte ich ihm auf Englisch. „From Farchant, this is the Most beautiful town in the world. Its in Bavaria, close to Garmisch.“ Er überlegt eine ganze Weile, dann sagt er - wieder in schwäbischem englisch - „Then we could also talk german?“ Yes, das coulden wir. Wir plaudern ein bisschen, es sind - Überraschung - Stubaier Höhenweg Geher. Beim Weitergehen denke ich mir, ich muss jetzt echt mal aufhören, dass jedem zu erzählen. Dass es in Farchant so schön ist. Wer weiß welcher Promi sonst bald dort heiratet. Wobei, George Clooney, der im Pyjama durch den Ort spaziert? Eigentlich nicht das schlechteste Szenario 😂
Sonst ist der Wandertag so… naja.
Es ist einfach viel Aufwand für wenig / keinen Lohn in Form von Ausblicken. Man tappt über nasse Felsen, passt auf dass es einen nicht schmeißt und sieht wenig bis nix. Der Mann hat seine Leichensack-Ersatzhülle von der Pforzheimer Hütte zurechtgeschnitten und aufgezogen.


Es macht so semi-Spaß. Also nein, es macht gar keinen Spass. Wie vereinzelt an meinem Gesicht abzulesen ist…








Aber dann heißt es doch bald „Hütte in Sicht!“


Wir sind früh an der Hütte, es ist eine rein vegetarische Hütte, mit einem sehr neuen Anbau, viel Holz, gemütlich. Internet oder Netzempfang gibts keinen. Dafür mal wieder ein Zweibettzimmer! Und einen Seminarraum gäbe es auch. Ich mache mir einen gedankliche Notiz.


Die erste Person, die uns über den Weg läuft, ist tatsächlich Martin. „Vermisst du etwas?“ fragt der Mann freundlich. Und überreicht ihm seinen Kleidersack.

Martin hatte gerade im Zimmer ausgepackt und eben erst festgestellt, dass diverse Dinge fehlen. Er freut sich riesig. „Ich dachte mir schon wie soll ich jetzt ohne Unterhosen durch die Woche kommen! Ich hatte mich den ganzen Tag gewundert, dass mein Gepäck heute so leicht ist, aber ich dachte, ich werde langsam fitter.“ Er strahlt den Mann an: „Also dich hat doch direkt der liebe Gott geschickt!“
Das denke ich mir ja auch oft.
Er breitet die Arme aus, dann kommt er auf mich zu und meint: „Ich würde ihn ja umarmen, aber das ist vielleicht unangemessen. Also umarme ich doch besser dich stattdessen!“ Eine gute Entscheidung, - ich werde eh viel lieber umarmt als der Mann.
Wir richten uns ein, kruschteln in unseren Sachen, es ist eigentlich alles weitestgehend trocken geblieben. In der Stube essen wir eine leckere Linsensuppe, dann überlegen wir einen Gibanica-Strudel zu bestellen, das soll angeblich eine slowenische Hüttenspezialität sein. Am Nebentisch stöhnt jemand „Nehmt den unbedingt, oh mein Gott der war so lecker!“ Überredet. Bestellt.

Er ist als tollster Strudel der Alpen ausgezeichnet. Völlig zurecht! Ich schwanke zwischen der totalen Verzückung (oh mein Gott ist das gut, es ist der mit Abstand leckerste Kuchen der ganzen Tour bislang!) und wütender Empörung (wir sind 2021 eine Woche durch die slowenischen Alpen und NIEMAND hat uns DAS je serviert!! Wir mussten den ganzen Tag blöde Bockwürste essen, morgen,mittags, abends. Wieso erfahre ich erst jetzt, dass die auch gute Sachen machen können? Das hier ist doch eine Alpen-Marketing Story und spiegelt in keinster Weise die Realität!!)

