top of page

Tag 15 Salzburg – Triest: „Und jetzt raus mit euch“!



Feldnerhütte – Greifenburg

nix hoch, 1600 hm runter, 18 km, reine Gehzeit 4,5 Std.


Tag 15, Etappe 14. So nah waren diese beiden Zahlen ja letztes Jahr nie zusammen. Also höchstens am ersten Tag noch 😉 Etappe 14 bedeutet: Halbzeit. 14 von 28 Gesamtetappen.  Höhenmeterhalbzeit war sogar schon. Wow. Und ich bin bislang ohne einen einzigen Pausentag durchgelaufen….Langsam wird es Zeit, mein Körper hat es mir gestern ein paar mal zugeflüstert. Es ist nix kaputt, es tut nix weh, aber mal so einen ganzen Tag Nixtun, darauf freu ich mich. Übermorgen ist es soweit. Das bedeutet aber auch: Mira verlier ich dann erstmal. Sie hat die Hütten durchgebucht bis Slovenien.

Heute Abstieg nach Greifenburg. Es gibt drei Möglichkeiten, eine schöne nochmal mit ein paar Höhenmetern oben rumturnen.  Eine bei diesem Wetter sehr schlammige und einen sehr direkten Weg nach unten. Wir diskutieren beim Frühstück ewig. Das schöne „Original“ ist eine 7 Stunden Etappe, mit 500 Hm rauf und 2.000 runter und schon noch ein paar km. Aber ein bisschen könnten wir noch warten, später losgehen, es soll ein bisschen aufreißen. Wir könnten auch noch lange warten, den schönen Bergteil mitnehmen und dann nur bis zur Emberger Alm gehen, die liegt auf dem Weg und kommt nach 4 Stunden. „Von da geht Taxi oder um 16:30 Uhr der Bus, ihr geht dann da eh nur noch die Strasse runter.“ meint der Wirt. Und sich 1.000 HM im Abstieg sparen. Oder eben direkt nach unten, das ist mit 5,5 Stunden ausgeschildert. Am Anfang matschig, Wiese, dann ist irgendwo eine Brücke kaputt, wir sollen halt schauen wie wir durch den Fluss kommen. Dann nur noch Forststrasse.


4 Leute diskutieren – 4 Meinungen. Wir sind sehr unentschlossen und auch der Wirt ändert dreimal seine Meinung was er das Beste fände. Dann sagt er „ach entscheidet das selbst.“ und verschwindet. Katharina (fälschlicherweise auf dieser Hütte als Nr. 1 benannt) und ich machen noch ein Bergschuh-Foto-Shooting. Katharina & Katharina in Lowa Mauria. Wir würden schon auch als Bergschuh-Models taugen, finden wir…

Katharina (fälschlicherweise auf dieser Hütte als Nr. 1 benannt) findet heraus, das meine Schuhe noch wasserdicht sind, ihre, 2 Jahre alt, nicht mehr. Ich muss jetzt echt gut aufpassen, das wird mir klar…




Kurz drauf donnert es laut und lange. Bruno kommt zurück: „Ihr geht direkt runter. Ende. Und jetzt raus mit euch, ich muss putzen.“

Ich mach nur noch schnell ein Video von der Hütte und mit Bruno, dann geht es los. Es regnet nur ein bisschen, verpackt in unsere Regenjacken kein Problem. Die beide Geschwister sehen mit ihren roten Ponchos aus wie Wanderprediger.




Es geht erst ein bisschen über Stock und Stein, matschige Wiesen, en bisschen Sumpf, Dann wird es besser und leichter.



Wir finden eine Stelle über die es leicht über den Bach geht, Schuhe ausziehen müssen wir trotzdem. Das erstemal auf dieser Tour. Als wir auf der anderen Seite ankommen und die Schuhe anziehen, laufen Kälbchen auf uns zu, gucken uns neugierig zu was wir da tun. Was macht ihr da an eure Füße, scheinen sie zu fragen.