Wir stöhnen noch ein bisschen vor Verzückung in dieses Meisterwerk der Backkunst hinein, dann ruft jemand am Nebentisch zur Bedienung „Also dann nehmen wir bitte auch so einen!“
Eine Gibanica-Laolawelle rollt durch den Gastraum, die alle in Verzückung versetzt.
Das Abendessen ist gut, die Halbpension mit über 50 Euro aber auch die bislang teuerste. Gemüsesuppe - dann gebratener Reis mit Gemüse oder Gnocchi mit Bärlauchpesto - Schokomouse. Ein großes Salatbuffet, das wirklich toll ist.
Es ist ziemlich voll, Martin und Dirk sitzen an einem weit entfernten Tisch, die Tische wurden vorab fest zugeordnet. Martin schaut vorbei und will uns unbedingt was ausgeben. Der Mann sagt nein. „Wenn, dann trinken wir später was zusammen!“ „So machen wir das!“ lacht Martin, und als es ein bisschen leerer wird an den bislang übervollen Tischen wechseln wir zu ihnen rüber. Es wird ein richtig netter Hüttenabend. Sie haben sich in der Ausbildung kennengelernt, sind seitdem Freunde und haben seit 35 Jahren den Traum, mal den Stubaier Höhenweg gemeinsam zu laufen. Sie sind jetzt 67, langsam wird es Zeit.
„Was habt ihr denn für eine Ausbildung gemacht?“ fragt der Mann. Und dann erzählen sie, dass sie in Arizona bei der Flugausbildung waren und dann als Kampfjetpiloten geflogen sind. Es folgt viel militärisches Fachvokabular, Flugzeugträger, warum Landungen darauf so schwierig sind und dass Martin eine der wenigen Menschen ist, der noch mit 51 Eurofighter fliegen durfte. Normal ist mit 41 Schluss, weil das so unglaublich anstrengend für den Körper ist. Der Mann ist total interessiert an allem - ich verstehe nicht viel.
Er übersetzt für mich: „Neben dir sitzt gerade TOM CRUISE.“
Tom Cruise nickt.
Beide bestätigen, dass Top Gun tatsächlich schon sehr nahe an der Realität dran ist. Martin ergänzt, dass auch die Charaktere zwar leicht überzeichnet, aber im Kern schon gut getroffen seien.
Ah! Wow. Echt?? Na das wird meine Leser aber interessieren! Wir trinken Wein mit Tom Cruise, mit echten Kampfjet-Piloten! Vermutlich gibt es hierfür aber wieder keine Freigabe? Wie das halt bei Geheimagentinnen, Bauingenieuren und hochrangigem Militär-Entscheidern so ist? Die sind ja alle immer sehr heikel mit der Freigabe ihrer Namens-und Bildrechte.
Aber Martin winkt ab, natürlich darf ich die Fotos posten. Sie sind schließlich schon in Rente.
Martin engagiert sich inzwischen ehrenamtlich für die Malteser und berät wie sich am besten auf Krisenfälle vorbereiten.

Beide sind unglaublich klug, lebenserfahren, weise, ich könnte ihnen ewig zuhören. Die nicht nur Misstände anklagen, sondern immer auch Gedanken und Ideen zur Lösung offen diskutieren. Ohne dogmatisch zu werden. Es ist eine Begegnung, die einem die Sorge vorm Älterwerden ein bisschen nimmt. Wie schön ist es, wenn man irgendwann in so einer Ruhe und Weisheit ankommt und trotzdem noch Aufgaben und Ziele und Pläne hat.
Jetzt also der Stubaier Höhenweg. Schon wieder ein Lebenstraum, der auf dieser Tour wahr wird. So wie beim dänischen Mont Blanc Besteiger mit der Zugspitze. Tom Cruise winkt ab „Abwarten. Wir sind erst an Tag 3. Der mich ja heute schon echt geschlaucht hat. Also, nix sehen und dieses rutschige Plattenzeug, das war doch total anstrengend! Ich bin fix und fertig.“ Ich fühle mich schlagartig besser. Eine Etappe, die echte Kampfjetpiloten schlaucht, da darf ich auch mal länger brauchen, als auf den Schildern steht. UND mir dabei noch denken, puh…das war anstrengend.
Hm, wenn man TOM CRUISE da oben trifft, vielleicht doch runter von der Couch? Kurz nachdenken, doch nicht, lieber Deinen tollen Bericht lesen. Liebe Grüße Christine