Ich will ein Video machen, finde meine Kamera nicht. Verdammt! Hab ich die jetzt oben liegen lassen? SOWAS BLÖDES!!! Ich bin mir so sicher, sie in die Deckeltasche gepackt zu haben. Weil ich sie da nie hintue und mir dachte, merk dir dass sie dort ist. Ich schreibe hektisch Bruno ein WhatsApp ob sie am Küchentisch liegt, er antwortet nicht. Stimmt, er sagte ja er macht da immer ein Mittagsschläfchen…


Wir gehen echt schnell, trotzdem ist Mira schon wieder über alle Berge. Als sie irgendwo auf uns wartet schwärmt sie: „dieses Gefühl, wenn die Beine immer schneller laufen wollen, es von selbst geht, man in so einen Lauf-Flow kommt, es sich so leicht rennt, man immer noch schneller rennen will, kennst du das?“ sie strahlt total. „Nein.“ sage ich. Das mit der Kamera nervt jetzt doch ein bisschen. „Gottseidank nicht das Handy“ rede ich mir ein. Und schreibe Bruno noch ein WhatsApp. Der Therapeut müsste ja planmäßig heute bei ihm sein. Er heißt Tobias, ob er sie ihm bitte mitgeben kann? Da ich ja Pausentag hab bald, würde er mich einholen, spätestens am Rifugio Nordia Deffar. Oder ich komme nach Hermagor runter an meinem Pausentag. Ob er das bitte tun könnte?  Er scheint immer noch zu schlafen, Nachricht ungelesen… Langsam reißt es auf. Hätten wir doch oben noch warten sollen? Und den Bergweg gehen?



Am Schild Greifenburg links und Greifenburg Wasserweg streiten wir kurz. Nicht den Wasserweg gehen, hat Bruno gesagt, meine ich. „Doch, auf jeden Fall gehen!“ meint Mira. Die Geschwister sind weiter hinter uns. Ich setze mich durch. Wir hatten dann beide recht. Bruno meinte tatsächlich, unbedingt den Wasserweg gehen. Was er aber nicht wusste: Der ist zur Zeit gesperrt, die Geschwister hinter uns sind ihn gegangen und mussten dann ein ganzes Stück wieder zurück laufen. Also doch alles richtig gemacht. Wir haben mal wieder keine Unterkunft gebucht, sind unschlüssig ob wir in Greifenburg bleiben (Mira findet schon wieder das klingt komisch) oder doch heute noch nach Weissbriach, die Hälfte der nächsten Etappe laufen. Wir sind super früh dran, zeitlich ginge das locker. Erstmal in Greifenburg MIttag essen, dann schauen wir weiter.


Die Geschwister und wir treffen uns auf die Sekunde zeitgleich wieder, als sie aus einem anderen Weg rausstechen, wir auf dem anderen geblieben sind. So ist das irgendwie immer, man muss nix ausmachen, man findet sich immer wieder. Wir laufen nach Greifenburg, suchen was zu essen. Die ausgeschriebene Pizzeria macht erst Abends auf, eine nette Frau schickt uns in die Dorfwirtschaft. Auf dem Weg dorthin kommen wir an Pension Trixi vorbei, da wo die beiden anderen sich eingebucht haben. Sie wollen kurz einchecken, Rucksäcke ablegen und dann nachkommen, „Ihr könnt ja mal fragen ob THEORETISCH noch was frei wäre für uns.“ sage ich. Kurz drauf kommt die Sonne raus, wir erreichen die Gaststätte, sitzen in der Sonne draußen! Es gibt Kärntner Nudeln und Lasagne, Sonne, Gemütlichkeit. Als ich den Berg Lasagne auf meinem Teller sehe, ist mir irgendwie schon klar, dass wir DANACH nirgends mehr hinlaufen….



Während wir aufs Essen warten, leere ich nochmal meinen kompletten Rucksack aus, auf der Suche nach meiner Kamera. Nichts. Bruno hat sich immer noch nicht gemeldet…Zefix…Ich war soo sicher, sie ist im Deckelfach. Aber da war die ganze Zeit der Regenschutz drauf, sie KANN da nicht rausgefallen sein…

Wir bleiben hier, beschließen wir einstimmig, Sonnendösig und Lasagne-müde. Als wir uns zusammenpacken, plötzlich ein Aufschrei aus Miras Richtung. Verbunden mit dem zweiten literarischen Maulkorb, dem Verbot, sie hier jetzt zu zitieren…Aber während sie mich lautstark beschimpft zieht sie was aus ihrem Rucksack-Deckelfach? Meine Kamera….“Ich wusste doch, ich hab sie ins Deckelfach!“ lache ich erleichtert.

Wir gehen mit den anderen zu Pension Trixi, entdecken aber am Grundstück gegenüber so ein entzückendes Hexenhäuschen wo Zimmer frei und eine Telefonnummer stehen. Das wäre genau das richtige für uns!



Wir rufen an. Na, die Ferienwohnung sei ein biserl zu groß für uns für eine Nacht, meint die Chefin. (Sie hat ja keine Ahnung,  wieviel Gäste wir immer so haben….) Aber wenn wir die Wiese hochgucken, da ist ihr Haupthaus, da kriegen wir jede ein Zimmer mit Balkon. Wir laufen da hin, verhandeln das Frühstück weg und freuen uns über einen freien Nachmittag. Ich dusche zweimal, für jeden ausgelassenen Tag einmal, schlafe ein bisschen in der frischen Bettwäsche. Alles riecht so sauber! Nachmittags fängt es so sehr zu schütten an. Mal wieder ALLES richtig gemacht. Ich gehe dann noch in den Supermarkt. Ich brauche zwar wirklich gar nichts, will aber unbedingt mal wieder „shoppen“ gehen. Kaufe Kirschen, Bananen, einen Trinkjoghurt und ein Mini-Glas Nutella. Für Notfälle.


Als ich grad vorm Nutella-Regal stehe ruft ein Headhunter aus London ein, erzählt irgendwas von Markteintritt in Deutschland und einer großartiger Gelegenheit. Ich versteh erst überhaupt nicht wer er ist und was er will, dann unterbreche ich ihn. Und wundere mich über mich selbst. Es ist, als würde er mir einen Dampfkochtopf oder einen Staubsauger anbieten, Dinge die sicher nützlich sind, für die ich jetzt grad aber einfach GAR keine Verwendung habe. WIE abwegig das plötzlich geworden ist, dieses für die Ziele von „Fremden“ zu arbeiten. Wie klar die eigene Richtung und der eigene Weg in den letzten Monaten sich aufgetan haben. Ohne das man vorher so genau wusste, wo es hingeht. Aber einen mutigen Schritt nach dem anderen gehend, offen bleiben, der Freude folgen. Letztes Jahr kamen während meiner Tour auch ein paar Mails und Anrufe diesbezüglich, mein Weggang wurde medial ja mehrmals erwähnt, das half ein bisschen. Da hab ich immer noch so halb-interessiert zugehört, es „sich wenigstens mal anhören“ sich „mal alle Möglichkeiten offenhalten.“ Dieses Bedürfnis ist komplett weg. Man weiß nie was künftig alles passiert und kommt, ob man das nicht irgendwann auch wieder anders sieht, aber ich merke wie sehr ich in der Freiheit und der Freude angekommen bin, selbstständig zu sein. Frei zu entscheiden, welche Projekte man annimmt, mit wem zusammenarbeitet. Die Angst ist weg. Viele suchen etwas auf dieser Reise, so wie ich letztes Jahr. Ich habe letztes Jahr auch gesucht. Dieses Jahr wandere ich einfach nur. Weil es gut tut, körperlich, seelisch, mental. Weil es glücklich macht. Weil man tolle Menschen trifft. Und dann wieder tagelang alleine sein darf, mit seinen Gedanken. Sich die Seele weitet, die Intuition spürbar wird. Ich freue mich an jedem Tag hier, und genauso aufs wieder Heimkommen. Ich suche grad gar nichts. Und finde trotzdem so viel. Jeden Tag.


Abends bleiben alle in ihren Hotels, verdauen die Mittagsreste, telefonieren, schreiben, arbeiten ein bisschen, sortieren sich. Waschen Haare. Mira sitzt noch ne Weile bei mir am Balkon, wir haben beide unsere Excel-Sheets am Schoß, gucken wo wir uns wieder treffen können. Wann sie gefälligst auch mal einen Tag Pause macht, dann würde ich sie wieder einholen. Sie überlegt einen Therapeuten-Pausentag zu machen und im Triglav-Nationalpark den Triglav, den höchsten Berg dort zu besteigen. Oder einen der vielen türkisfarben slowenischen Seen zu genießen. „Mir egal was du machst. Hauptsache du bleibst irgendwo mal stehen!“ ermahne ich sie. Wir treffen uns wieder, das wissen wir eh. Spätestens in Triest, ALLERspätestens. Da MUSS sie warten. Oder auf diesem entzückenden Weingut-Agritourismo das auf dem Weg liegt. Ich geb ihr die Adresse. Wir schauen dem Regen zu. Alles richtig gemacht. Manchmal muss man Gas geben, manchmal anhalten. Oder langsamer gehen. Wir genießen das bisschen Tal-Luxus sehr. Und Wlan. Wlan ist wichtig…




bottom of page